7 minute read

Faszination TRASH-TV

Die Meinungen darüber unterscheiden sich oft stark. Einige sagen: Diese Formate tragen zur Verblödung der Jugend bei. Andere sagen: Sie sind hellauf begeistert von dieser Art der Unterhaltung. Und ist es nicht auch mal okay, nach einem langen Tag diese Sendungen einzuschalten?

Den Ursprung in Deutschland hatte Trash-TV in den 1980ern mit dem Aufkommen privater Fernsehsender wie RTL oder Sat.1. Damals waren es noch nachgespielte Polizei- und Rettungsaktionen. Inspirieren lassen sich die Sender vor allem von bewährten Konzepten aus den USA. Die meisten Formate sind günstig produzierbar und folgen meist dem gleichen klischeehaften Muster. Wichtig dabei ist natürlich die Auswahl der richtigen Kandidat*innen, ohne die kein Format gut laufen könnte.

„Are You the One“, „Das Sommerhaus der Stars“ oder „Der Bachelor“ sind Trash-TVFormate, von denen sicherlich die meisten bereits gehört haben. Regelmäßig kommen neue Sendungen auf allen möglichen Streaming-Plattformen dazu. Dabei gilt das alte Trash-TV-Konzept: Hauptsache kontrovers, hauptsache polarisierend.

Oftmals werden in diesen Sendungen jedoch Verhaltensweisen vorgelebt, die es zu hinterfragen gilt. Von Misstrauen, starker Eifersucht oder einer ungesunden Streitkultur ist alles dabei.

Eine Frage die sich hier stellt: Kann der Konsum von Trash-TV uns negativ beeinflussen? Verschiebt er die Grenzen des für uns Akzeptablen oder wird uns vielmehr der Spiegel vorgehalten?

Die Kandidat*innen

Wie bereits erwähnt, sind die Kandidat*innen ausschlaggebend für den Erfolg der Formate. Diese strotzen meist vor Selbstbewusstsein und haben einen Drang zur Selbstinszenierung oder Narzissmus. Vielen geht es zudem gar nicht um den möglichen Sieg einer Show, sondern um den höheren Bekanntheitsgrad. Die Sendungen sind nur ein Mittel für die größere mediale Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund wirken manche Handlungen und Reaktionen im Trash-TV überzogen und unauthentisch. Dafür aber kann „Promiflash“ den nächsten Artikel über diese schreiben. Es geht stetig darum, im Gespräch zu bleiben. Talent steht dabei an zweiter Stelle oder wird gar nicht erst benötigt. Den größten Erfolg haben diejenigen, die in der Show am meisten polarisieren, Zickenkrieg anzetteln oder ein persönliches Schicksal teilen. Der Schnitt verstärkt das Ganze meist noch. Durch ihn werden die Kandidat*innen in stereotype Rollenbildern gezeigt. Nicht selten wird die Frage nach der Echtheit der ausgestrahlten Situationen gestellt.

Darüber hinaus befinden sich die Teilnehmer in einer Wiederverwertungskette. Oftmals ist ihr erstes Format nur der Anfang. Im Idealfall werden sie regelmäßig für neue Shows gebucht. Schließlich bestreiten viele dadurch ihren Lebensunterhalt. Was tut man nicht alles, um ein echter „Star“ zu sein!?

Von Misstrauen,

An Trash-TV-Shows wird ebenfalls kritisiert, dass dort so ziemlich alle Kandidat*innen den „Schönheitsidealen“ entsprechen und somit wenig Vielfalt präsentiert wird. Menschen mit Beeinträchtigungen sind in den typischen Datingshows beispielsweise gar nicht vertreten.

Eigentlich sieht man ausschließlich super durchtrainierte, top gestylte Teilnehmer*innen, welche einen seinen eigenen Körper hinterfragen lassen können. Ebenso zeigt sich nicht selten, dass einige Kandidat*innen bereits mehrere schönheitsmedizinische Eingriffe vollzogen haben. Gerade das Glorifizieren und vor allem Normalisieren dieser Eingriffe ist dabei bedenklich. Laut der Mental Health Foundation sind fast 24% der 18-bis-24-Jährigen durch den Konsum von Trash-TV besorgt um ihr eigenes Körperbild.

*innen konnten nicht nachvollziehen, wie Michelle es in dieser Beziehung aushält.

Patrick Romer zeichnete im „Sommerhaus der Stars“ ebenfalls ein Bild bedenklichen Verhaltens. Dauerhafte Erniedrigungen und Beleidigungen konnte er auch nicht sein lassen, wenn seine Partnerin Antonia bereits am Weinen war. Entschuldigungen seinerseits gab es dabei nur sehr selten. Die Schuld sah er in Antonia. Liebevolle Worte oder Nachfragen, wie es ihr geht: Fehlanzeige.

Körperliche Ausschreitungen sind in der Trash-TVWelt leider keine Seltenheit. Einige Kandidaten wurden dafür bereits aus den Sendungen geschmissen. Doch muss es erst handgreiflich werden, bis die Produktion eingreift? Sind nicht auch verbale Übergriffe zu ahnden? Sascha Nolden war letztes Jahr Kandidat bei „Ex on the Beach“ und traf in dem Format auf seine einstige Liebschaft Jill Lange. Ihm brannten die Leitungen durch. Er drohte ihr Gewalt an und trat gegen Blumentöpfe. Aber nicht nur er leistete sich so einen Fehltritt. Auch Kandidatin Leyla Lahouar ließ an dem Abend ihrer Wut freien Lauf und schlug auf ihren Ex Teezy ein. Sie musste ebenfalls ihre Koffer packen und die Show verlassen. Das alles innerhalb weniger Folgen.

Oft wird vieles darauf ausgerichtet, ein möglichst hohes Streitpotenzial hervorzurufen: Viel Alkohol, kein Zeitgefühl, keine Privatsphäre und Nominierungen, welche Kandidat*innen als nächstes gehen sollen, bilden den idealen Nährboden für Konflikte. Diese Ausschreitungen werden von den Sendern unkommentiert veröffentlicht. Die richtige Einordnung und Bewertung wird also dem Zuschauer*innen überlassen.

Formate ohne Grenzen Dating und Beziehung

Beliebte Trash-TV-Formate sind vor allem Datingshows oder Couple Challenges, bei denen mehrere Paare gegeneinander antreten. Die dabei gezeigten Verhältnisse haben oftmals allerdings keinen Vorbildcharakter.

In vielen dieser Beziehungen sind sogenannte „Red-Flags“, also Warnzeichen, erkennbar. Diese deuten häufig auf toxische Beziehungen hin. Ein Begriff, der momentan zum Modewort geworden ist und den viele wahrscheinlich schon zu Hauf gehört haben.

Größere Diskussionen über das Zur-Schau-Stellen von bedenklichen Partnerschaften kamen durch Mike Cees auf. Er war 2021 zusammen mit seiner Freundin Michelle Teilnehmer beim „Sommerhaus der Stars“. Für die tägliche Kritik an seiner Partnerin sowie Vorgaben bei der Kleiderauswahl und dem Verhalten, erntete Mike reichlich Kritik. Viele Zuschauer-

Der Rat von Freunden oder der Familie wird dabei ignoriert oder nicht ernst genommen. Oftmals möchte man seine Situation auch nicht anerkennen und rechtfertigt oder verteidigt seine Beziehung. Denn es gab ja auch gute Zeiten.

Speziell im Fernsehen erleben wir Dating und Beziehungsanbahnungen im Zeitraffer. Dort steht den Kandidat*innen nur ein sehr kurzer Zeitraum zum Kennen- und Liebenlernen zur Verfügung. Umso extremer sind dabei die „Aufs und Abs“. Eine „toxische“ Beziehung ist allerdings, laut Prof. Dr. Christian Roesler, kein wissenschaftlicher Begriff. Und in manchen Fällen muss man sich auch die Frage stellen, ob wirklich nur eine Person dieses „Gift“ mit in die Beziehung bringt. Oft ist es auch das Zusammenspiel von Charaktereigenschaften, die letztlich zu einer dysfunktionalen Beziehung führen.

Leben in der Öffentlichkeit

Beziehungen oder auch nur bloße Annäherungen im Fernsehen werden einer breiten Öffentlichkeit präsentiert, weswegen das allgemeine Interesse auch nach Drehschluss einer Sendung weiterhin bestehen bleibt. Die Kandidaten laden letztlich dazu ein, ihr Verhältnis zu beurteilen. Sie werden dazu aufgefordert, Statements und Updates zu ihrem aktuellen

Beziehungsstatus zu geben und dazu, wie die Entwicklung nach der Show war.

Bei einigen Trash-TV-Formaten gibt es sogar bereits „Reunions“, bei denen alle Teilnehmer*innen einige Wochen später nochmal zusammenkommen und über die Geschehnisse diskutieren. Meist jedoch auf eine eher unsachliche Art.

Diese große mediale Aufmerksamkeit erzeugt natürlich zusätzlichen Druck. Die Pärchen wollen sich im Anschluss entweder so gut und harmonisch auf Social Media darstellen, wie es nur geht, und belügen sich dabei letztendlich selbst. Oder wenige Monate nach Drehschluss folgt die Trennung mit anschließendem Rosenkrieg, um weiterhin im Gespräch zu bleiben.

Was ist das Faszinierende an Trash-TV?

Beim Großteil der Zuschauenden sind die Einschaltgründe von Trash-Sendungen Unterhaltung und Langeweile. Diese Formate haben keinerlei Bezüge zu aktuellen politischen Themen oder Krisen. Sie sind daher quasi die „perfekte“ Ablenkung vom Alltag –eine Art Flucht aus der Realität.

Ständige Streitigkeiten und Lästereien sind jedoch nicht für jeden akzeptabel. Haben demnach die treuen Zuschauenden eine Art Dramasucht?

Auch wenn das eigene Verhalten umso reflektierter sein kann, ist es dennoch interessant, diese sozialen Dynamiken zu beobachten. Man hat einen gewissen Abstand dazu und oftmals sind es Situationen, die man so auch aus seinem Umfeld kennt. Man kann hautnah dabei sein und baut eine ironische Distanz zu den Kandidat*innen auf. Vermehrt spielt auch eine gewisse Schadenfreude oder das Bedürfnis, sich über andere zu erheben, eine Rolle.

Als Zuschauer*in denkt man ebenfalls, dass man selbst Situationen viel besser verstanden hätte als die Kandidaten und besser damit umgegangen wäre. In ein toxisches Verhältnis zu kommen, wäre einem selbst daher nie passiert?!

Sowas ist natürlich einfach zu behaupten. Für unser eigenes Verhalten haben wir oft Rechtfertigungen. Bei anderen sind wir viel strenger in der Beurteilung. Trash-TV-Zuschauer*innen werden häufig in den Zusammenhang mit fehlender Bildung gebracht. Nicht selten bekommt man leicht abwertende Blicke, wenn man das Thema anspricht.

Die Frage, ob und wie stark der Konsum unsere Wahrnehmung beeinflusst, hängt sicherlich auch davon ab, wie reflektiert man selber ist. Die Formate können einem schließlich auch die Distanz zum eigenen Verhalten widerspiegeln. Unterbewusst findet höchstwahrscheinlich bei den Meisten zumindest eine kleine Beeinflussung statt. Diese kann sowohl nützlich sein, wenn man die Verhaltensweisen als Negativbeispiele ansieht, aber allen voran sind sie schädlich. Die Zuschauenden sind vermehrt noch sehr jung. Die Sendungen tragen demnach auch einen Teil zu ihrer Identitätsbildung bei.

Viele Trash-Formate laufen unter dem Deckmantel, die große Liebe zu finden oder Geld zu gewinnen. Häufig geht es aber darum, Menschen bloßzustellen und Fremdscham beim Zuschauenden auszulösen; denn das bringt gute Einschaltquoten. Empathielosigkeit als Geschäftsmodell – dafür sind heutige Produktionsfirmen bekannt.

Letzten Endes liegt es im Ermessen jedes Einzelnen, welche Sendungen eingeschaltet werden. Aber man kann es auch niemandem verübeln, moralische Bedenken zu äußern. Regelmäßig kommt es zu Ausnutzung und Demütigungen von Kandidat*innen.

Fest steht: Trash-TV ist sicherlich kein Bildungsfernsehen und viele Verhaltensweisen haben definitiv keinen Vorbildcharakter. Dabei gilt es auch, zu fragen, was die eigentliche Aufgabe der Medien ist.

Ob und wie lange die Erfolgsformel des TrashTVs anhält, lässt sich nicht sagen. Sicherlich wird es immer ein gewisses Interesse an skandalisierten Alltagen geben, aber vielleicht reicht einigen auch das Maß an „Trashpotenzial“ im eigenen Leben.

Catcalling – Pfeifen, penetrantes Hinterherlaufen und sexuell aufdringliche Sprüche: 90 Prozent der Frauen kennen dieses alltägliche Phänomen der verbalen sexuellen Belästigung auf der Straße aus eigener Erfahrung. Doch was von Belästigern belächelt und als Kompliment abgetan wird, hat oft schwerwiegende Folgen für die Betroffenen.

Text • Liza Löfstedt Illustration • Marie Juchems

Die 22-jährige Anastasia ist auf dem Weg nach Hause. Plötzlich spürt sie, wie jemand sie antippt. Sie nimmt ihre Kopfhörer ab, und dreht sich um. Da steht ein Mann. Fragend hebt sie die Brauen. „Ich wollte nur sagen, dass ich dich sehr hübsch finde. Wie heißt du denn?“, fragt er. „Danke für das Kompliment. Ich heiße Anastasia, habe aber einen Freund“ sagt sie ausweichend. „Ach so, okay. Aber dir einen schönen Abend noch.“ Er wendet sich ab. „Danke. Dir auch.“ Ein bisschen erleichtert setzt sie die Kopfhörer wieder auf. Aus Erfahrung weiß sie, dass sich nicht alle Männer so leicht abwimmeln lassen. Aber das war ja mal ein gutes Gespräch.

Anastasia setzt ihren Weg nach Hause fort. Nach etwa 20 Minuten hört sie jemanden hinter sich rufen. Zunächst ignoriert sie den Mann, der immer schneller auf sie zugelaufen kommt, bis sie ihn aus geht weiter. Will endlich weg von ihm. Doch er läuft weiter neben ihr her. „Ich bin nicht einsam“ sagt sie „Ich habe einen Freund und ich muss dir das auch nicht beweisen.“ Sie merkt wie die Anspannung in ihr wächst. „Jetzt komm schon“ sagt er und legt ihr die Hand auf die Schulter. Sie zuckt reflexartig zusammen. Er grinst und schaut ihr in die Augen, „Wir beide hätten doch bestimmt ‘ne Menge Spaß.“ Bevor Anastasia etwas erwidern kann, kommen zwei junge Männer an ihre Seite und sagen dem Mann, er solle sie jetzt endlich in Ruhe lassen. Daraufhin spuckt er auf den Boden und ist weg.

Man möchte es kaum glauben, aber solche und schlimmere Situationen, wie sie Anastasia erlebt hat, passieren hier in Deutschland täglich auf der Straße. Diese Form von verbaler sexueller Belästigung, für die der englische Begriff „Catcalling“ verwendet wird,

This article is from: