2011-37 Mitteilungsblatt - Gemeinde Oftersheim

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Nummer 37 Freitag, 16. September 2011

Meine Damen und Herren, Sie sehen hier das Logo des Internationalen Jahrs der Wälder; möglicherweise haben Sie es schon auf diversen Plakaten oder Anzeigen gesehen. Anhand der einzelnen Elemente dieses Baumsymbols möchte ich gerne auf die verschiedenen Facetten, Funktionen und Bedeutungen der Wälder eingehen. Der Baum als Gesamtlogo steht für die Wälder dieser Erde in ihren weltweit sehr unterschiedlichen und vielfältigen Formen: von den Nadelwäldern der kühlen Klimazonen über die Laubwälder in den gemäßigten Breiten und die trockenen Baumsavannen der Subtropen bis hin zum dichten Dschungel der tropischen Regenwälder. Gleichzeitig steht das Logo für die Erdkugel und die Schöpfung an sich. Ich sehe da einen schönen Bezug zur nordischen Mythologie, in der die Esche Yggdrasil als Weltenbaum den gesamten Kosmos verkörpert. Für mich ist es eine schöne Vorstellung, wenn ein Baum Sinnbild für die Schöpfung als Ganzes ist. Der Baumstamm hat sozusagen die tragende Funktion im Logo. Er zeigt, dass Bäume das prägende Element der Wälder und der zentralen Waldfunktionen sind. Die Baumkrone versinnbildlicht die Vielzahl an waldtypischen Nutz-, Schutz- und Sozialfunktionen, einschließlich der kulturellen und spirituellen Bedeutung, die Bäume und Wälder in den verschiedenen Teilen der Erde haben. Die Baumkrone steht auch dafür, dass der Wald weitaus mehr ist als die Summe seiner Bäume. Viele der Nutz-, Schutz- und Sozialfunktionen, auf die ich anhand der einzelnen Elemente in der Baumkrone eingehen werde, entstehen erst aus der vielfältigen Wechselwirkung zwischen Waldbäumen, Waldboden, waldtypischer Tier- und Pflanzenwelt, Luft und Wasser. Im Mittelpunkt der Baumkrone ist der Mensch abgebildet. Der Mensch sieht sich als Mittelpunkt der Schöpfung; er ist jedoch auch untrennbar ein Teil von ihr. Der Mensch nutzt einerseits die Wälder, andererseits hat er aber auch die Verpflichtung, sie zu erhalten. Den Mensch in den Mittelpunkt zu stellen, zeigt auch die Vielfalt der gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen an den Wald und die damit verbundenen Spannungsfelder auf. Was bedeutet der Wald vor Ihrer Haustür für Sie? Für die meisten wird es in erster Linie die Funktion des Waldes als Naherholungsgebiet sein, sei es zum Spazierengehen, Ausführen des Hundes, zum Joggen oder Walken, dem Besuch der Wildgehege bei der Hardtwaldsiedlung mit den Kindern oder Enkeln ... Die Schwetzinger Hardt ist ein beliebtes Naherholungsgebiet in der Metropolregion Rhein-Neckar. Täglich nutzen tausende von Menschen die gut ausgebauten Waldwege, die Reitwege, Sportpfade, Sitzbänke und sonstigen Erholungseinrichtungen im oder am Wald. Die Erholungsfunktion des Hardtwaldes und die Infrastruktur der Erholungseinrichtungen zu pflegen und zu unterhalten, ist eine wichtige Aufgabe des Kreisforstamtes. Den Menschen und seine Beziehung zum Wald in den Mittelpunkt stellen, das wollen wir – neben dem eben genannten Schwerpunkt der Erholungsfunktion – auch mit unserer pädagogischen Arbeit im Waldhaus Mannheim und im Waldklassenzimmer in Walldorf, durch die Unterstützung von Waldkindergärten oder durch Führungen mit Schulklassen. Wir wollen mit dieser waldpädagogischen Arbeit vor allem den Kindern und Jugendlichen, die immer weniger Beziehung zur Natur haben, den Lebensraum Wald nahebringen. Jährlich nehmen etwa 5.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene an den über 250 Veranstaltungen des Waldhauses Mannheim und des Waldklassenzimmers Walldorf teil. Der Mensch im Mittelpunkt des Baumsymbols – dies hat auch das Motto „Waldkulturerbe“ aufgegriffen. Das Wort Kultur - das lateinische cultura - heißt eigentlich nichts anderes als Ackerbau. Der Begriff hat sich im Laufe der Zeit so erweitert, dass wir heute unter Kultur viel mehr verstehen: Kultur ist alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt. Unser Wald ist kein „Urwald“, ist keine reine „Natur“ im Sinne des Wortursprungs, nämlich angeboren und daher vom Menschen unbeeinflusst. Der Mensch hat unsere Wälder genutzt und gestaltet, seit es gibt. Unser Wald ist Teil unserer Kultur und Kulturlandschaft. Selbstverständlich ist der Wald – jedenfalls dort wo er nicht plantagenartige Monokultur aus nicht standortheimischen Baumarten ist – die Landschaftsart und das Ökosystem, das der unbeeinflussten Naturlandschaft am nächsten kommt. Mitteleuropa wäre ohne den Einfluss des Menschen

nahezu vollständig bewaldet und die Buche wäre die prägende Baumart. Unser Ziel ist es, mit einem naturnahen Waldbau die Nutzung des Waldes mit den Erfordernissen des Natur- und Artenschutzes so weit es geht in Einklang zu bringen – also Kultur und Natur im Wald zu versöhnen. Nun möchte ich auf die Symbole des Logos eingehen, die die Baumkrone bilden. Ich beginne mit dem Fruchtsymbol des Apfels. In Deutschland haben viele Menschen bereits vergessen, dass aus den Wäldern viele Obst-, Beeren- und Nusssorten stammen. Sie wurden im Obstbau durch Auslese und Züchtung weiterentwickelt und werden heute in Streuobstwiesen, Gärten und Plantagen angebaut. Nur wenige Früchte – beispielsweise Kastanien, Waldbeeren oder Pilze – werden noch im Wald gesammelt. Aber Wildapfel, Wildbirne und Vogelkirsche, die Urformen unserer Obstbäume, sind auch heute noch Teile unserer Waldökosysteme. In vielen anderen Regionen dieser Welt sind die Wildfrüchte des Waldes und speziell eine Vielzahl von Baumfrüchten noch immer eine wichtige Quelle für Ernährung und Einkommen der lokalen Bevölkerung. Sie sind gleichzeitig auch fester Bestandteil regionaler und städtischer Märkte. Waldfrüchte aus anderen Ländern tragen ganz wesentlich zu unserer hohen Lebensqualität in Deutschland bei: Kaffee, Kakao, Kokos, Orangen, Bananen, Mangos, Oliven, verschiedene Nüsse bereichern unseren Speiseplan. Sie werden heute aber überwiegend in Plantagen angebaut und stammen nur noch selten aus Sammelwirtschaft in naturnahen Wäldern. In der Vergangenheit waren die Früchte eines Waldbaumes auch bei uns von existenzieller Bedeutung für die Bevölkerung, nämlich die Eicheln. Noch im 18. Jahrhundert war die Schweinemast im Wald für die Bauern überlebenswichtig. Die Schwetzinger Hardt war in dieser Zeit noch kein Kiefernwald, sondern ein lichter Eichen-Weide-Wald. Die Übernützung und teilweise Zerstörung unserer Wälder durch Waldweide und den zunehmenden Holzbedarf der wachsenden Bevölkerung im 18. Jahrhundert war der Beginn der geregelten Forstwirtschaft nach dem Gebot der Nachhaltigkeit. Das Thema Waldweide leitet gleich über zu dem Symbol der Ente ganz links in der Baumkrone. Das Symbol der Ente, das man wohl nicht in einem Logo zum Jahr der Wälder erwartet hätte, steht für die Domestizierung unserer heutigen Haus- und Nutztierarten: Viele dieser Arten stammen von ursprünglich im Wald lebenden Wildtierarten, zum Beispiel Schweine, Rinder, Hühner bis hin zu Insekten wie Bienen und Seidenspinner. Oben links in der Baumkrone finden wir das Symbol des Hirsches. Es steht für die Wildtiere und die Jagd. Schon seit der Altsteinzeit wurde von den Menschen in Wäldern gejagt. Die Jagd diente hauptsächlich der Nahrungsgewinnung und zur Versorgung der Menschen mit Eiweiß. Sie lieferte daneben aber auch wertvolle tierische Produkte wie Knochen, Felle und Sehnen als Werkstoffe für zahlreiche Bereiche des Lebens. Die Schwetzinger Hardt war bekanntlich ein Jagdgebiet der pfälzischen Kurfürsten. Die Sternallee bei Schwetzingen war eine speziell für gesellschaftliche Parforcejagden geschaffene Jagdeinrichtung im Hardtwald. Die höfische Jagd diente aber vor allem der Versorgung des Hofstaates und der Belustigung des Adels, für die die bäuerliche Bevölkerung Frondienste leisten musste. Heute ist Jagd bei uns zum Instrument der Hege, des Waldschutzes und der naturnahen Freizeitbeschäftigung geworden. In vielen Entwicklungsländern ist Wildfleisch aber noch immer eine wichtige Nahrungsquelle für die ländliche Bevölkerung. Aber auch bei uns sollte Wildfleisch, das als besonders hochwertiges Bio-Lebensmittel völlig frei von Schadstoffen aus industriell erzeugten Futtermitteln ist, wieder eine größere Wertschätzung erhalten. Links neben dem Menschensymbol sehen wir das Symbol einer Medizinflasche. Dieses Symbol steht für die heilende Wirkung des Waldes und seiner Tiere und Pflanzen. In den Wäldern der Erde wachsen unzählige Arzneipflanzen. Viele Waldbäume enthalten in der Rinde oder den Blättern medizinisch wertvolle Wirkstoffe wie ätherische Öle oder entzündungshemmende Stoffe. Salizylsäüre, der Wirkstoff eines der bekanntesten Arzneimittel, nämlich Aspirin, wurde ursprünglich aus der Rinde von Weiden gewonnen, deren botanischer Name Salix lautet. - Lesen Sie bitte weiter auf Seite 8 -


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