Bemerkung über sich und ihre Landsleute parat. Sie verhehlt nicht, dass sie für ihre Kinder – zumindest im Moment – in Argentinien kaum Zukunftsperspektiven sieht. Die Inflation, eine aus ihrer Sicht korrupte politische Elite, Probleme im Bildungsbereich sind negative Trends, die Rosana beschäftigen. Ihren Sohn Gerónimo möchte Rosana daher gerne in der Schweiz oder anderswo in Eu ropa Biologie studieren lassen. 27. Juni 2015: Nach Studen müssen wir natürlich noch, zur Kirche in Aegerten, wo Ernst getauft wurde. Es findet an diesem Morgen ein Gottesdienst für Kinder statt. Die Katechetinnen meinen zu erst, wir kämen wegen der Feier. Rosana ist ein bisschen verunsi chert. Sie scheint Mühe zu haben, zu begreifen, dass Ernst als Protestant getauft wurde. Die argentinischen Geisbühler sind na türlich Katholiken. Rosana selber ist sozial und kirchlich sehr en gagiert als Katechetin der katholischen Kirche von Villa General Belgrano. Ich erzähle ihr, dass die Walliser Kolonien in Argentinien ka tholisch geprägt gewesen seien, aber viele Schweizer Einwanderer aus anderen Landesgegenden seien reformiert gewesen. Einige die ser Einwanderer und die meisten ihrer Nachfahren dürften sich irgendwann – wohl oft stillschweigend – dem Katholizismus zu gewandt und sich in offiziellen Dokumenten als Katholiken be zeichnet haben. Jetzt fragt mich Rosana, ob Ernst vor seiner Emi gration nach Argentinien im Wallis gelebt habe und dort Katholik geworden sei. Da haben mir wohl meine Spanischkenntnisse einen Streich gespielt: So war es natürlich nicht gemeint. Ich insistiere aber nicht weiter. Wir fahren zum Zoo Seeteufel in Studen, damit Samuel und Noah auch noch etwas von diesem Ausflug haben. 29. Juni 2015: Nach einer Woche reist Rosana weiter. Sie will unbe dingt an den Chiemsee nach Bayern. Irgendjemand – wohl deutsch stämmige Bekannte in Villa General Belgrano – hat ihr diesen Floh 121
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