100 Jahre Steinerweg in der Dachstein-Südwand Aus: Radio-Radiis, Führer durch das Dachsteingebirge, Artaria, Wien 1932; sonstige Bilder Archiv BG des ÖTK
Gerhard Schirmer, BG des ÖTK
Der Steinerweg in der Dachstein-Südwand zählt gewiß zu den schönsten Klettertouren in den gesamten Alpen. Auf ihm bewegt man sich fast durchwegs in festem, griffigem Fels, und das bei größter Ausgesetztheit. Am 22. September 2009 jährt sich das Datum seiner Erstbegehung zum hundertsten Mal. Bis heute erfreut sich diese Route bei den Bergsteigern einer derart großen Beliebtheit, daß an schönen Sommertagen mehrere Seilschaften – vor allem dort, wo sich die größeren Schwierigkeiten befinden – einen richtigen Stau verursachen können. Die in der Ramsau lebenden Menschen blickten stets bewundernd, aber auch respektvoll, gepaart mit einer gesunden Portion Neugierde, zu den Südwänden der Dachstein-Gruppe auf. Ursprünglich hatten sie ein hartes Dasein, das sie als Bergbauern, Hirten, aber auch als Wilderer fristeten. Mit den ersten Fremden, die sich in diesen einst abgeschiedenen Teil unseres Landes verirrten, entwickelten sich diese Menschen allmählich zu Bergführern, um sich auf diese Weise eine weitere Verdienstmöglichkeit zu schaffen. 1834 erstiegen P. K.Thurwieser sowie P. und A. Gappmayer von Gosau aus erstmals den höchsten Gipfel im Dachsteingebiet. Mit einigem Neid blickten die Ramsauer in der Folge nach Gosau hinüber, von wo aus sich nun die Touristen auf den Dachstein führen ließen. Erst als 1875 Johann Schrempf, vulgo „Auhäusler“, den Aufstieg über die Hunerscharte entdeckte, konnte man auch direkt aus der Ramsau auf den Dachstein gelangen. Südwandrouten 1932 G: Goedelweg H: Verbindung vom Steiner- zum Goedelweg
Blick aus dem Steinerkamin zum Perhabblock
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D: Dachl SaB: Salzburger Band StB: Steiner-Band SK: Steinerkamin
Q: Quelle MK: Münchner Kamin P: Perhabblock
Zwei herbe Enttäuschungen mußten die Ramsauer in den folgenden Jahrzehnten aber noch hinnehmen.Ausgerechnet die Wiener Bergsteiger Robert Hans Schmitt und Fritz Drasch bezwangen 1889 die Mitterspitz-Südwand, und am 27. Juli 1901 waren es abermals Bergsteiger aus Wien, Eduard Pichl, Eduard Gams und Franz Zimmer, die gar in der eigentlichen DachsteinSüdwand einen Durchstieg fanden, der indes „nur“ durch den östlichen Wandteil führt, der aber dennoch als ein Meilenstein in der alpinen Geschichte gilt. „Genug ist genug“, meinte man aber jetzt in der Ramsau, und immer wieder versuchten sich die einheimischen Bergführer vor allem an der rund 800 Meter hohen Wand des eigentlichen Dachsteins. Da waren vor allem die Brüder Franz (geb. am 29. 9. 1884 in Ramsau, gest. am 29. 3. 1965 in Pichl-Preunegg) und Georg Steiner (geb. am 25. 2. 1888 in Ramsau, gest. am 20. 10. 1972 in Gosau), deren Vater bereits als Bergführer tätig war und der als einer der Erstersteiger der Großen Bischofsmütze einen großen Bekanntheitsgrad besaß. Die beiden Brüder hatten sich vorgenommen, die Dachstein-Südwand in der Gipfelfallinie zu erklettern. Zu diesem Zwecke erkundeten sie die Wand zunächst einmal von oben. Sie stiegen durch die Gipfelschlucht bis zum „Band an der Quelle“ hinunter und bewiesen so deren Gangbarkeit. Ein wenig später kletterte dann Georg, den man „Irg“ nannte, im Alleingang über das „Dachl“ und den daran anschließenden Pfeiler hinauf, bis es gerade nicht mehr weiterging. Da war aber ein Band, das der Irg bis in eine Nische verfolgte, mit der es jäh endete. Einige Meter weiter konnte der junge Bergführer die Fortsetzung des Bandes als schmale Leiste erkennen. Weil er aber zwar mutig, jedoch keineswegs leichtsinnig war, trat er den Rückzug an. ÖTZ August/September 2009