O RGANISATION DER P IRATEN
viele lästige Verwaltungsaufgaben übernimmt,
mag nicht sonderlich effizient, oftmals gar un-
hat beste Chancen, gewählt zu werden.
professionell sein, dafür ist sie allerdings in
Die den Vorständen zugewiesene Rolle spiegelt den zentralen Stellenwert des Prinzips
jedem Falle originell und vielfach auch effektiv (Henzler 2012b; Winkler 2012: 513).
der Selbstorganisation bei den Piraten. Dieses
Allerdings ist die Form der Schwarmorgani-
resultiert vor allem aus den privaten und beruf-
sation nicht vor gravierenden Fehlentscheidun-
lichen Erfahrungswerten vieler Mitglieder im
gen gefeit. In der als Referenz für die Arbeit der
Bereich der Softwareentwicklung und der In-
Piratenpartei gut geeigneten Online-Enzyklo-
ternetkultur. Dort ist es möglich, auch ohne
pädie Wikipedia sind selbst Beiträge, die eine
eine formale Hierarchie Prozesse und Gruppen
große Nutzerzahl erreichen, fehleranfällig
zu organisieren und zu koordinieren. Dieses
oder vor Manipulationsversuchen nicht sicher
Ideal, das in seiner organisationstheoretischen
(Stegbauer 2009: 174). Im Schwarm selbst ent-
Anwendbarkeit keineswegs unumstritten ist
steht zudem oftmals eine Hierarchie, die sich
(Lanier 2010; Stegbauer 2009: 173 ff.), steht
nicht unbedingt von Autorität, Anerkennung
Pate für die Arbeitsweise der Piraten.
und Qualifikation ableitet, sondern von der blo-
Zentral ist dafür die Annahme, dass durch
ßen Masse der selbst geleisteten Beiträge.
Schwarmintelligenz ein höheres Maß an Wis-
Hinzu kommt, dass der Schwarm in der Regel
sen und Kreativität aktiviert werden kann als
nichts genuin Neues produziert, sondern nur
durch einen umgrenzten Kreis von Experten.
bereits vorhandenes Wissen neu kompiliert
Delegation setzt bei den Piraten überall dort
(Lanier 2010: 162). Dementsprechend sind die
ein, wo Aufgaben von Vorständen personell
Piraten zwar in der Lage zu reagieren, selten
nicht mehr erfüllt werden können oder wo die
aber zu agieren.
Vorstände die Gefahr sehen, dass sie ihre Kom-
Die Organisationsstruktur der Piratenpar-
petenz zur politischen Arbeit überschreiten. In
tei funktioniert somit dann besonders gut,
diesem Fall werden einzelne Piraten oder Grup-
wenn es ein klares Ziel gibt. Praktisch braucht
pen mit der Erledigung von Aufgaben beauf-
es oftmals Anstöße von außen, um das System
tragt oder nehmen sich dieser eigenmächtig an,
in produktive Wallung zu bringen. Ein anste-
wobei sich die zuständigen Piraten ihrerseits
hender Wahltermin ist ein solcher Impuls.
durch kooperative, vorwiegend netzgestützte
Ansonsten ist die bei den Piraten verbreitete
Arbeitsprozesse selbst koordinieren. Die ein-
Schwarmorganisation zu einer politisch not-
deutige Stärke dieser Struktur zeigt sich in
wendigen, strategisch geplanten Agendaset-
hochverdichteten Wahlkampfphasen (Bieber
zung kaum in der Lage. Dafür bedürfte es wohl
2012a: 30; F. Neumann 2011: 50), wenn die Par-
eines strategischen Zentrums; doch den eigent-
teimitglieder an verschiedenen Stellen unko-
lich dafür prädestinierten Vorständen wird kei-
ordiniert und parallel an Themen und Aktionen
ne inhaltliche und strategische Führung zuge-
arbeiten. Eine solche Form der Organisation
billigt. Obendrein fehlt der Partei ein profes-
Schwarmintelligenz
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