vom guten wohnen_leseprobe

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Gutes Wohnen hat Bestand — Hausbiografien beschreiben Karrieren dauerhafter Wohnbauten

Das Dauerhafte scheint dem Charakter der modernen Stadt zu widersprechen. Die Stadt in der Spätmoderne ist dynamisch, ständig in Bewegung und in Veränderung. Viele Städte funktionieren getreu dem Motto: Was wir heute bauen, wird morgen abgetragen.1 Mittlerweile werden Gebäude in der Schweiz nach dreissig Jahren abgeschrieben,2 weshalb sollte man vor diesem Hintergrund heute das Dauerhafte, also die Langlebigkeit in der Architektur studieren? Hatten Architekten in den Dreissigerjahren noch beklagt, der Baubestand sei «zu alt, zu wertvoll, zu solide, um grosse Neubaumassnahmen zu erlauben», so ist der heutige Baubestand «zu jung, zu schlecht, zu gross, zu teuer im Unterhalt» 3. Die bebaute Fläche hat sich nach 1945 verdoppelt und die grossen Baubestände aus den Boomjahren der Nachkriegszeit befinden sich in den ersten Erneuerungsphasen und verlangen nach einem neuen Umgang. Ihr Bauschutt kann nicht mehr ohne Schwierigkeiten deponiert werden. Die Haltbarkeit der Bauten ist zurückgegangen, die problematischen Müllmengen steigen und die Kosten des Unterhalts sind finanziell belastend.4 Dieses Problem wird durch eine Politik des Ersatzes durch Neubau nicht zu lösen sein, auch wenn dabei eine ökologische Bauweise angestrebt wird. Noch immer verbraucht die Errichtung von Hochbauten mit vierzig Prozent 5 den Löwenanteil der Ressourcen weltweit: Die Anzahl der Neubauten kann nicht auf dem hohen Niveau gehalten werden 6 – eine kluge Ressourcennutzung für das Bauwesen 10

muss auch beim vorhandenen Baubestand und seiner langfristigen Nutzung ansetzen.7 Gleichzeitig bestimmen die gesellschaftlichen Entwicklungen die wirkenden Kräfte im Wohnungsbau mit. Der fortschreitende gesellschaftliche Wandel bringt eine zunehmende Ausdifferenzierung der Lebensstile und sozialen Milieus mit sich: Die Formen des Zusammenlebens verändern sich,8 im Bereich des Wohnens wandeln sich die Bedürfnisse und Anforderungen.9 Nach drei Jahrzehnten Bevölkerungsrückgang verzeichnen die meisten Schweizer Städte erneut ein demografisches Wachstum, denn das Wohnen in der Stadt hat bei mittleren und höheren Einkommensschichten an Attraktivität gewonnen. Die Städte bemühen sich, Wohnungen mit hohem Komfort, einer angenehmen Nähe zum Arbeitsplatz und zur städtischen Infrastruktur sowie ein vielfältiges kulturelles Angebot bereitzustellen.10 Für einen reflektierten und zukunftsorientierten Wohnungsbau in den Städten stellt dies eine grosse Herausforderung dar, da die Wohnungsmärkte in den Städten, in der Schweiz insbesondere in Zürich und Genf, ohnehin schon überhitzt sind. Um Wohnqualität langfristig zu sichern, wird es daher zur zentralen Aufgabe des Wohnungsbaus, nach dauerhaften baulichen Lösungen zu suchen, die diesen individuell und gesellschaftlich variierenden Wohnansprüchen in Zukunft gerecht werden können.11 Dies wird nur möglich, wenn dem Grundsatz der Nachhaltigkeit entsprochen wird, was bedeutet, eine Verträglichkeit in der ökologischen, wirtschaftlichen,


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