AussenSpiegel Februar 2012

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AussenSpiegel

Februar 2012

AussenSpiegel Schutzgebühr 3,50 EUR

Aktiv im Aussendienst

Gesundheits schutz im Außendienst Unternehmen in der Pflicht » Seite 4

Politik

Die Zeit ist reif! Pharma-Beschäftigte sind gefordert

» Seite 8

Technik

Mobile Ortung – Gläserner Mitarbeiter?

» Seite 12


Ticker

AT-Status, Vergütung und Arbeitszeit – Wir informieren in drei neuen Flyern. Diesen spannenden Fragen gehen drei neue Infopoint-Flyer für diese Beschäftigtengruppe nach. Erläutert wird zum einen die Frage, wie sich außertarifliche Beschäftigte von den Tarifbeschäftigten und den leitenden Angestellten abgrenzen und wie dieser Status ermittelt werden kann. In dem zweiten Flyer wird ausführlich erklärt, welche Konsequenzen der AT-Status in Sachen Arbeitszeit mit sich bringt und welche Kompetenzen und Rechte Betriebsräte und Betriebsrätinnen in dieser Frage haben. Der dritte Flyer zeigt schließlich die individuellen, betrieblichen und tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vergütung auf.

Demnächst auch in englischer Sprache erhältlich.

››

Die Flyer können über die Redak­ tion ( abt.zielgruppen@igbce.de) bestellt werden oder als PDF-Datei heruntergeladen werden. Scannen Sie einfach folgenden QR-Code:

›› www.igbce-blogs.de/ zielgruppenprojekte/?cat=10 Bilder der Forschung

nieren. Nicht zuletzt wird damit auch die Grundlage für den Erhalt und den Ausbau von hochwertigen Arbeitsplätzen in Deutschland geschaffen. Dieses unterstützt die IG BCE in ihrer Zusammenarbeit mit dem vfa ausdrücklich. „Wir müssen weiter hervorheben, dass unsere Pharma-Industrie – und vor allem die Mitarbeitenden – Leben rettet“, kommentiert Iris Wolf (IG BCE, Ressort Innovation und Technik) die Bildergalerie bestehend aus 40 Tafeln mit preisgekrönten und nominierten Bildern des Wettbewerbs aus den Jahren 2005 bis 2010. „Es ist an der Zeit, für das Image der Menschen in der Pharma-Industrie zu werben, welche sich aufgrund einiger öffentlicher Offerten mittlerweile teilweise schämen, heilende Medikamente zu entwickeln, zu produzieren und auch zu verkaufen“, so Iris Wolf weiter. Die Ausstellung war vom 11. bis 25. November 2011 in der Halle der IG BCE-Hauptverwaltung in Hannover zu sehen.

Fatale Nebenwirkungen Die Fusion der Pharma-Konzerne Takeda und Nycomed kostet Hunderte Außendienstler ihren Job Schlimmer hätte es kaum kommen können: Als der japanische Pharma-Riese Takeda Mitte Januar endlich mitteilt, wie er sich die Zukunft des Konzerns nach der Übernahme von Nycomed vorstellt, werden die ärgsten Befürchtungen der Mitarbeiter noch übertroffen. 1200 von 2900 Stellen sollen in Deutschland gestrichen werden. Die meisten davon am Betriebsrat Rolf Benz Standort Konstanz, wo Forschung und Vertrieb komplett aufgelöst werden. Der Standort Aachen soll komplett wegfallen. Wie genau mit den Mitarbeitern umgegangen wird, ist derzeit noch unklar. „Der Betriebsrat hat sich auf schwierige Verhandlungen eingestellt, um für die Kollegen das Beste herauszuholen“, sagt Rolf Benz, der Vorsitzende der Arbeitnehmervertretung in Konstanz. Insgesamt beschäftigt Takeda in Deutschland nach der Fusion etwa 800 Außendienstler – nach Ansicht der Konzernspitze deutlich zu viele. „Künftig sollen nur noch rund 330 Mitarbeiter im Vertrieb am neuen Standort Berlin beschäftigt werden, 240 davon dann im Außendienst“, weiß Betriebsrat Rolf Benz – im Konzerndeutsch heißt das: „Abbau von Doppelstrukturen“. An der ersten Protestkundgebung der IG BCE in Konstanz Ende Januar haben bereits 2000 Teilnehmer ihren Unmut über die Stellenstreichungen lautstark kundgetan.

IG BCE wirbt für das Image der Pharma-Beschäftigten Um zu zeigen, wie spannend die Welt der Wissenschaft ist, haben das Nachrichtenmagazin FOCUS und der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) 2005 erstmals einen der größten deutschen Wettbewerbe für Wissenschaftsfotografie „Bilder der Forschung“ ins Leben gerufen. Die Ausstellung lädt ein, die Faszination der Forschung selbst zu erleben. Wissenschaftsfotografen haben einen Blick in die Welt ermöglicht, die sonst nur Forschern vorbehalten ist. Forschung kann sich so verständlich machen, kann auch mitreißen und faszi-

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AussenSpiegel

Lesen Sie mehr zu den Strategien der Betriebsräte in Aachen und Konstanz sowie zu den Hintergründen der Umstrukturierung. Scannen Sie einfach folgenden QR-Code:

›› www.igbce-blogs.de/ zielgruppenprojekte/ ?page_id=830


Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser, diese Ausgabe des AussenSpiegels Wir entwickeln den AussenSpiegel steht im Zeichen der Entwicklungen in ständig weiter. Nachdem wir unserer der Pharma-Politik und vor allem deren Zeitschrift ein neues Outfit verpasst haAuswirkungen auf die Beschäftigten. ben, stärken wir ab dieser Ausgabe die Während manche Zeitungen auf ihren Möglichkeiten, mit uns in den Dialog zu Karriereseiten noch gute Perspektiven treten. Mit den sogenannten QR-Codes für die Pharma-Referent(inn)en sehen bieten wir unseren Leserinnen und Le(siehe Frankfurter Rundschau, „Die Pil- sern zusätzliche Informationsmöglichlenprofis“ vom 07.01.2012), ist bei den keiten und erhöhen damit – trotz halbbetrieblichen Profis längst Ernüchterung jährlicher Erscheinungsweise – unsere eingezogen. Das Arzneimittelmarktneu- Aktualität deutlich. ordnungsgesetz (AMNOG) wird massive Auswirkungen auf den Berufsalltag der Außerdem verändert sich auch die VerPharma-Referent(inn)en haben, die teil- antwortlichkeit innerhalb der Redaktion. weise schon spürbar sind. Wir informie- Mit Oliver Hecker übernimmt ein Kollege ren über die Positionierung der IG BCE den AussenSpiegel, der über sehr gute Kenntnisse des Berufsalltags von Audazu. ßendienstlerinnen und Außendienstlern Unser Schwerpunktthema für diese Aus- verfügt. gabe ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz im und für den Außendienst. Ein Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und Thema, dass nicht zuletzt mit den ver- freuen uns – wie immer – über Reaktioschärften Renteneintrittsmöglichkeiten nen. für diese Beschäftigtengruppe zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Inhalt Volkskrankheit „Seelenschmerz“

Technik Mobile Ortung

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Unternehmen in der Pflicht

Politik

Teilzeit im Außendienst: Bayer Vital-Mitarbeiter können Ansprüchen von Beruf und Familie gerecht werden.

Recht

14-17

> Steuerfalle für Außendienstmitarbeiter entschärft > Arbeitszeit im Außendienst > Parksünder haften mit

8-10

Die Zeit ist reif! Pharma-Beschäftigte sind gefordert

Nachgefragt

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Berufsporträt

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Lothar Bunjes und Wolfgang Schlage – Vertriebsspezialisten bei Aesculap

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Service

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Termine, Kontakte

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Titelthema

Nicht immer Grund zur Freude: Stressfaktor Nummer eins in Deutschland ist der Job.

Gesundheitsschutz im Aussendienst

Unternehmen in der Pflicht

Die Barmer GEK wollte es im vergangenen Jahr genau wissen und stellte eine einfache Frage: Woran erkranken die Deutschen? Die repräsentative Umfrage ergab: Volkskrankheit Nummer 1 ist Bluthochdruck (25,7 Prozent), gefolgt von Rückenschmerzen (24,1). Welche Auswirkungen haben diese Zahlen auf unsere Volkswirtschaft? Die Demoskopen

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AussenSpiegel

haben deswegen untersucht, welche Zahlen hat die Hans-Böckler-Stiftung Krankheiten am häufigsten zu Krank- ermittelt. „Wegen der Kombination aus schreibungen führten. Und siehe da: hohem Verbreitungsgrad, frühem Einset17,6 Tage fehlte jeder Deutsche im Schnitt zen und möglicherweise ungünstigem, aus gesundheitlichen Gründen am Ar- langen Krankheitsverlauf verursachen beitsplatz; aufgrund von Rückenschmer- psychische Leiden bedeutende wirtzen 13 Tage, aufgrund psychischer Er- schaftliche Belastungen“, heißt es zur krankungen aber 23 Tage – ein trauriger Erläuterung. Spitzenwert. Die angeknackste Psyche ist zu einer Volkskrank- Unter psychische Störungen fällt eine heit geworden. Und ganze Reihe von Krankheitsbildern. Mit sie schlägt kräftig zu Abstand am häufigsten sind ArbeitsausBuche. Psychische fälle durch gesundheitliche EinschränStörungen verursach- kungen der Kategorie „neurotische, beten im Jahr 2008 Be- lastungs- und somatoforme Störungen“, handlungskosten von dazu gehören etwa Angstzustände. Auf knapp 29 Milliarden Rang zwei folgen „affektive Störungen“ Euro. Die indirekten wie Depressionen; mit weitem Abstand Kosten betrugen so- folgen Suchtprobleme. Untersucht wurgar 45 Milliarden Euro. de auch, welche Kosten auf GesundheitsDieser Wert ergibt sich störungen entfallen, die unmittelbar aus aus der Zahl der aus­ dem Berufsleben resultieren. In dieser gefallenen Arbeitstage Abgrenzung ergibt sich ein jährlicher (die Techniker Kran- Schaden von 7,1 Milliarden Euro. Neben kenkasse schätzt die- den direkten Behandlungskosten beinse Zahl auf 10 Millio- haltet die Zahl Kosten des Arbeitsausfalls, nen) multipliziert mit Krankengeldzahlungen der Krankenkasdem Betrag, den ein sen, Kosten krankheitsbedingter Frühverdurchschnittlicher Ar- rentungen und Einnahmeverluste sowie beitnehmer pro Tag Zusatzausgaben der Rentenversicherung. erwirtschaftet. Diese Psychische Belastungen am Arbeitsplatz


Statement Belastungen geprägt. Bei der Terminsetzung sind Kundenwünsche und deren Zeitpläne zu berücksichtigen, was dazu führt, dass die Außendiensttätigkeit häufig mit hohem Termindruck ausgeführt wird.

Ulrich Freese

Tätigkeiten im Außendienst sind in vielfacher Hinsicht eine herausfordernde Tätigkeit. Außendienstler sind Repräsentanten des Unternehmens und nehmen eine Schlüsselposition bei der Vermarktung der Produkte und der Beratung der Kunden ein. Sie sind auch wichtige Seismografen für Produktentwicklung, Preisgestaltung und die Zufriedenheit der Kunden.

Betreuungsgebiete werden größer, das Fahren mit dem Auto ist sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht belastend. Aber auch der Umgang mit schwierigen Kunden und die ständig steigenden Anforderungen die Verkaufszahlen zu bessern, können auf die psychische Gesundheit wirken. Daher ist es besonders wichtig, im Bereich des Außendienstes dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen nicht überfordernd sind und den psychischen Fehlbelastungen entgegengewirkt wird.

Gute Leistungen als Außendienstler sind nur möglich, wenn die Qualifikation und die Motivation stimmen. Die Außendiensttätigkeit ist durch hohe

Ansatzpunkte der Prävention sind neben gut ausgestatteten Arbeitsmitteln, z. B. der Dienstwagen und das Heimbüro, eine gute Qualifikation und

Stellvertretender Vorsitzender der Industrie­ gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

– etwa hoher Leistungsdruck oder geringe Entscheidungsspielräume – können sich nicht nur direkt in psychischen Erkrankungen äußern. Auch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Kreislaufsowie Magen- und Darmerkrankungen können die Folge psychisch belastender Arbeitsbedingungen sein. Bezieht man dies in die Schätzung der gesamtwirtschaftlichen Kosten ein, so ist der volkswirtschaftliche Schaden noch erheblich größer als die reinen Kosten psychischer Störungen: Die Forscher kommen insgesamt auf rund 10 Milliarden direkte und gut 19 Milliarden Euro indirekte Kosten. 

Längst sind die Gewerkschaften auf den Plan gerufen. Kein Wunder, denn über das „Volksleiden Burn-out“ (Der Spiegel) häufen sich Berichte mit Überschriften wie „Wenn der Job Angst macht“ (Frankfurter Rundschau) oder „Modekrankheit oder echte Seuche? (Plasberg, ARD) in allen seriösen Medien. Als Reaktion darauf hat die IG Metall knapp 4000 Betriebsräte befragt. Dabei gaben 86 Prozent an, dass der Anstieg psychi-

eine kooperative Führung. Entzerrungen bei den Terminplänen und realistische Verkaufs- und Umsatzziele sind weitere präventive Maßnahmen. Eine Strategie des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Außendienstler muss ergänzt werden mit Maßnahmen zum Ausgleich der Belastungen. Dazu gehören störungsfreie Freizeiten und Angebote der Unternehmen zum Ausgleich von körperlichen Belastungen. Die IG BCE und die in der IG BCE organisierten Betriebsräte halten es für erforderlich, dass Gefährdungsbeurteilungen für Außendienstler gründlich durchgeführt werden und die Beschäftigten die Chance haben, insbesondere ihre individuell empfundenen Gefährdungen und Belastungen zum Ausdruck zu bringen. Nur mit dieser Erhebung ist es möglich, gezielte, wirkungsvolle Präventions- und Kompensationsmaßnahmen zu entwickeln.

scher Erkrankungen in ihrem Betrieb als ernstes Problem wahrgenommen werde. Etwa 40 Prozent der Betriebsräte hätten von einer starken oder sehr starken Zunahme psychischer Erkrankungen berichtet. Als Gründe nennt die Gewerkschaft „überlange Arbeitszeiten, unfähige Chefs und ein kaum zu bewältigendes Arbeitspensum“. Im November veröffentlichte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) beklemmende Zahlen: Immer mehr Arbeitnehmer gehen wegen einer psychischen Erkrankung vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren in Rente. 2010 waren es bundesweit fast 71.000 gegenüber 64.500 im Jahr 2009. Bei Frauen ist eine psychische Erkrankung in jedem zweiten Fall der Grund für einen unfreiwilligen Vorruhestand; bei Männern in jedem dritten. Zudem sind die Menschen beim Eintritt in den Vorruhestand immer jünger: 1980 waren alle erwerbsund berufsunfähigen Neurentner im Durchschnitt 56 Jahre alt, während sie

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Titelthema

Belastungen im Außendienst Es ist feststellbar, dass die körperlichen und psychischen Belastungen für Arbeitnehmer im Außendienst immer stärker zunehmen. Betriebsratsgremien fordern für den Arbeitsplatz „Außendienst“, schleunigst eine umfassende Gefährdungsbeurteilung inklusive der psychischen Belastungen aufzustellen. Dabei sollte eng mit der Fachkraft für Arbeits­ sicherheit und dem zuständigen Werkarzt zusammengearbeitet werden. Es ist in vielen Bereichen der Industrie gleichermaßen zu beobachten, dass die Aufgaben für Außendienstmitarbeiter immer vielschichtiger werden. Größere Reisegebiete, lange Fahrten, viele Staus, ständige Erreichbarkeit über Mobiltelefon oder E-Mail, immer neue Reporting-Systeme, zeitnahe Berichte über die Kundenbesuche, viele Übernachtungen und somit Verzicht auf Ehepartner und Kinder, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in eine immer stärkere Schieflage bringt. Trotz der größeren Reisegebiete bestehen die Arbeitgeber oftmals auf die gleiche, vorgegebene Anzahl von Kundenbesuchen bzw. Umsatzvorgaben, die an Boni gekoppelt sind. Das erhöht den Termindruck der Außendienstmitarbeiter zusätzlich. Termine werden oft genug nicht eingehalten. Dadurch entstehen Wartezeiten oder unnötige Wege. Die Arbeitgeber erklären derweil, dass eine intelligente Reiseplanung (die zunehmend über die Zentrale geregelt wird) zusätzliche Belastungen vermeidet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch entsprechende Steuerungssysteme angeblich entlastet werden. Ein bemerkenswerter Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Weigerung einiger Unternehmen, die betreuenden Betriebsräte auf entsprechende Seminare zu schicken, da aus ihrer Sicht betriebliche Gründe bei psychischen Belastungen keine Rolle spielen. Oft machen es sich die Arbeitgeber und Personalverantwortlichen einfach und erklären, dass psychische Erkrankungen von Arbeitnehmern eher im privaten Umfeld verursacht werden. Damit ergeben sich aus deren Sicht auch keine Gründe für den Schutz der Arbeitnehmer zu sorgen. Letztendlich schadet das aber dem Unternehmen insgesamt.

heute erst etwas über 50 sind. Bei psychi- zu beseitigen.“ Vereinfacht ausgedrückt schen Störungen liegt der Durchschnitt heißt es, dass jeder Mensch anders auf sogar bei 48,3 Jahren. Krankenkassen „abnorme Bedingungen“ im Alltag reund Ärzte sind davon überzeugt, dass agiert. Aber nicht jeder Organismus ist die Fallzahlen weiter zunehmen werden. in der Lage, Druck und Stress zu verarAls Gründe werden zunehmender Stress beiten. Welche Ausmaße das Problem inim Job sowie Existenzängste wegen zwischen in Deutschland angenommen unsicherer Arbeitsverhältnisse genannt. hat, macht eine repräsentative Studie Auch bei der Rehabilitation, die in der Re- von Techniker-Krankenkasse, FAZ-Insgel von der gesetzlichen Rentenversiche- titut und Forsa deutlich: Acht von zehn rung bezahlt wird, wächst der Anteil der Deutschen empfinden demnach ihr Lepsychisch bedingten Krankheiten. 2010 ben als stressig. Jeder Dritte steht unter waren es dem DRV zufolge 177.000 Fälle, Dauerstrom, jeder Fünfte bekommt die das sind 11.000 mehr als im Vorjahr. Da- Folgen gesundheitlich zu spüren – von bei war die Erfolgsquote hoch: 84 Prozent Schlafstörungen bis hin zum Herzinfarkt. der psychisch Erkrankten schafften es Stress bestimmt den Alltag in Deutschnach einer Rehabilitation, wieder ins Be- land immer stärker. Stressfaktor Numrufsleben zurückzukehren und ihre Leis- mer eins ist der Job. Das haben die 1.014 tungsfähigkeit deutlich zu verbessern. befragten Personen zwischen 14 und 65 Jahren zu Protokoll gegeben. Jeder Dritte Aber warum musste es erst so weit arbeitet am Limit, getrieben von Hekkommen? Die Wissenschaftler der Hans- tik, Termindruck und einem zu hohen Böckler-Stiftung schieben den Unterneh- Arbeitspensum. Ein Drittel der Beschäfmen den Schwarzen Peter zu. In der Stu- tigten leidet darunter, rund um die Uhr die beklagten 69 Prozent der Befragten erreichbar sein zu müssen und von Inforfehlende oder nicht ausreichende Hilfs- mationen überflutet zu werden. Berufsangebote für Erkrankte, und 73 Prozent tätige Eltern geraten der Studie zufolge waren der Meinung, es müsse mehr für besonders häufig an ihre Belastungsden Gesundheitsschutz getan werden. In grenze. Ihre größte Sorge sei, dass die der Tat könnte betriebliche Gesundheits- Familie zu kurz kommt. Sogar 90 Prozent politik einen Beitrag leisten, den wirt- der Schüler klagen über Stress. Psychiaschaftlichen Schaden von psychischen ter und Buchautor Michael Winterhoff Erkrankungen und Belastungen zu redu- meint, unsere Psyche sei „inzwischen im zieren. Zahlreiche Studien aus den USA Dauerkatastrophen-Zustand“. Überhitzt belegten, dass sich Präventionsmaßnah- und dominiert von der Angst, etwas zu men in aller Regel auszahlen – nicht nur verpassen, nicht schnell genug am Appagesamtwirtschaftlich, sondern auch für rat zu sein. In Alarmbereitschaft werden das einzelne Unternehmen. Nach unter- die alltäglichen Kampfzonen bewältigt: schiedlichen Untersuchungen erzielt ein Familie, Arbeit, Straßenverkehr. „Dampfin Gesundheitsprävention investierter kesseln unter Hochdruck gleich. In ExDollar Erträge zwischen 2 und 10 Dollar. plosionsgefahr“, ergänzt Spiegel-Autorin Angela Elis. Um Angestellte besser zu schützen, müssen die geltenden Arbeitsschutzbestimmungen konsequent angewendet werden. Vor allen Dingen müssen auch psychische Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung aufgenommen werden. Wirksame Maßnahmen zur VermeiDiskutieren Sie mit uns zu dung von psychischen Erkrankungen diesem Thema. Scannen Sie sind umzusetzen. Grundsatz: Die Geeinfach folgenden QR-Code: sundheit darf nicht hinter betriebswirtschaftlichen Erfolgszahlen zurückstehen.

QR-Code

„Jeder Dritte arbeitet am Limit“

Rudolf Virchow war 1856 als Direktor an der Berliner Charité vom Stressphänomen fasziniert. Er schrieb dazu: „Die Krankheit beginnt in dem Augenblick, in dem die regulatorische Einrichtung des Körpers nicht ausreicht, die Störungen

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Beim Gehen lauern die grössten Gefahren! Arbeitssicherheit im Außendienst aus Sicht eines Unternehmens Nycomed/Takeda räumt dem Thema „Arbeitssicherheit“ eine hohe Priorität ein. Anfänglich lag der Fokus eher auf dem nahen, betrieblichen Umfeld, also dem Innendienst. Wesentlich häufiger als ihre Kollegen im Innendienst zogen sich jedoch Außendienstmitarbeiter während der Arbeitszeit gesundheitliche Schäden zu. Im Arbeitsschutzausschuss wurde der Schwerpunkt daher gezielt auf den Außendienst gelegt, betont Gabriel Agostini, Leiter des Bereichs Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Durch Unfalluntersuchungen und systematische Gefährdungsbeurteilung wurden die Risiken im Arbeitsalltag der rund 400 Außendienstler beleuchtet. Stolpern, Rutschen und Stürzen sind die häufigsten Unfallursachen im Außendienst. Autounfälle sowie Kopfverletzungen beim Stoß gegen den Kofferraumdeckel oder Einklemmen der Finger beim Be- und Entladen des Fahrzeugs stellen dagegen eine Minderheit dar, erläutert die Fachkraft für Arbeitssicherheit Monika Allweiler. Doch viele Gefährdungen sind technisch nicht zu beeinflussen. „Wer mit dem Handy am Ohr und einem Stapel Unterlagen eine Treppe geht, riskiert seine Gesundheit“, mahnt Monika Allweiler. In diesen Fällen hilft nur die Einsicht, dass man durch erhöhte Aufmerksamkeit schmerzhafte Unfälle vermeiden kann. Nach der bewährten Strategie, dass der stete Tropfen auch den Stein höhlt, wird „Arbeitssicherheit“ immer wieder thematisiert. Es geht darum, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich der möglichen Gefährdungen zu sensibilisieren – so wird im Intranet über aktuelle Themen berichtet, webbasierte Schulungen durchgeführt und bei Betriebsversammlungen auch schon einmal ein Stolper-Parcours aufgebaut. Der Erfolg gibt uns recht, das zeigen die aktuellen Unfallzahlen. Im Jahr 2011 konnten wir die Anzahl der Unfälle bezogen auf 1.000 Mitarbeiter gegenüber 2005 um mehr als die Hälfte reduzieren. Auch der werkärztliche Dienst ist mit Rat und Tat dabei. Beratungen bezüglich ergonomischer Körperhaltung im Fahrzeug und im Homeoffice gehören ebenso dazu, wie regelmäßige Sehtests, die im Rahmen von Außendiensttagungen angeboten werden. Den erhöhten Infektionsgefahren in Wartezimmern und Krankenhäusern wird durch gezielte Impfungen entgegengewirkt. „Die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter liegt uns am Herzen – wir bleiben am Ball.“


Politik

Die Zeit ist reif!

Pharma-Beschäftigte sind gefordert

Von Oliver Hecker

Die Pharma-Industrie wird überall als Gewinner der letzten Gesundheitsreformen bezeichnet, tatsächlich sind die Beschäftigten, insbesondere die Außendienstler, die großen Verlierer. Während die Umsätze bei allen Verschiebungen innerhalb der Branche relativ konstant bleiben, werden die Beschäftigten in den Unternehmen zunehmend mit steigendem Kostendruck und Personalabbau konfrontiert. Der Kampf um Marktanteile verschärft sich weiter, während die Instrumente sich stark verändern. Die Ärzte als Zielgruppe entfallen vielfach als „Entscheider“, Apotheken und Krankenhäuser kaufen in Einkaufsgemeinschaften ein und verschmelzen zu immer größeren Konzernen.

„Wir brauchen eine einheitliche Bewegung aller Beteiligten für das Image und die Zukunft der Pharma-Beschäftigten.“

Funktion für die Qualität der Medikation durch die Ärzte bedeutet, ist bisher nicht abzusehen. In der Öffentlichkeit und in der politischen Debatte spielt die Funktion des heimlichen Helfers des Arztes aber nur selten eine Rolle. Der Arzt wählt weiterhin den Wirkstoff aus und der Apotheker kennt oftmals – gerade im städtischen Raum – nicht die begründenden Rahmenbedingungen einer VerschreiSomit steht die Zukunft des klassischen bung und kann deshalb sein Wissen Pharma-Referenten infrage. Weiter be- über Wirkweise, Nebenwirkungen und nötigt werden Außendienstler im Spezi- Zusammenwirken mit anderen Medikaalaußendienst, bei Produkteinführungen menten nicht zielführend anwenden. Ich und im Bereich OTC. Auch strategische halte diese Entwicklung für fatal. Viele Ansätze in ganzheitlicher Menschen wissen nicht, Beratung von der Diagdass die Pharmakologie Pharma-Referenten nose bis zur Medikation keine ernst zu nehmenwerden nach unseren de Größe im Medizinstusind die geheimen Informationen eine grödium ist und die Ärzte Helfer des Arztes. ßere Rolle spielen. Dies hier oftmals nur über Ersieht der Gesetzgeber fahrungswissen verfügen, seit 01.01.2011 durch die Aufnahme der dass sie durch Seminare, Kongresse und Pharma-Industrie als Partner in der soge- Gespräche sowie Fachliteratur erhalten. nannten integrierten Versorgung auch Alle vier Quellen wurden bisher als Verausdrücklich vor. triebsstrategie durch die Pharma-Industrie abgedeckt. Selbstverständlich immer Volkswirtschaftlich betrachtet scheint mit dem Versuch, die eigenen Produkte die Reduzierung von Vertriebskosten zu- im Markt zu platzieren. Doch wissen wir nächst einmal sinnvoll für Unternehmen auch, dass erst verschiedene Angebote und Patienten. Weniger betrachtet wird den Markt transparent machen. Wollen die Frage, welche Konsequenzen der ver- wir einen Fernseher kaufen, so informiestärkte Wegfall des Arztes als Zielgruppe ren wir uns zuerst über alle am Markt für den Pharma-Vertrieb noch auf das erhältlichen Produkte. Auch hier halten Gesundheitssystem hat. An vielen Stel- wir es nicht für verwerflich, eine Werbelen ist der Pharma-Referent der „heim- broschüre eines namhaften Anbieters zu liche Helfer“ des Arztes in pharmakolo- lesen. Letztendlich wissen wir, welche Ingischen Fragen. Was der Wegfall dieser formationen von Herstellern und welche für das Gesundheitssystem nützlichen Informationen von anderer Seite kom-

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AussenSpiegel

Oliver Hecker

men. Manchmal ist es sogar gefährlicher, sich auf vermeintlich neutrale Informationen zu verlassen, die dann doch von jemandem finanziert wurden, der zukünftig nicht mehr in Erscheinung tritt. Insgesamt ist der Personalabbau in vollem Gange. Wir beobachten die Schließung von Linien in fast allen Unternehmen der Pharma-Industrie. Die Zeitpunkte verschieben sich allerdings je nach Produktpipeline und Spezialisierungsgrad. Fatal ist aus unserer Sicht, dass die Informationen an die Belegschaften fast immer plötzlich erfolgen. Dieses Vorgehen nimmt den Beschäftigten die Möglichkeit, sich weiter zu spezialisieren oder mit genügend Ruhe auf dem Arbeitsmarkt umzusehen. Für die Unternehmen hat dies natürlich den Vorteil, dass die Außendienstmitarbeiter/ -innen möglichst lange motiviert arbeiten können und sich nicht auf andere Dinge konzentrieren. Die Motivation und Identifikation sind und bleiben Schlüsselelemente des Vertriebs. Hier müssen wir es schaffen, insbesondere diejenigen Außendienstmitarbeiter/-innen, welche bisher ohne größere Spezialanwendungen gearbeitet haben, weiterzubilden. Ansonsten sieht ihre Zukunft, zumindest zu ihren jetzigen Arbeitsbedingungen, duster aus. Dies ist auch eine der großen Herausforderungen für uns als Gewerkschaft, hier Angebote zu machen und mit den Betriebsräten Strategien zu entwickeln, welche Arbeitslosigkeit verhindern und so am Ende nicht nur die Höhe der Abfindungen zu verhandeln.


Statement Die Beschäftigten der PharmaIndustrie stehen weiterhin vor großen Herausforderungen. Als IG BCE engagieren wir uns von jeher für die Interessen unserer Mitglieder. Dazu gehört insbesondere die Erhaltung und Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen am Standort Deutschland. Durch einen starken Rückhalt aus den Betrieben gelingt es uns seit Jahren, die legitimen Interessen der Beschäftigten beispielsweise in der Stein- und Braunkohle in der Frage, welche Rolle die Kohle in einer Energieversorgung der Zukunft spielt, zu vertreten. Auch in der chemischen Industrie gestalten wir Themen wie z. B. die EU-Chemikalienverordnung REACH oder das Thema Gentechnik im Interesse unserer Mitglieder. Dies führt teilweise dazu, dass auch die Arbeitgeber strategische Partner für die Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen werden.

Zugleich müssen wir die Arbeitsbedingungen für die verbleibenden Außen­ dienstmitarbeiter/-innen sichern. Über Performance-Management-Systeme wurde an vielen Stellen Mitarbeiterentwicklung versprochen und Selektion gelebt. Hier wird aktuell massiv über Aufhebungsverträge und Leistungsdruck ausgesiebt. Das dürfen wir in der Fläche nicht zulassen. Auch hier liegt ein Themenfeld, welches die IG BCE strategisch besetzen wird. Es gilt mit den Betriebsräten Erfahrungen auszutauschen und einheitliche Leitplanken in der Branche zu diskutieren. Trotz der Konkurrenz der Unternehmen arbeiten die Personalverantwortlichen in Netzwerken gut zusammen und pflegen einen regen Austausch. Diesen Austausch brauchen wir noch stärker auf der Arbeitnehmerseite. Dies geschieht auf Eigeninitiative der Betriebsräte bereits an vielen Stellen. Auch wir haben einige regionale und bereits seit Jahren ein bundesweites Betriebsrätenetzwerk installiert. Nun muss es uns gelingen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Die Konkurrenz unserer Arbeitgeber ist das eine, etwas anderes jedoch sind die Arbeitsbedingungen unserer Kollegin-

Wir arbeiten derzeit mit Betriebsrätenetzwerken und auch dem Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) an Strategien. Kernthemen sind hierbei das Image der Pharma-Beschäftigten, die Rahmenbedingungen für Forschung, Vertriebsstrukturen der Zukunft, Beschäftigungsmöglichkeiten durch die integrierte Versorgung und auch die Frage, wie wir unsere Produktionsstandorte im internationalen Wettbewerb an der Spitze halten können. Um uns gegenüber der Politik mit legitimen Interessen der Beschäftigten durchsetzen zu können, brauchen wir noch stärker als bisher den Rückhalt aus den Belegschaften. Unser Ziel, die hochwertigen Arbeitsplätze der pharmazeutischen Industrie langfristig in Deutschland zu halten, können wir nur erreichen, wenn wir gegenüber den Vertretern der Gesundheitspolitik

QR-Code Diskutieren Sie mit uns zu diesem Thema. Scannen Sie einfach folgenden QR-Code:

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nen und Kollegen in den Unternehmen. Genau wie in der Tarifpolitik ist es insbesondere unsere Aufgabe, hier den Austausch zu fördern und mit den Betriebsräten zu einheitlichen Positionen auf der Arbeitnehmerseite zu kommen und diese auch in den Belegschaften zu diskutieren. Nur so nimmt uns die Politik als legitimen Vertreter der Arbeitnehmer in der Branche wahr. Und ohne eine solche Vertretung der Arbeitnehmerinteressen

Edeltraud Glänzer Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

glaubhaft machen können, dass wir einen großen Teil – möglichst aber alle – der noch rund 100.000 Pharma-Beschäftigten in Deutschland vertreten. Daher ist es für eine gute Interessenvertretung unumgänglich, dass sich die Beschäftigten durch Beitritt in die IG BCE zu uns bekennen und so unsere gestalterischen Möglichkeiten stärken.

werden die Interessen der Menschen in der Pharma-Industrie hinter denen zum Marktzugang zurückstehen. Logischerweise sehen sich die Vorstände immer zuerst ihren Geldgebern verpflichtet und Vertriebsmitarbeiter/-innen kosten Geld. Wenn man also den gleichen Gewinn mit weniger Personal erzielen kann, so reduziert sich auch das Risiko, da man weniger investieren muss. Nicht zuletzt daher wundert es nicht, dass auch Unternehmen und Verbände der Pharma-Industrie ihre Prioritäten in der Debatte zu den Gesundheitsreformen gesetzt haben. Das Gesagte gilt genauso für die Anpassungen von Dienstwagenrichtlinien, Büropauschalen, Prämien- und Bonusvereinbarungen, Betriebsrenten sowie anderen betrieblichen Regelungen. Wir befinden uns in einer Abwärtsspirale der Sozialleistungen. Die Angst vor der Arbeitslosigkeit und der Zukunft, welche viele Außendienstmitarbeiter/-innen verspüren, gepaart mit Versprechen, dass so etwas im eigenen Unternehmen nicht passiert und man ohne die Außendienst­ mitarbeiter/-innen nicht auskommt, wird von einigen Unternehmensvertretern schamlos ausgenutzt. Dieses kennen wir aus anderen Industriebereichen. Erst

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Politik

werden Sozialleistungen mit Verweis auf den Markt und den Gesetzgeber gekürzt und anschließend trotzdem entlassen. Verwunderlich ist, dass sich hier alle Arbeitgebervertreter einig sind, dass der Personalabbau, da er durch den Markt oder den Gesetzgeber verursacht wurde, quasi Gottgegeben ist. Doch auch wenn der Markt sicherlich nicht unbedingt von einzelnen Unternehmen bezwingbar ist, müssen wir auch die Frage nach Alter­ nativen stärker stellen. Von Zeit zu Zeit gelingt dies auch, so ist es uns im Fall des Kaufs der Alcon Pharma durch Novartis gelungen, eine völlig sinnlose Verlagerung des Vertriebsstandortes über 300 km von Freiburg im Breisgau nach Frankfurt am Main zu verhindern, da Vertriebsinnen- und Außendienst gemeinsam mit Betriebsrat und IG BCE dagegen gekämpft haben und dabei auch vor der klaren Konfrontation mit der Geschäftsleitung im Betrieb, aber auch in der Öffentlichkeit nicht zurückgeschreckt sind. Nun stehen die Belegschaften von Takeda Aachen und Nycomed/Takeda Konstanz vor der gleichen Frage. (Siehe Seite 2.) Genauso gilt es die Frage zu stellen, warum Leiharbeit im Außendienst trotz Personalabbau noch zunimmt. Dies widerspricht jeder Beobachtung in anderen Branchen. Während Tausende Jobs im Außendienst verloren gehen, wachsen

Pharmexx, Quintiles und Andere stetig. Vergangenheit in der Regel nicht kannSo ist sogar zu erwarten, dass zukünf- ten und müssen Strategien entwickeln, tig ganze Linien durch die sogenannten bei denen wir unsere Erfahrungen aus „Leasing-Unternehmen“ gestellt werden. anderen Branchen einbringen können. Auch hier stellt sich die Frage nach den Gleichwohl hat die Pharma-Branche Arbeitsbedingungen. Noch zahlen zumin- selbstverständlich ihre Besonderheiten, dest einige Unternehmen den Lohn der die es zu beachten gilt. äquivalenten Außendienstmitarbeiter/ -innen in den Entleihunternehmen. Was Für die Beschäftigten heißt dies gleichaber, wenn dann tatsächlich ganze zeitig, dass sie nun auch in der beruflich Linien von „Leasingkräften“ eingesetzt bereits hoch anspruchsvollen Pharmawerden? Welche Arbeitsbedingungen Welt mit Zukunftsängsten konfrontiert werden dann gelten?! Diese aus der Ver- werden. Daher gilt auch hier, dass die gangenheit nicht gelösMitgliedschaft in einer te Frage, welche andere Gewerkschaft weder vor Nun kommt es auf Branchen bereits seit JahArbeitslosigkeit schützt, ren bewegt, wird uns also noch zehnprozentige die gewerkschaft­ bald rasant einholen. Gehaltssteigerungen galiche Stärke an. rantiert. Doch eines wird Wir müssen daher nun dringend nötig, dass schnellstmöglich ein einheitliches Vor- wir die Reihen der Arbeitnehmerschaft gehen entwickeln und dürfen uns als in der Pharma-Industrie schließen. Wir Betriebsräte und Beschäftigte nicht ge- brauchen spätestens jetzt eine starke geneinander ausspielen lassen. Jeder Prä- Gewerkschaft. Es reicht nicht länger, dass zedenzfall in anderen Unternehmen holt der Organisationsgrad der chemischen uns schnell ein. Die Branche ist, wie wir Industrie in Gänze die schlechten Mitalle wissen, sehr klein. gliedszahlen in vielen Pharma-Unternehmen kaschiert. Nun kommt es auf die Ich kann nur an alle Betriebsräte appel- gewerkschaftliche Stärke in jedem einlieren, mit uns zusammenzuarbeiten zelnen Unternehmen an. Sie alle haben und Strategien zu entwickeln. Für uns es in der Hand, sich auf die bevorstehenmuss die Zeit der „hübschen Betriebs- den Herausforderungen vorzubereiten. rätetagungen“ mit vielen Grußworten Werden Sie Mitglied, insoweit Sie es noch und wichtigen Menschen im Pharma- nicht sind und sprechen Sie vor allem Bereich zu Ende sein. Die Betriebsräte auch Ihre Kolleginnen und Kollegen an. stehen vor Situationen, welche sie in der Die Zeit dazu ist reif.

Zur Person

Oliver Hecker ist seit 1. September 2011 als Gewerkschaftssekretär in der Hauptverwaltung der IG BCE im Vorstandsbereich 3 in der Abteilung Zielgruppen tätig. Hier ist er unter anderem für den AussenSpiegel und die Beschäftigten der Pharma-Industrie verantwortlich. Daneben liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit im Bereich der hoch qualifizierten und außertariflichen Angestellten. Schon während seiner Ausbildung zum Lacklaboranten bei der BASF Coatings AG in Münster engagierte Oliver Hecker sich als Jugend- und Auszubildendenvertreter sowie in verschiedensten gewerkschaftlichen Gremien. Danach absolvierte er ein Akademie-Studium an der

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AussenSpiegel

Akademie der Arbeit in der Johann-Wolfgang-GoetheUniversität Frankfurt am Main mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht, Sozialpolitik und Volkswirtschaft und nahm dann im April 2004 seine Tätigkeit bei der IG BCE auf. Insbesondere in den letzten sechs Jahren erlangte Hecker, der im Bezirk Freiburg (Raum Südbaden) neben Beratungen im Arbeits- und Sozialrecht vor allem Betriebsräte in Ihrer Arbeit unterstützte und Tarifverhandlungen führen durfte, seine Kompetenzen im Bereich Pharma. Er war hier verantwortlich für Unternehmen wie z. B. Pfizer, Roche Pharma, Nycomed Deutschland, Alcon Pharma und Pierre Fabre. Somit reichen seine Erfahrungen von Produktionsgesellschaften über forschende Unternehmen bis hin zu reinen Vertriebsorganisationen. Erfahrungen zum Thema Außendienst außerhalb des Pharma-Sektors hat er durch die Betreuung von Vertriebsorganisationen in den Bereichen Bauchemie, Solar und Elektronikbau­ teile erlangt.


Nachgefragt

„Endlich kein schlechtes Gewissen mehr“ Teilzeit im Aussendienst: Bayer Vital-Mitarbeiter können Ansprüchen von Beruf und Familie gerecht werden

Andrea Müllejans ist alleinerziehende Mutter und Mitarbeiterin im Pharma„Ohne die Möglichkeit, Außendienst der Bayer Vital GmbH. NeuTeilzeit zu arbeiten, hätte ich erdings arbeitet sie nur noch drei Tage meinen Beruf vielleicht gar in der Woche. Seit Mai 2011 können bei nicht mehr ausüben können.“ Bayer Vital auch die Kollegen im Außendienst Teilzeit arbeiten – möglich macht das eine bundesweit bisher einmalige Betriebsvereinbarung (der AussenSpiegel berichtete). Andrea Müllejans ist eine von bisher zehn Kolleginnen bei Bayer Vital, die die neue Betriebsvereinbarung unterschrieben haben. Die 42-Jährige muss den Ansprüchen von ihrem Arbeitgeber, dem Haushalt und ihres siebenjährigen Sohns Jonah gerecht werden – eine Aufgabe, nem Sohn gegenüber und auch gegendie sich mit einer Vollzeitstelle kaum be- über meinem Beruf“. Das ging so weit, „dass ich ernsthaft darüber nachgedacht wältigen lässt. „Ich bin sehr pflichtbewusst, arbeite gern habe, aus der Pharma-Industrie auszuAndrea Müllejans mit ihrem Sohn Jonah und viel“, sagt Andrea Müllejans. Und steigen“, sagt die Außendienstlerin. weil sie natürlich auch eine gute Mutter Da kam das Angebot, Teilzeit zu arbeiten, sein will und sich das alles nur schlecht „wie gerufen“. Seit September arbeitet sie unter einen Hut bringen ließ, hatte sie zu 60 Prozent, also drei Tage die Woche. ständig ein schlechtes Gewissen, „mei- „Endlich kann ich meinen Sohn, der gerade eingeschult wurde, so unterstützen, wie er das braucht. Und ich kann meinen Beruf mit Herz und Seele ausfüllen, so wie ich das möchte“, sagt die 42-Jährige. Finanziell bedeute die Teilzeitarbeit na- in Teilzeit arbeiten.“ Das wären dann türlich einen Einschnitt, aber den nimmt etwa fünf Prozent der Außendienstler. Den Artikel aus der letzten sie gern in Kauf: „Wir kriegen das gut hin.“ Zum Vergleich: Im Innendienst arbeiten AussenSpiegel-Ausgabe 13 Prozent der Belegschaft in Teilzeit. finden Sie im Internet. Scannen Wie Andrea Müllejans arbeiten bei BaySie einfach folgenden QR-Code: er Vital inzwischen neun Kolleginnen Noch ist Bayer Vital bundesweit das einin Teilzeit – manche zu 50, andere zu zige Unternehmen mit einer Betriebsver60 Prozent. „Außerdem haben wir bisher einbarung für Teilzeitarbeit im Außenzehn weitere Anträge auf Teilzeitarbeit dienst. Das könnte sich aber bald ändern: vorliegen“, berichtet der Betriebsrats- „Nach dem Bericht im AussenSpiegel vorsitzende Michael Westmeier. Bald haben sich einige Betriebsräte bei mir werden noch einige Kollegen mehr die erkundigt, wie das bei Bayer Vital genau neuen Möglichkeiten durch das Pilot- gelaufen ist. Jetzt wollen sie in ihren Beprojekt nutzen, ist Westmeier überzeugt: trieben Verhandlungen mit den Unterwww.igbce-blogs.de/ „Ich rechne damit, dass künftig bis zu nehmensleitungen aufnehmen“, erzählt zielgruppenprojekte/?page_id=63 40 Bayer Vital-Außendienstmitarbeiter Michael Westmeier.

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Technik

Mobile Ortung

Regelungsbedarf als Sichtschutz für den gläsernen Mitarbeiter Erschienen in Computer und Arbeit 8/2011

Die Gründe von Ortung reichen von der Überprüfung sparsamer Fahrweise bis hin zu Diebstahlschutz von Smart­ phones. Manchmal geschieht die Ortung aber auch unbeabsichtigt.

Funktionsweise der Ortung GPS (Global Positioning System) – die Ortung über Satellitensysteme – ist das bekannteste aller Ortungssysteme und wird auch in der öffentlichen Wahrnehmung sofort mit Ortung in Verbindung gebracht. Wer nun glaubt, dass das Abschalten des GPS-Senders diese Möglichkeit der Ortung unterbindet, wird bei genauerer Betrachtung eines Besseren belehrt. Auch andere Techniken ermöglichen eine genaue Bestimmung des Standortes. Bei Smartphones geschieht dies über Funkzellen oder benachbarte WLAN-Netze. Testen lässt sich dies durch das Starten von Google Maps o. Ä. auf einem Smartphone bei ausgeschaltetem GPS-Empfangsmodul. Auch können manche Smartphones eine Standortbestimmung anhand der WLAN-Netze, die sich in der Umgebung registrieren, vornehmen.

schutz lassen sich Smartphones relativ simpel orten. Die Software ist hier in der Regel günstig auf dem Markt erhältlich. Ohne auf die Frage einzugehen, ob eine Ortung eines gestohlenen Gerätes dem Diebstahl vorbeugt oder ob es eher eine abschreckende Wirkung hat, muss ein solches Sicherheitsinstrument auf den Prüfstand gestellt werden. Bei Smart­ phones können viele Privatnutzer die Ortung selbst testen, denn für die meisten Plattformen sind Dienste wie Wavesecure für Android schnell installiert und erlauben eine stille und heimliche Ortung des Geräts. Wie selbstverständlich diese kritisch zu betrachtenden Ortungsfunktionen oft ganz nah neben betriebsnotwendigen Funktionen liegen, zeigt die Grafik am Beispiel des Dienstes Wavesecure. Die Möglichkeit, gestohlene Geräte zu sperren und die darauf gespeicherten Daten zu löschen, ist mit Hinblick auf den Schutz personenbezogener Mitarbeiterdaten sicherlich notwendig. Daher ist insbesondere die Prüfung aller Einsatzmöglichkeiten von Diensten und Applikationen sinnvoll, auch wenn diese gar nicht der Grund der Nutzung sind.

Daniele Frijia, IG BCE BWS GmbH

„Warnungen werden in Echtzeit auf dem Fahrerdisplay angezeigt, um auf riskante Ereignisse und Bedenken beim Kraftstoff­ verbrauch hinzuweisen: • zu schnelles Fahren • tatsächlicher Kraftstoffverbrauch und durchschnittlicher Verbrauch pro Fahrt • verschwendeter Kraftstoff durch Leer­ laufzeiten • ruckartiges Lenken oder plötzliches Bremsen“ Wenn wir diese Werbeanzeige nun mit dem Effizienzgedanken und den Interessen unserer Unternehmen vergleichen, so könnte man schnell auf die Idee kommen, solche Systeme auch im Außendienst einzusetzen.

Unbeabsichtigte Ortung

Manchmal ist die Ortung mobiler Geräte Im Nahbereich bestehen andere Mög- Ortung zur Optimierung der auch nur ein Zufall und unbeabsichtigt. lichkeiten der Ortung von Personen oder Geschäftsabläufe Ein Beispiel findet sich im Bereich der Gegenständen, wie z. B. über RFID-Tags VoIP-Telefonie, mit der viele betriebliche (radio-frequency identification) oder Auch Geschäftsprozesse können mithilfe Akteure vielerorts konfrontiert wurden. auch durch elektronische Zeiterfassungs- mobiler Ortung vereinfacht werden. So Da die Reichweite der WLAN-Netzweroder Einlasssysteme. lässt sich im Logistikbereich mit entspre- ke beschränkt ist, müssen in Betrieben chender Telematik-Soft- und -Hardware meistens mehrere Zugangspunkte für schnell feststellen, wo sich jemand be- WLAN-Geräte (Accesspoints) eingerichDimensionen der Ortung findet und so die Disposition von Gütern tet werden. Bewegt man sich nun mit eiGrundsätzlich sind drei Dimensionen der und Fahrzeugen vereinfachen und opti- nem WLAN-Gerät, zu denen mittlerweile Ortung durch Arbeitgeber zu unterschei- mieren. „schnurlose“ VoIP-WLAN-Telefone, Lapden. Sie erfolgt als Sicherheitsinstrument, Allerdings sind moderne Telematik- tops und -Pager/Pieper gehören, durch zur Optimierung oder auch unbeabsich- Systeme in der Lage, mehr als nur die ein Gebäude, zeigt sich in den Logdateien tigt. Position eines Fahrzeuges zu erfassen. jedes Mal das entsprechende Endgerät. Die Hersteller bewerben diese Tech- Auch dieses lässt sich zu Hause leicht Ortung als Sicherheitsinstrument nik mit der Erfassung vieler andere nachspielen: Viele WLAN-Router verfüDaten, darunter das Brems- und Lenk- gen über eine eingebaute WebschnittGPS wird berechtigt und unberechtigt verhalten inklusive einer einfachen stelle, mit der man sehen kann, welche oft als Sicherheitsinstrument eingesetzt. Aufbereitung für die Firmenzentrale, WLAN-Geräte sich derzeit eingeloggt Das klassische Beispiel ist der Diebstahl- wie das folgende Werbebeispiel zeigt: haben. schutz. Neben dem bekannten Fahrzeug-

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AussenSpiegel


Einen ganz anderen Bereich umfasst die unbeabsichtigte Ortung im Bereich der (meist) privaten Nutzung von Smartphones mit ortsbasierten Anwendungen sozialer Netzwerke (Beispielsweise Facebook). Wenn man es wünscht, veröffentlichen diese Anwendungen die aktuelle Position automatisch. Hier gilt es also darauf zu achten, dass die Einstellungen der Apps datenschutzsicher erfolgt.

Positionsdaten auf keinen Fall mit protokolliert werden. Allenfalls die gefahrene Strecke kann hier (aus steuerrechtlichen Gründen) von Interesse sein. Wohingegen bei dienstlichen Fahrten die genaue Ziel- und Ortsangabe notwendig sein kann, aber ob sich diese aus der elektronisch bestimmten Position ergibt, ist infrage zu stellen, denn der genaue Standort des Fahrzeuges lässt nicht unbedingt einen Rückschluss auf den steuerrechtlich relevanten Zielort und den Grund der Fahrt schließen.

Handlungsmöglichkeiten betrieblicher Akteure Eine zentrale Rolle nehmen bei der Frage der mobilen Ortung die Betriebsräte ein. Sie haben über § 87 I Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen. Die Gerichte bestätigen hier in ständiger Rechtsprechung, dass über den Wortlaut des Gesetzes hinaus schon die Möglichkeit der Überwachung, und nicht erst die Nutzungsabsicht für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ausreicht. Bei der Einführung neuer Techniken sollte neben den üblichen Mindeststandards, welche wir schon aus dem klassischen Bereich der EDV kennen, beispielsweise generell der Umgang mit Protokolldateien geklärt sein. Diese werden in der Regel verdeckt erstellt, um im Rahmen der Fehlerbehebung zu wissen, welche Funktionen das Gerät zuletzt wie ausgeführt hat. Selbstverständlich lässt sich hier auch hervorragend die Leistung des Bedieners nachverfolgen. Hierbei gilt zu regeln, dass die Daten in spezifischen und sinnvollen Fristen gelöscht werden und dass der Zugriff auf diese Protokolldateien nur für bestimmte Personengruppen möglich ist, deren Umgang mit den Daten ebenfalls zweckbestimmt wird. Als Beispiel ist die Systemadministra­ tion eine Benutzergruppe, die aufgrund ihrer technischen Position grundsätzlich Zugriff auf nahezu alle Daten hat. Dieser Zugriff sollte auf die Aufrechterhaltung des technischen Betriebs begrenzt sein. Hier kommen betriebliche Akteure nicht drum herum, sich mit geplantem Softwareeinsatz detailliert auseinanderzusetzen. Denn manchmal zieht eine Software, die von allen gut geheißen wird, weitere problematische Elemente nach sich. Ein Beispiel ist die weiter oben bereits angesprochene Software für Smart­ phones, die dieses bei einem Diebstahl löscht und sperrt. Was zunächst zu befür-

SCREENSHOT wavesecure

worten ist und nicht nach einer Software klingt, die zu einer Verhaltens- und Leistungskontrolle führt, kann auf den zweiten Blick eben doch mit einer Überwachungsfunktionalität ausgestattet sein, die nicht erwünscht ist. Überwachung und Schutzfunktionen sind hier nur einen Klick voneinander entfernt. Es gilt also, Software in den Blick zu nehmen und sich alle Facetten erläutern zu lassen, auch von Funktionalitäten, die zunächst nicht in Betracht kommen. Für die hier notwendige Überprüfung der technischen Möglichkeiten benötigt man sowohl Kenntnisse des anzuwendenden Bereiches als auch von der geplanten Software, ob und wie der Arbeitsablauf konkret strukturiert ist und ob die erhobenen Daten wirklich notwendig sind. Nicht vergessen werden sollte auch die Klärung der zu erhebenden Daten sowie die damit verbundene Zweckbindung der Daten inklusive einem Verwertungsverbot für andere als die genannten Zwecke. Während die Position einer Person oder eines Fahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt im Logistikbereich von Interesse sein könnte, ist die ständige Aufzeichnung solcher Positionen in Kombination mit der Erhebung weiterer Fahrinformationen wie Lenk- und Bremsverhalten nur schwer zu begründen und fällt ggf. unter eine rechtswidrige Totalkontrolle. Ein weiteres Beispiel sind elektronische Fahrtenbücher, bei denen meistens irgendeine Art der Kennzeichnung von Privatfahrten vorhanden ist. Hier muss sichergestellt sein, dass eine Privatfahrt nicht nur als private Fahrt in einer Logdatei festgehalten wird – was den steuer­ lichen Ansprüchen genügt –, sondern die

Bei jeder neu eingeführten Soft- und Hardware – auch wenn sie noch so harmlos und nützlich erscheint – muss also sichergestellt sein, dass die Verhaltensund Leistungskontrolle ausgeschlossen oder zumindest klar geregelt wird. Daher sind Betriebsvereinbarungen in diesem Bereich unumgänglich. Da die Anwendung mobiler Ortung von Unternehmen zu Unternehmen stark abweicht, lässt sich nur schwer mit Muster-Betriebsvereinbarungen arbeiten. Allerdings sollte eine solche Vereinbarung auf jeden Fall den Umfang der erhobenen Daten, eine konkrete Zweckbestimmung der erhobenen Daten, ein Verwertungsverbot für andere Zwecke, den Zugang zu diesen Daten und den weitere Umgang mit diesen Daten (z. B. Löschfristen) enthalten. Möglichst sollte auch der Ausschluss von Verhaltens- und Leistungskontrollen erfolgen. Im Betriebsvereinbarungsarchiv der Hans-Böckler-Stiftung finden sich verschiedene Übersichten zu Betriebsvereinbarungen zum Thema der mobilen Ortung. Diese sog. „Gestaltungsraster“ können als Grundlage für eine erste Diskussion dienen.

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Recht

mäßigen Arbeitsort geben kann, selbst wenn der Arbeitnehmer immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. Nach der bisherigen Rechtsprechung konnten Arbeitnehmer, welche mehrere Arbeitsorte hatten, auch mehrere regelmäßige Arbeitsorte haben. Dieses hatte gerade in Filialorganisationen oder bei niederlassungsunterstützten Außendiensten fatale Auswirkungen. So erlangten Gebietsmanager, welche immer wieder verschiedene NiederlasDefinition der „Arbeitsstätte“ sungen anfuhren nach bisheriger RechtsDie Lohnsteuerrichtlinie R 9.4 aus dem auffassung in jeder Filiale einen regelmäJahr 2008 definiert in Absatz 3 unter dem ßigen Arbeitsort. Diesem widersprach Punkt „Erstattung von Reisekosten“ den der BFH jetzt im Fall einer GebietsmanaBegriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ gerin, welche regelmäßig 15 Filialen ihres wie folgt: „Regelmäßige Arbeitsstätte Arbeitgebers aufsuchte, für die sie verist der ortsgebundene Mittelpunkt der antwortlich ist. Der BFH begründet dies dauerhaft angelegten beruflichen Tätig- damit, dass keiner der Einsatzorte eine keit des Arbeitnehmers (...). Regelmäßige hinreichend zentrale Bedeutung gegenArbeitsstätte ist insbesondere jede orts­ über den anderen Einsatzorten habe. feste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer In einem anderen Fall hatte ein Außenzugeordnet ist und die er mit einer ge- dienstler Fahrten mit dem Firmen-Pkw wissen Nachhaltigkeit immer wieder zwischen seiner Wohnung und dem Beaufsucht (...). Von einer regelmäßigen Ar- triebssitz des Arbeitgebers als Dienstreibeitsstätte ist auszugehen, wenn die be- sen geltend gemacht, da er vor Fahrtantriebliche Einrichtung des Arbeitgebers tritt zu Hause im Keller des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer durchschnittlich im Wartungs- und Optimierungsarbeiten Kalenderjahr an einem Tag je Arbeitswo- an der betrieblichen EDV-Anlage durchche aufgesucht wird (...).“ führen musste. Finanzbehörde und Finanzgericht beurteilten die Fahrten zuvor als Strecken zwischen Wohnung und Folgen seit 2008? regelmäßiger Arbeitsstätte. Der BFH hat Bei 52 Kalenderwochen im Jahr und sechs das Verfahren an das Finanzgericht zuWochen Urlaub genügte also das Aufsu- rückverwiesen und ihm aufgegeben, den chen der Firmenzentrale an 46 Arbeitsta- Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit zu gen, damit sie im steuerrechtlichen Sinn bestimmen. Hierbei hat die Vorinstanz der Richtlinie „regelmäßige Arbeitsstät- insbesondere zu berücksichtigen, welche te“ wird. Die Steuerrichtlinie setzte dabei Tätigkeit an den verschiedenen Arbeitsbisher nicht einmal voraus, dass bei den stätten im Einzelnen wahrgenommen Fahrten zur Arbeitsstätte der Firmen- werde und welches konkrete Gewicht Pkw genutzt wird. Es genügt vielmehr, dieser zukommt. Allein der Umstand, dass „die betriebliche Einrichtung des Ar- dass der Angestellte eine Tätigkeitsstätbeitgebers vom Arbeitnehmer (...) aufge- te im zeitlichen Abstand immer wieder sucht wird“. Hat der/die Arbeitnehmer/ aufsucht, reicht für die Annahme einer in 46 Tage im Jahr eine Betriebsstätte regelmäßigen Arbeitsstätte jedenfalls aufgesucht, so wurde die Entfernung nicht mehr aus. Dieser muss jetzt vielvom Wohnsitz zu dieser Betriebsstätte mehr zentrale Bedeutung gegenüber den bei der Pauschalversteuerung der pri- weiteren Einsatzorten zukommen. vaten Nutzung eines Firmen-Pkws von 0,03 % mit einberechnet. Auch interessant ist, dass der BFH im dritten Urteil klarstellte, dass das Aufsuchen des Betriebssitzes für AußendienstmitWas sind die Neuerungen? arbeiter noch nicht dazu führt, dass der Der Bundesfinanzhof (BFH) veröffent- Betriebssitz zum regelmäßigen Arbeitslichte am 24. August 2011 gleich drei Ur- ort wird, wenn sie dort nicht ihrer eigent­ teile, die zu einer Änderung seiner bishe- lichen Tätigkeit nachgehen. Entschieden rigen Rechtsprechung führen. Mit diesen wurde im Fall eines Außendienstlers, Urteilen vereinfacht der BFH das Reise- welcher den Betriebssitz regelmäßig zu kostenrecht für alle Beteiligten erheblich, Kontrollzwecken aufsuchte. in dem er betont, dass es nur einen regel-

Alles was Recht ist Steuerfalle für Außen­ dienstmitarbeiter entschärft Die Änderung der Lohnsteuerrichtlinie R 9.4 im Jahr 2008 führte zu einer Modifizierung der steuerlichen Berechnung der Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte mit einem Firmen-Fahrzeug. Die maßgebliche Veränderung war die neue Definition des Begriffs „Arbeitsstätte“, die für alle Außendienstmitarbeiter Auswirkungen hat. Jetzt hat der Bundesfinanzhof klargestellt, wie diese Definition zu verstehen ist. Sehr zum Wohle unserer Kolleginnen und Kollegen. Besonders für Außendienstmitarbeiter kann diese zusätzliche Pauschalversteuerung schnell zu einer Falle werden. AussenSpiegel berichtete in der letzten Ausgabe ausführlich. Für Arbeitnehmer, die einen Firmen-Pkw gestellt bekommen, über den sie auch privat verfügen dürfen, gilt grundsätzlich, dass diese Privatnutzung mit 1% des Listenpreises des Pkws monatlich zu versteuern ist. Nach dieser Methode wird die private Nutzung eines Firmenwagens beim Arbeitnehmer gemäß dem § 8 Abs. 2 Satz 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) i. V. m. §6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als geldwerter Vorteil versteuert. Infolge dieser Steuervorgabe wird dem regelmäßigen Arbeitsentgelt 1% des Brutto-Pkw-Wertes fiktiv hinzugerechnet und der normalen Einkommensteuer unterworfen. Zusätzlich zu dieser Pauschalversteuerung – hier wird die Änderung der Lohnsteuerrichtlinie maßgeblich – sind nach §8 Abs. 2 Satz 3 EStG die Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte zu versteuern, und zwar monatlich mit 0,03% des Brutto-Pkw-Wertes je Entfernungskilometer. Diese steuerliche Belastung kann auch nicht durch die Entfernungspauschale, um die das zu versteuernde Einkommen entsprechend der Wegstrecke zwischen Wohnort und Arbeitsstätte gemindert wird, aufgewogen werden.

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AussenSpiegel


Sollte jedoch ein Außendienstmitarbeiter, der gleichzeitig Betriebsratsmitglied ist, allein für die Betriebsratsarbeit fortwährend immer den gleichen Ort aufsuchen, so kann dies nur im Falle einer Freistellung des Betriebsratsmitglieds nach §38 BetrVG eine regelmäßige Arbeitsstätte begründen. Handelt es sich um ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied im Außendienst, so stellt das Betriebsratsamt ein Ehrenamt dar, sodass darauf niemals der zentrale Gegenstand des Arbeitsverhältnisses, also eine regelmäßige Arbeitsstätte, begründet werden kann und folglich eine steuerliche Belastung entfällt.

Fazit

Günter Schölzel

Somit hat der Bundesfinanzhof das Justiziar und Leiter der Abteilung Steuerrecht für Außendienstler mit sei- Betriebsverfassung bei der IG BCE nen neuen Rechtsprechung erheblich vereinfacht und die seit 2008 entstan- Jan Grüneberg denen Schwierigkeiten für viele Kolle- Gewerkschaftssekretär, Abteilung ginnen und Kollegen, welche häufiger Betriebsverfassung der IG BCE Betriebsorte des Arbeitgebers aufsuchen müssen, weitgehend beseitigt. Nun gilt Oliver Hecker es, diese Rechtsprechung bei der Steuer- Gewerkschaftssekretär, Abteilung klärung 2010 zu berücksichtigen und ggf. Zielgruppen der IG BCE Einspruch gegen die Steuerbescheide einzulegen, welche sich noch nicht an dieser Rechtsprechung orientieren. Auf jeden Fall lohnt es sich, den persönlichen Einzelfall von Fachleuten prüfen zu lassen.

(Zu viel) Arbeitszeit im Außendienst – eine „never ending story“? Rückblick auf Teil I: 1. Findet ein Manteltarifvertrag für das Arbeitsverhältnis Anwendung, gilt (z. B. in der chemischen Industrie) eine 37,5-Stunden-Woche. Dabei wird die Arbeitszeit durch betriebliche Regelungen auf 5 Wochentage (Montag bis Freitag) verteilt. 2. Kommt ein Tarifvertrag nicht zur Anwendung, so gilt das Arbeitszeitgesetz und damit eine werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden (§2). Da bei Werktagen auch der Sonnabend mit einbezogen ist, gilt somit schon im Normalfall eine 48-Stunden-Woche. Diese kann dennoch gemäß §3 ArbZG auf täglich 10 (= 60 Stunden pro Woche) angehoben werden.

Teil II Leider ist es schon seit vielen Jahren so, dass es immer wieder Arbeitgeber gibt, denen die erbrachte Arbeitszeit (dennoch) nicht genügt. Um die erwarteten Mehrleistungen von den AD-Mitarbeitern abfordern zu können, ohne dabei unmittelbar gegen tarifliche oder gesetzliche Vorschriften zu verstoßen, haben sich etliche dieser Arbeitgeber sehr kreativ gezeigt: Am gebräuchlichsten sind folgende zwei Vorgehensweisen:

1. Er werden individuell oder kollektiv verbindliche Besuchs-

zahlen vorgegeben/festgelegt. Arbeitgeberseitig wird angeordnet, dass pro Arbeitstag eine bestimmte Anzahl von Ärzten, Apotheken, Baumärkten usw. aufzusuchen ist. Auf die Zeit, die dafür aufzuwenden ist, kommt es dabei nicht an bzw. das Thema wird gar nicht erst angesprochen.

Jürgen Hielscher

IG BCE Leiter der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht Diese Besuchszahl wird dann (nach Belieben des Arbeitgebers) in regelmäßigen Abständen (meistens in Jahressprüngen) angehoben und darüber hinaus natürlich sorgfältig kontrolliert. So wird es schnell und relativ einfach möglich, für jeden Mitarbeiter so etwas wie ein „Bewegungs- und Leistungsprofil“ zu erstellen, und dies führt dann rasch zu dem angestrebten Ziel, sich missliebige Mitarbeiter einbestellen zu können und dann in einem 4- oder 6-Augen-Gespräch auf schlechte Arbeitsleistungen hinzuweisen und darauf, dass künftig verbesserte Besuchs- (und Umsatz-) Zahlen erwartet würden. Ansonsten sei eine Kündigung unumgänglich … Die Frage, wie viel Arbeitszeit zur Erreichung des Ziels erforderlich ist, wird nicht gestellt und so passiert es innerhalb kurzer Zeit, dass ein Außendienstler in der Woche auf eine Arbeitszeit von 60, 70 oder mehr Stunden kommt. Viele von diesen Arbeitnehmern haben keine Kenntnisse vom Arbeitsrecht und von arbeitszeitlichen (Schutz-)Normen, sind nicht organisiert und haben sehr oft auch keinen Betriebsrat im Unternehmen, der hilfreich zur Seite stehen könnte … Und dann passiert, was immer wieder vorkommt: Man wird krank; man ist (körperlich/zeitlich) nicht mehr in der Lage, die vorgegebenen Besuchsfrequenzen zu erfüllen oder es unterlaufen Fehler, die sonst nie passiert wären. Folge: Man wird noch angreifbarer oder aber die angedrohte Kündigung wird nun tatsächlich realisiert.

2. Mit dem AD-Mitarbeiter werden konkrete Ziele Ziel­

(erreichungs)zahlen für das kommende Kalenderjahr schriftlich vereinbart. Diese orientieren sich oft an ominösen „Branchenzahlen“, an angeblichen Zahlenwerten aus „vergleichbaren Betrieben“ und sind schlichtweg „irgendwie“ geschätzt oder oft sogar aus der Luft gegriffen.

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Recht

Folge: Man wird regelmäßig (Monat für Monat o. Ä.) mit den tatsächlich erreichten Umsatzzahlen konfrontiert und steht sehr schnell vor dem Problem, dass die vereinbarten Planzahlen nicht erreicht werden konnten und von daher arbeitsrechtliche Sanktionen zu befürchten sind. Aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes sind in solch einer Situation natürlich viele „gern“ bereit, die Arbeitszeit noch um ein paar weitere Stunden zu erhöhen. Wenn dabei auch noch unberücksichtigt bleibt, dass das Arbeitszeitgesetz in §5 Abs. 1 vorschreibt, dass Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben müssen, kann dies im Zweifel dem Arbeitgeber nur Recht sein. Besonders bedrückend wird „Mehrarbeit im Übermaß“ immer dann, wenn gesundheitliche Probleme auftreten oder insbesondere wenn z. B. auf der Heimfahrt von einer Abendveranstaltung aus Übermüdung ein Unfall geschieht. Wenn es dann um Haftungsfragen und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers geht, sind es sehr oft die Vorgesetzten, die angeblich von der vielen Mehrarbeit nichts wussten und dabei jedoch ganz sicher sind, dass Mehrarbeit von ihnen niemals angeordnet worden ist (ein Schelm, der Böses dabei denkt …). Selbstverständlich können Zielvereinbarungen auch fair sein und für Arbeitgeber wie für AD-Angestellte eine „Win-winSituation“ zur Folge haben; vorausgesetzt, sie wurde als ausgewogene Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart: Die eine Seite hat einen pekuniären Leistungsanreiz durch das Erreichen von Zielen, die zwar anspruchsvoll sein können, aber realistisch und steuerbar sind. Der Arbeitgeber hat Zuwächse bei Absatz, Umsatz und Gewinn – und viele zufriedene Mitarbeiter. Eine wichtige Besonderheit aus dem Berufsleben der ADMitarbeiter soll nicht unerwähnt bleiben: Es ist leider nicht so, dass die vorstehend beschriebenen Belastungen und

Empfindungen von allen Außendienstlern einheitlich als belastend empfunden werden: Häufig ist es so, dass insbesondere Jüngere und Ledige kaum Probleme haben, ein extrem hohes Arbeitspensum zu absolvieren. Anders sieht es dann schon aus, wenn man Familie hat und/oder ein Alter von ca. 50 Jahren erreicht hat: Lebensschwerpunkte verschieben sich, man wird erfahrener/abgeklärter, stellt fest, dass die biologische Uhr (überraschend) doch anfängt zu ticken. Diese konträren Interessenlagen „unter einen Hut“ zu bringen ist sicherlich nicht einfach und für eine Einzelperson kaum leistbar. Die Erfahrung zeigt, dass es in aller Regel ohne Betriebsrat nicht geht, aber wenn viele schon nicht die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes kennen, wie sollen sie dann wissen, wie man zu einem Betriebsrat kommt und welche Rechte und Pflichten ein solches Gremium hat? Für solche Fälle steht natürlich die IG BCE mit Rat und Tat gerne zur Verfügung. Wie heißt es so schön in der Pharma-Werbung? Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren zustän­ digen Bezirk oder die Abteilung Zielgruppen in der Haupt­ verwaltung! Arbeitsplatz Außendienst Ratgeber zu arbeits-, sozial- und steuerrechtlichen Fragen Bestellung Ratgeber: IG BCE-Shop Artikel Nummer ist BWH-P13601 Preis für Mitglieder: 9,90 EUR inkl. MwSt. + Versand Preis für Nicht-Mitglieder: 14,90 EUR inkl. MwSt. + Versand

Parksünder haften mit! Nur mal eben angehalten und etwas ab- anzutreffen sind, entscheiden wir uns, gegeben … „nur kurz“ ordnungswidrig neben dem nächsten Grünstreifen zu halten. SelbstDer Kunde ruft an und benötigt ganz verständlich mit Warnblinkanlage. Bis dringend noch ein paar Proben oder dahin eine ganz normale Situation im Kleinmengen, welche wir noch auf La- Außendienst. ger haben. Trotz Terminstress fahren wir noch schnell beim Kunden vorbei und Doch dann geschieht es. Während wir für wollen die Ware selbst vorbeibringen. nur drei Minuten beim Kunden waren, Doch da kommt es, wie es kommen muss, hat der vorbeifahrende Autofahrer das es ist kein Parkplatz frei und das nächs- Kind nicht gesehen, dass hinter unserem te Parkhaus würde uns mindestens Fahrzeug die Straße überqueren wollte. 20 Minuten kosten. Da wir genau wissen, dass in dieser Gegend kaum nette Mitar- In diesem Fall würden die Gerichte wohl beiter des zuständigen Ordnungsamtes entscheiden, dass der Unfall ohne unser

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falsch geparktes Auto hätte vermieden werden können. Dies würde dann immer zu einer Mitschuld am Unfall führen. Eine gewisse Restschuld bleibt beim unfallverursachenden Fahrer, da dieser die Situation nicht richtig eingeschätzt hat und in unserem Fall aufgrund der schlechten Einsehbarkeit zu schnell gefahren ist um in Gefahrensituationen noch rechtzeitig zu bremsen. Das Amtsgericht Dortmund gab jüngst einem Falschparker eine Mitschuld von 70%, da dieser gegenüber einer Garage parkte. Hierdurch war die Garage nur


noch unter Mühen und mit Rangieren wertung ab, die für Arbeitnehmer weder erreichbar. Beim Rangieren beschädig- vor noch nach dem Schadensfall kalkute der Garageninhaber seinen Wagen lierbar sind. Das heißt, dass es unscharfe erheblich. Somit muss der Falschparker Grauzonen zwischen leichter und grober trotz „leicht schuldhaften“ Verhaltens Fahrlässigkeit sowie zwischen grober und offensichtlicher Fehleinschätzung Fahrlässigkeit und Vorsatz gibt. des Garageninhabers für 70% des Schadens haften. Zu den Umständen, denen je nach Lage Somit führen die Gerichte in ständiger des Einzelfalls ein unterschiedliches GeRechtsprechung aus, dass Parkverstöße wicht beizumessen ist, gehören neben eine „massive Missachtung der schlich- dem Verschuldensgrad z. B. auch: ten Grundregeln des Straßenverkehrs • die Gefährlichkeit der Arbeit (besteht darstellen“. auf dem Arbeitsplatz ein erhöhtes Schadensrisiko, z. B. Berufsverkehr), In Kombination mit der Rechtsprechung • die Höhe des Schadens, zur Arbeitnehmerhaftung ist daher Vor- • ob der Arbeitgeber das Risiko eines Scha­ sicht geboten. Sehr schnell kann dies dens einkalkulieren oder durch Versiche­ nicht nur unsere KfZ-Versicherung, sonrung abdecken kann, dern auch das Privatvermögen des Ar- • die Stellung des Arbeitnehmers im beitnehmers treffen. Dies hängt am Grad Betrieb, des Verschuldens des Arbeitnehmers in • die Höhe des Arbeitsentgelt im Verhält­ Abwägung mit den Gesamtumständen. nis zum Schaden, Bei leichter Fahrlässigkeit und Vorsatz ist • ob eine Risikoprämie im Gehalt enthal­ keine Abwägung nötig: Bei leichter Fahrten ist. lässigkeit hat der Arbeitgeber die Schäden voll zu tragen, bei Vorsatz muss der Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmer allein haften. Beschäftigten können Berücksichtigung bei dieser Abwägung finden, z. B.: Die Einzelabwägung spielt also nur für • Dauer der Betriebszugehörigkeit die Haftungsverteilung bei mittlerer und • Lebensalter grober Fahrlässigkeit eine entscheidende • Familienverhältnisse Rolle. Die Grenzlinien des Grades des Ver- • bisheriges Verhalten schuldens hängen letztlich von einer Be-

Die GUV/FAKULTA

leistungsstark für nur 21 eur im Jahr! • Schadenersatzbeihilfe bei arbeits- oder beam­ tenrechtlich begründeter Inanspruchnahme • Unterstützung bei wirtschaftlicher Notlage infolge eines Schadenfalles • Rechtsschutz in Strafverfahren • Rechtsschutz in Zivilverfahren zur Durchset­ zung eigener Schmerzensgeld- und Schaden­ ersatzansprüche • Unterstützung bei Krankenhausaufenthalt aufgrund eines Arbeitsunfalls

QR-Code Hier geht‘s direkt zu den Schadensbeispielen und zur Homepage der GUVFakulta. Scannen Sie einfach folgenden QR-Code:

• Unterstützung bei Eintritt von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit als Folge eines Arbeitsbzw. Dienstunfalls • Unterstützung der Familie bei Haft eines GUV/FAKULTA-Mitgliedes • Unterstützung der Hinterbliebenen nach Unfalltod des Mitglieds im Rahmen eines Arbeits-/bzw. Dienstunfalls

www.guv-fakulta.de/ ››leistungen_beispiele.php

So kann schon das Überfahren einer roten Ampel dazu führen, dass der Arbeitnehmer den Schaden trotz KfZ-Versicherung komplett tragen muss. So entschied das Bundesarbeitsgericht 1999 in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer eine rote Ampel überfuhr, da er gerade über das Handy mit dem Arbeitgeber telefonierte (war noch nicht verboten), dass der Arbeitnehmer den Schaden von 6.750 DM komplett zu tragen habe. In seiner Entscheidung führte das Gericht auch aus, dass der Arbeitnehmer den Schaden in einer angemessenen Zeit abzahlen könne, da dieser das Monatseinkommen von 5.370 DM nur um ungefähr 20% übersteigen würde. Überträgt man diese Rahmenbedingungen auf unser Beispiel des leichtfertigen Abstellens unseres Fahrzeuges am Straßenrand, ist davon auszugehen, dass KfZVersicherung und Arbeitgeber ebenfalls gute Chancen hätten Haftungsansprüche gegen uns durchzusetzen. Daneben ist auch das Thema der Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, der Sorgfaltspflicht im Umgang mit dem Arbeitsmittel Dienstwagen, nicht zu unterschätzen. Insgesamt wissen wir aber alle, dass unsere Arbeitgeber immer wieder beteuern, solche Ansprüche nicht gegen uns geltend zu machen. Aber wir wissen auch, wie schnell der eine oder andere Kollege auf der Abschussliste steht und man dann nach jedem Strohhalm greift, um den mit dem unschönen Wort „lowperformer“ beschriebenen Kollegen aus dem guten Team der „top-performer“ zu bekommen. Daher besser zehn Minuten mehr Zeit nehmen und mit reinem Gewissen und sicherem Job unterwegs sein. Und sollte es tatsächlich einmal zu einem Fall der Arbeitnehmerhaftung kommen, wäre es gut, als IG BCE-Mitglied für nur 21 Euro im Jahr Mitglied der GUVFakulta zu werden. Dieser gewerkschaftliche Unterstützungsverein (GUV) wurde ursprünglich genau für diese Fälle der Arbeitnehmerhaftung bei Dienstfahrten gegründet und hat sein Leistungsspektrum jetzt auch auf andere Tätigkeiten erweitert. Hier können wir als Redaktion nur anregen, sich zu informieren.

Oliver Hecker

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Berufsportrait

Lothar Bunjes und Wolfgang Schlage Von Renate Giesler

„Druck hat im Außendienst jeder“

Wolfgang Schlage • 62 Jahre alt • Stammt aus Essen • Seit elf Jahren dabei • Fährt Mercedes

Lothar Bunjes

Lothar Bunjes schwört auf den Rückhalt im Team.

ter einen ihrer ältesten Geschäftsbereiche ausgegliedert: Die traditionsreiche Pharma-Sparte Closure Technologies ist mittlerweile der Aesculap AG zugeordnet, einem Unternehmen aus der Metallindustrie.

schen“ Stressfaktoren wie lange Fahrten, Staus und zahllose auswärtige Übernachtungen verspürt der Hannoveraner nicht. Ohnehin wäre dies für ihn nie ein Problem gewesen, betont Bunjes. Stets war es das Ziel des gelernten Industriekaufmanns, eine Aufgabe im Außendienst zu übernehmen. Konsequenterweise schloss er deshalb eine Ausbildung zum Pharmareferenten bei B. Braun an.

Am Aufgabengebiet der Außendienstmitarbeiter änderte sich dadurch nichts. • 53 Jahre alt Sie versorgen weiterhin Kliniken mit Nahtmaterial für Operationen, chirur• Stammt aus Rastede gischen Netzen, blutstillenden Hämo­ Trotz des vergleichsweise komfortab• Seit 23 Jahren dabei styptika und anderem Medizinbedarf. So len „Gebietszuschnitts“ meinen Bunjes • Fährt BMW besucht Wolfgang Schlage in regelmä- und Schlage unisono: „Druck hat im ßigem Turnus die chirurgischen Abtei- Außendienst jeder“. Nur wer die Kunst lungen in rund 30 Krankenhäusern. Der von Selbstorganisation und Selbstmotigelernte Kaufmann ist seit elf Jahren „an vation beherrscht, kommt damit klar. Für Bord“. Als früherer OP-Manager kennt er die beiden Routiniers auch deshalb kein 1867 wird die Firma B. Braun in Mel- die Abläufe in den Kliniken natürlich aus Problem, weil „die jährlichen Zielvorgasungen bei Kassel ins Handelsregister dem Effeff. Von seinem Wohnort Heide ben fair sind“. Bunjes meint: „An diesem eingetragen. Sie beschäftigt sich mit (Holstein) erstreckt sich sein Revier über Punkt macht es sich bemerkbar, dass B. der Produktion pharmazeutischer Er- Schleswig-Holstein über das nördliche Braun Melsungen ein altes Familienunzeugnisse. Im gleichen Jahr beginnt im Hamburg bis nach Cuxhaven. Das bedeu- ternehmen ist.“ Das sei bei den wichtigs450 Kilometer weiter südlich gelegenen tet unterm Strich rund 60.000 Kilometer ten Mitbewerbern Ethicon oder Covidien durchaus anders. So freuen sich die „EinTuttlingen Gottfried Jetter mit der Her- im Jahr. zelkämpfer“ Schlage und Bunjes über stellung chirurgischer Instrumente. Damit legt er den Grundstein für die Grün- Noch überschaubarer gestaltet sich der ein „tolles Betriebsklima“. Das klingt wie dung der heutigen Aesculap AG. Seit Aktionsradius von Schlages Kollegen Lo- ein Widerspruch in sich, denn eigentmehr als zehn Jahren sind die Schwaben thar Bunjes. Er ist in seinem Bereich im lich sieht man die Kollegen nur einmal nunmehr eine fast hundertprozentige Viereck Hannover – Celle – Wolfsburg – im Jahr bei einer gemeinsamen Tagung. Tochter des hessischen Mutterkonzerns. Braunschweig jährlich etwa 25.000 Kilo- Doch die beiden „alten Hasen“ schwören In diesem Zusammenhang hat die B. meter unterwegs – das schafft ein „nor- drauf: Ohne Rückhalt im Team wird jeder Braun Melsungen AG einige Jahre spä- maler“ Berufspendler auch. Die „klassi- Job beschwerlich.

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AussenSpiegel


Kontakte & Infos

TERMINE für den Außendienst Termin

Thema

15.03.2012 17.30 Uhr

Betrieblicher Datenschutz in Zeiten der Arbeitnehmerüberwachung (Navigationsüberwachung, Mobilfunkortung u. a.) Referent: Ralf Heidemann, Rechtsanwalt

21.06.2012 17.30 Uhr

Compliance und Whistleblowing im Lichte des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer Referent: Ralf Heidemann, Rechtsanwalt

20.09.2012 17.30 Uhr

Aktuelle Rechtsprechung für BR im Außendienst und Außendienstler

17.11.2012 09.00 Uhr

Konfliktlösung durch Meditation und ihre Einsatzmöglichkeiten – zwischen BR und Geschäftsführung sowie innerhalb des Gremiums einerseits und zwischen Arbeitnehmer und Führungskraft andererseits

Referent: Ralf Heidemann, Rechtsanwalt

Referenten: Petra Kastenholz (Mediatorin und Coach), Ralf Heidemann, Rechtsanwalt

Tipps, Anregungen, Beiträge für den AussenSpiegel an: IG BCE-Hauptverwaltung Abt. Zielgruppen Kristin Marr Telefon 0511 7631-328/-385 E-Mail aussenspiegel@igbce.de

Impressum

Herausgeber: Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Abteilung Zielgrupppen Redaktion: Oliver Hecker, Petra Adolph, hannover.contex GbR, Eva-Marie Fischer, Michael Görms, Karlheinz Hofmann Layout: Falk Frede Druck und Versand: BWH GmbH; Fotos: istockphoto (Titel, S. 4), Fotolia (S. 8) Anschrift der Redaktion: IG BCE, Abteilung Zielgruppen, Redaktion AussenSpiegel, Kristin Marr, Königsworther Platz 6, 30167 Hannover, E-Mail: aussenspiegel@igbce.de Erscheinungsweise: Der AussenSpiegel erscheint zweimal pro Jahr. Schutzgebühr 3,50 EUR. Für Mitglieder ist die Gebühr im Mitgliedsbeitrag enthalten.

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Arbeitsrecht

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse

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sierte

2.aktuali

Auflage Der Anteil der Beschäftigten in Leiharbeit oder in befristeten Beschäftigungsverhältnissen steigt kontinuierlich an. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass der Einsatz dieser Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen – zumindest teilweise – auch reguläre Beschäftigung ersetzt. Neben den möglichen Risiken, die atypische Beschäftigungsverhältnisse für die Stammbelegschaften bedeuten, wird auch die Interessenvertretung für diese Beschäftigtengruppen zunehmend wichtiger. Die Kolleginnen und Kollegen benötigen die besondere Aufmerksamkeit und den Schutz von Betriebsräten und Gewerkschaft. Sie wollen aktives Handeln für ihre Interessen sowie Teilhabe und Beteiligung. Die Broschüre gibt Auskunft über die aktuellen Entwicklungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, informiert über Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit und befristete Arbeitsverhältnisse und zeigt die Handlungsmöglichkeiten von Betriebsrätinnen und Betriebsräten auf.

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