Das Unwort erklärt die Untat

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Fazit und Anregungen

stimmte Quellen nicht zu zitieren, weil ihnen

stellt (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006:

wenig Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird.

132 ff.). Diese ‚Selbstreferenz‘ zeigt sich ins-

Diese Hierarchie der Glaubwürdigkeit ist in der

besondere in der wechselseitigen Orientierung

Berichterstattung deutlich ersichtlich. Nur bei

bei der Themenwahl, die bis zur Übernahme

einigen Regionalzeitungen wird sie zugunsten

von Themen und Informationen reicht (vgl. Jar-

Glaubwürdigkeits­

eines breiten Bildes der Lebenssituation und

ren/Vogel 2011; Jarren/Donges 2006). Auch

hierarchien

des Umfelds der Opfer aufgebrochen.

wenn sich die journalistische Mediennutzung stark ausdifferenziert und eine Vielzahl von

Journalistisches Rollenselbstverständnis

Medien genutzt wird, orientieren sich Zeitun-

und Unabhängigkeit

gen an einem klassischen Kanon sogenannter

Zum journalistischen Selbstverständnis gehört

Leitmedien (zum „Inter-Media-Agenda-Set-

die Vorstellung der Medien als ‚Vierte Gewalt‘,

ting“ vgl. Jarren/Donges 2006: 180 ff.). Auch in

die in kritischer Haltung staatlichen, wirtschaft-

der Berichterstattung über die Mordserie lässt

lichen und politischen Akteuren begegnet (vgl.

sich 2009 ein „Inter-Media-Agenda-Setting“

„Inter-Media-Agenda-

Hanitzsch 2007; Weischenberg/Scholl/Malik

beobachten: Nachdem im Spiegel die ‚Wett-

Setting“

2006). Diese Haltung gilt als Ausdruck journa-

mafia-These‘ publiziert wurde, folgten viele

listischer Unabhängigkeit, die als notwendige

Medien dem in der Berichterstattung. Anderer-

Voraussetzung betrachtet wird, damit der Jour-

seits kann nicht generell von „Folgemedien“

nalismus seine öffentliche Aufgabe erfüllen und

gesprochen werden. Wie unsere Studie eben-

Öffentlichkeit auf eine Weise herstellen kann,

falls zeigt, entscheiden Journalist*innen sich

die gesellschaftliche Verständigung ermöglicht.

in bestimmten Fällen auch gegen die in Mei-

Während die Berichterstattung über gesell-

nungsführermedien formulierten Thesen. Die

schaftlich bedeutende Machtinstitutionen im

Ursachen sind vielfältig: Glaubwürdigkeit ist

Journalismus und in der Journalismusforschung

ein ebenso wichtiges Kriterium wie der Konkur-

kritisch reflektiert wird, ist die Kriminalitäts-

renzdruck. Diese Medien sind leicht und güns-

berichterstattung aus dieser Perspektive bis-

tig verfügbar, die Informationsgewinnung aus

lang nicht betrachtet worden. Angesichts des

Leitmedien wird aber auch aufgrund des Ak-

schwerwiegenden Versagens der Nachrichten-

tualitäts- und Zeitdrucks zunehmend relevant.

dienste und der staatlichen Ermittlungsbehör-

Diese Koorientierung ist, wie unsere Analyse

den besteht hier Diskussionsbedarf.

gezeigt hat, jedoch folgenreich: Es kommt zu einer Verstärkung einseitiger Sichtweisen. An-

Koorientierung und Selbstreferenz

gesichts der bereits strukturellen Abhängigkeit

Dieses Vertrauen lässt sich auch in der Orien-

des Journalismus von Nachrichtenagenturen,

tierung an Leitmedien beobachten. Seit Jahren

die sich in der Übernahme zahlreicher Meldun-

wird im Journalismus eine starke wechselseiti-

gen zeigte, führt dies zu einer noch stärkeren

ge Beobachtung innerhalb der Medien festge-

Vereinheitlichung. Die Untersuchung der tür-

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