Deutschlands Blogger – Die unterschätzten Journalisten

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Deutschlands Blogger

zeichnen 83,2 Prozent „voll und ganz“ sowie

Relevanz. So sind bezahlte Beiträge bei Politik­

8,4 Prozent „eher“ Kooperationen mit Unter­

blogs eine absolute Ausnahme – weshalb auch

nehmen als Anzeige, Werbeanzeige oder Ähn­

die Kennzeichnungsfrage für sie weitgehend ir­

liches, während bei den Journalisten 75 Pro­

relevant ist: „Ich habe [...] das Angebot bekom­

zent „voll und ganz“ sowie 16,7 Prozent „eher“

men, dass ich mit einem Text auch mal gleich

bezahlte Beiträge als Werbung auszeichnen

100 Euro verdienen könnte, aber dann müsste

(siehe Abb. 23). Durchschnittlich ist die Zustim­

ich halt einen Text zu einer Waschmaschine

mung bei Bloggern sogar noch etwas höher als

schreiben. Ja, das ist einfach nicht vermittel­

bei Journalisten (Mittelwerte: 1,31 vs. 1,36). So

bar“ (B19). Ähnlich wie bei Journalisten zeigt

„Unser ganzes Leben

positiv die Zahlen erscheinen, können sie aber

sich bei Bloggern ein Third-Person-Effekt: Eini­

ist unterwandert

auch anders gelesen werden: Immerhin jeder

ge Blogger erwähnen ungefragt, dass andere

von Werbung“

vierte Journalist kennzeichnet bezahlte Inhalte

Blogger ihrer Meinung nach nicht kennzeich­

nicht immer vollständig. Wichtig ist hier der

nen (ähnlich für Journalismus: Feldshow 2003).

Hinweis, dass sich diese Werte ausschließlich

Da das Kennzeichnungsniveau bei Bloggern

auf journalistische Blogger beziehen. Es ist zu

und Journalisten insgesamt sehr hoch ist, über­

vermuten, dass Influencer auf anderen Platt­

rascht es nicht, dass es kaum Variablen gibt, die

formen wie YouTube oder Instagram bezahlte

die Kennzeichnung statistisch signifikant beein­

Inhalte seltener kennzeichnen.

flussen. So kennzeichnen Blogger, die mehr Zeit

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In den Experteninterviews gab es sogar le­

mit Marketing- und PR-Aktivitäten verbringen,

diglich eine Bloggerin, die nicht kennzeichne­

in vergleichbarer Weise wie andere Blogger. Ein

te. Diese Modebloggerin kann als überzeugte

relevanter Unterschied zeigt sich lediglich bei

‚Schleichwerberin‘ bezeichnet werden: „Wir

der Frage, ob Journalisten, die zusätzlich zu ih­

kennzeichnen nicht und ich halte es auch nicht

rer journalistischen Arbeit auch in der PR arbei­

für wichtig, dass man kennzeichnet. Unser gan­

ten, seltener kennzeichnen. Sie kennzeichnen

zes Leben, unsere ganze Welt, nicht nur auf

seltener (MW = 1,55) als Journalisten, die nicht

Instagram oder Blogs, ist unterwandert von

zusätzlich in der PR arbeiten (MW = 1,31).

Werbung. Das ist einfach der Alltag in einer

Insgesamt überrascht es, dass Blogger und

Konsumgesellschaft. Ich weiß auch nicht, wen

Journalisten nach eigener Einschätzung auf

man davor beschützen muss oder beschützen

vergleichbar hohem Niveau bezahlte Beiträge

sollte. Und es setzt sich auch nicht durch, zu­

kennzeichnen. Hier ist sicherlich das Problem

mindest nicht in der Blogosphäre“ (B9).

zu berücksichtigen, dass das Antwortverhalten

Hinsichtlich der Kennzeichnung gibt es

sich auch nach der sozialen Erwünschtheit rich­

keine signifikanten Unterschiede zwischen

tet, und folglich zu vermuten, dass das tatsäch-

Bloggern und Journalisten einzelner Ressorts.

liche Kennzeichnungsverhalten geringer ist.

Allerdings haben Advertorials für unterschied­

Aber diese soziale Erwünschtheit beeinflusst

liche Themenfelder eine ganz unterschiedliche

Journalisten und Blogger in vergleichbarer Wei­


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