DONNERSTAG, 27. APRIL 2017
GELD & GESCHÄFT
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Rätselhafte Emsland-Stärke: Worüber haben sich das Unternehmen und seine ehemaligen Geschäftsführer Hubert Eilting und Michael Schonert entzweit? Das Foto zeigt den Hauptstandort Emlichheim.
Foto: Gerold Meppelink
Millionen stehen auf dem Spiel Der Konflikt der Emsland-Stärke mit ihren abberufenen Geschäftsführern geht in die nächste Runde
Unternehmen kämpft mit Zivilklage um Schadenersatz. Nach wie vor besteht ein Geschäftsverhältnis mit den Ex-Chefs. Der Agrarkonzern hat schwierige Zeiten durchlebt. VON CHRISTIAN SCHAUDWET EMLICHHEIM/OSNABRÜCK. Das Zi-
vilverfahren zwischen der Emsland-Stärke und ihren beiden früheren Geschäftsführern droht ein langer Schlagabtausch zu werden. Die Beteiligten geben keine Stellungnahmen ab. Die parallelen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind so komplex, dass sie in mehrere Einzelverfahren aufgeteilt wurden.
Die Forderungssumme ist beeindruckend. „Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe“ will der Stärkeproduzent EmslandStärke von Hubert Eilting und Michael Schonert vor dem Landgericht Osnabrück erstreiten. Man verlange „einen Teil derjenigen Schäden erstattet“, die die beiden abberufenen Geschäftsführer zu verantworten hätten, begründete das Unternehmen seine Klage Anfang März. Was Eilting und Schonert im Detail vorgeworfen wird, ist schon seit Beginn der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück vor mehr als zwei Jahren Gegenstand von Spekulationen in der Landwirtschaft und Lebens-
mittelindustrie des Nordwestens. Immerhin so viel verraten die Staatsanwälte: Es besteht der „Verdacht der Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“. Die Abteilung Korruption führt die Ermittlungen, und der Fall ist so komplex, dass er in bis zwölf Einzelverfahren gegliedert wurde, von denen einige noch lange dauern können. Die Emsland Group in Emlichheim in der Grafschaft Bentheim mit mindestens 30 Einzelunternehmen im In- und Ausland und rund mehr als 900 Beschäftigten gewinnt aus Kartoffelstärke und Erbsen Vorprodukte für die Lebensmittel-, die Bau- und die Textilindustrie. Ihre Palette reicht von Grundstoffen für Süßwaren bis zu Bestandteilen von Klebstoffen. Das Unternehmen, das rund 1500 Kartoffelanbauern in Nord-
Jede Äußerung könnte der Gegenseite Munition liefern.
deutschland gehört, hat schwierige Zeiten durchlebt: Laut Konzernabschluss der Muttergesellschaft Emsland Stärke AG für das Geschäftsjahr 2014/2015 – teilweise noch unter Eilting und Schonert – stand unter dem Strich ein Jahresfehlbetrag von 41,9 Millionen Euro. Das Unternehmen hatte deutlich größere „sonstige betriebliche Aufwendungen“ als in früheren Jahren. Eiltings und Schonerts Nachfolger um den Vorsitzenden Geschäftsführer Udo Hinkelmann veranlassten Wertberichtigungen und Rückstellungen in Höhe von 47,3 Millionen Euro, heuerten Unternehmensberater an und unterzogen die Geschäftsmodelle der Gruppe einer grundlegenden Neubewertung. Dabei seien sie zu einer „vergleichsweise konservativeren Risikobewertung“ gekommen, heißt es nüchtern im Konzernabschluss. Sind das Nachwirkungen von Management-Entscheidungen Eiltings- und Schonerts? Schonert lehnte es bei einem Anruf unserer Redaktion ab, sich zu den Vorwürfen seines ehemaligen Arbeitgebers zu äußern. Weder er noch Eilting reagierten auch auf eine schriftliche Bitte um Stellungnahme. Kein Kommentar ebenso von den Anwaltskanzleien der beiden. Schweigen auch bei der klagenden Emsland-Stärke, ihren Anwälten und ihrem Aufsichtsrat. Kein Wunder – in dem bevorstehenden Osnabrücker Zivilprozess geht es um viel Geld. Jede unvorsichtige öffentliche Äußerung könnte der Gegenseite Munition liefern. Doch bei aller Gegnerschaft: Eilting und Schonert stehen offenbar noch in geschäftlichem Kontakt mit der Emsland Group.
Die beiden leiten heute die ES Aqua Holding in der Nähe von Berlin, eine Vertriebsagentur im Dienste des Fischfutterherstellers Emsland Aller Aqua – der zur Emsland Group gehört. Eilting engagierte sich als Emsland-Group-Chef auch jenseits des Kerngeschäfts des Unternehmens. Die Hamburger Firmendatenbank North Data listet ihn als Mitgeschäftsführer von zeitweise acht überwiegend im Emsland gelegenen Windparks auf. Schonert indes betreibt neben der ES Aqua Holding das Beratungsunternehmen MS Consulting in der Nähe von Berlin. An seiner alten Wirkungsstätte in Brandenburg unter den Kartoffelanbauern um die Kleinstadt Kyritz hat er viele Fürsprecher. Bis 1996 war Schonert Betriebsleiter des dortigen Emsland-Stärkewerks, das von Landwirten aus der Region belie-
fert wird. In den Folgejahren stieg er im Konzern auf, wurde 2015 an die Unternehmensspitze berufen. Nach Aussage eines Wegbegleiters soll Schonert im Werk Kyritz – zur Freude der zuliefernden Kartoffelanbauer – gut gewirtschaftet und kräftig investiert, sich zugleich aber Kritiker und Neider in der Grafschaft Bentheim geschaffen haben. In dem oder den Konflikten, die zur Abberufung Eiltings und Schonerts führten, steht es vorläufig eins zu null für die Emsland-Stärke AG. In einem ersten, erst kürzlich bekannt gewordenen Zivilverfahren wurden die beiden Ex-Chefs vom Landgericht Osnabrück zu einer Schadenersatzzahlung von mehr als 442 000 Euro verurteilt. Der Vorwurf: Sie sollen dem früheren Finanzchef des Unternehmens eine übermäßig üppige Altersteilzeit-
Schutz vor persönlicher Haftung
Sieben von zehn Geschäftsführern suchen Schutz bei einer D&O-Versicherung
Manager-Haftpflichtversicherungen, auch D&O-Versicherungen (Directors and Officers) genannt, sollen Führungskräfte gegen Schadenersatzansprüche absichern, die aus ihrer Leitungstätigkeit entstehen können. Das können sowohl Schadenersatzansprüche Dritter als auch des eigenen Unternehmens sein (Innenverhältnis). Laut einer Umfrage des Kölner D&OAnbieters VOV aus dem Jahr 2016 haben Manager das Gefühl, dass ihr Haftungsrisiko deutlich gestiegen ist. Dies könne mit steigendem öffentliche Druck und der Debatte über die VW-Abgasaffäre zu tun haben, heißt es in der Studie.
Ja
Nein
vergütung gewährt haben. Nach Auffassung des Gerichts haben sie dabei ihre Sorgfaltspflicht verletzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, laut Emsland-Stärke haben die Beklagten Berufung eingelegt. Je nach Verlauf der staatsanwaltlichen Ermittlungen und des Streits mit der Emsland-Stärke könnte sich ein Schadenersatz in dieser Höhe als Eiltings und Schonerts geringstes Problem erweisen. Wenn es zur Anklage und zu einem neuen Zivilprozess kommt, geht es um ein Vielfaches. Aktionäre der Emsland-Stärke aus der norddeutschen Kartoffelbauernschaft dürften das Geschehen am Landgericht Osnabrück aufmerksam verfolgen. Unter ihnen herrscht bereits Genugtuung darüber, dass ihr Unternehmen gegen Eilting und Schonert vorgeht.
Angaben in Prozent
Branche
68
73
63 37
32 Industrie/produzierendes Gewerbe
27
Dienstleistungen
Handel
Gesellschaftsform
Bilanzsumme
79
68
61 32
GmbH
Umfrage unter 200 Geschäftsführern zwischen dem 27. 10. 2015 und dem 2. 12. 2015
21 AG
75
60 39
40
andere Gesell- 50 bis unter schaftsform 100 Miollionen
25 100 Millionen und mehr
Quelle: VOV GmbH · Grafik: Matthias Michel