Von Basel in die Welt. Die Entwicklung von Geigy, Ciba und Sandoz zu Novartis

Page 30

03 Frühei Hormonpräparatei voniCIBAi Erst vom Tier, dann aus dem Labor i

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermuteten verschiedene Physiologen, Biologen und Mediziner, dass in den Keimdrüsen, das heisst in den Eierstöcken und Hoden, eine chemische Substanz gebildet wird, die sich über das Blut im ganzen Körper verteilt. Drei Jahrzehnte später bezeichnete man diese Substanzen als Sexual- oder Geschlechtshormone. Mitte der 1930er-Jahre waren die fünf wichtigsten Geschlechtshormone isoliert, synthetisiert und mit den heute gebräuchlichen Namen versehen: Östron, Östradiol, Progesteron, Androsteron und Testosteron.

Bei der Erforschung der Sexualhormone spielte die pharmazeutische

Industrie eine führende Rolle. In der Schweiz widmete sich vor allem CIBA seit 1914 intensiv und kontinuierlich der Erforschung von Sexualhormonen. Das Unternehmen brachte in der Zwischenkriegszeit sieben verschiedene Hormonpräparate als patentrechtlich geschützte Arzneimittel-Innovationen auf den Markt. 1918 lancierte CIBA ihre ersten beiden Extrakte aus tierischen Eierstöcken. Die beiden Präparate Agomensin und Sistomensin dienten hauptsächlich der Behandlung von Menstruationsstörungen. Beide waren zwar patentrechtlich geschützte Originalpräparate von CIBA, doch die Herstellungsverfahren stammten von auswärtigen Wissenschaftlern, die sie der Basler Firma verkauft hatten. Das 1927 lancierte Prokliman und das ab 1931 erhältliche Androstin basierten hingegen auf Verfahren, die das CIBA-Labor schon seit längerer Zeit zur Fabrikation von Organextrakten nutzte. Prokliman war ein sogenanntes Kombinationspräparat: Neben dem Ovarialextrakt enthielt es ein Abführ- und ein Beruhigungsmittel sowie eine gefässerweiternde und eine blutdruckregulierende Substanz. Es versprach eine Linderung von Symptomen der weiblichen Wechseljahre. Auf klimakterische Beschwerden war auch Androstin, ein Hodenextrakt, ausgerichtet. Dieses Präparat sollte Beeinträchtigungen in den «männlichen Wechseljahren» behandeln.

Seit den 1920er-Jahren arbeitete CIBA darauf hin, Geschlechtshor-

mone zu synthetisieren. Von einem synthetischen Ersatz für die Hormonextrakte versprach man sich mehrere Vorteile: Die Rohstoffbeschaffung 3.1 Prospekt für Perandren. 1953. 3.2 Verpackung von Ovocyclin. Vermutlich 1950er-Jahre.

würde vereinfacht, sodass die Produktionsmengen nicht länger von den jeweils verfügbaren – teilweise aus Südamerika importierten – Schlachtabfällen abhingen. Synthetische Herstellungsmethoden galten zudem bezüglich Reinheit und Wirkung der Produkte als wesentlich zuverlässiger als die herkömmlichen Extraktionsverfahren. Ab 1935 waren die CIBA-Wissen-

3.3 Verpackung von Percorten. Vermutlich 1950er-Jahre.

schaftler nicht nur in der Lage, die natürlichen Geschlechtshormone durch

3.4 Verpackung von Androstin. Vermutlich 1950er-Jahre.

sind als ihre natürlichen Vorbilder. Dieses neue Wissen verdankte sich ver-

3.5 Verpackungen von Agomensin und Sistomensin. 1930er-Jahre und nach 1945.

einen Plan zur Herstellung synthetischer Hormone mittels Teilsynthesen.

78

Partialsynthese herzustellen. Es gelang ihnen auch, Sexualhormone zu konstruieren, die in der Natur nicht vorkommen, aber weit wirkungsvoller schiedenen Kooperationsformen. Wichtig dafür war primär die Zusammenarbeit mit dem ETH-Professor Leopold Ruzicka. 1932 präsentierte Ruzicka In nur zwei Jahren gelang es seiner Zürcher Hochschulgruppe, das männliche Hormon Androsteron künstlich aus Cholesterin zu erzeugen. Die Basler


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.