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Heimatklänge mit Mississippi Isabel

I n t e r v i e w mi t d e r Aug s b u r ge r Femal e - Fo l k - Pop - For ma t i o n Mi s s i s s i p p i I s a b e l

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E I N E B A N D F Ü R D I E E W I G K E I T !

M i s s i s s i p p i I s a b e l v e r z a u b e r n u n s s e i t 2 0 1 4 m i t c h a r m a n t e m u n d m e l a n c h o l i s c h e m Fo l k - Po p . O b O p e n A i r, S t r a ß e n m u s i k , L a g e r fe u e r, A u s s t e l l u n g o d e r C l u b , s i e s i n d d i e B a n d f ü r a l l e Fä l l e . D e r z e i t a r b e i t e n d i e s e c h s M u s i k e r i n n e n a n i h r e m d r i t t e n A l b u m . W a l t e r S i a n o s t r a f C h r i s t i n a K e s t l e r u n d V e r o n i k a K l e i n e r z u m I n t e r v i e w .

Den Mississippi kennen wir alle, aber wer ist denn bitte Isabel? Christina: Isabel wird vom britischen Songwriter King Charles im Song ”Love Lust” besungen. Irgendwie bin ich an dieser Zeile kleben geblieben, denn mir hat der Klang des Namens gefallen. Und ich fand ihn passend für eine Frauenband, die Folk spielt. weh geweckt. Was verbindet euch mit dem Südstaaten-Strom?

Christina: Ich habe da ganz ähnliche Intuitionen und muss an Figuren wie Huckleberry Finn und Tom Sawyer denken. Und an einen schlammiger Fluss, in dem sich Alligatoren suhlen.

Ein Alligator ziert ja auch euer Logo.

Veronika: Joseph! Zuerst wollten wir ein Mississippi-Steamboat, aber dann kam uns die Idee mit dem Alligator. Die Designerin Nontira Kigle, die früher ja auch in unserer Band spielte, hat das graphisch ganz toll umgesetzt.

Christina, du warst es, die vor über sechs Jahren die Band gegründet hat?

Christina: Verrückt oder? Ich bin musikalisch gesehen eine Spätzünderin und hätte niemals gedacht, dass ich jemals in einer Band spielen würde. Ich habe zwar schon vor Mississippi Isabel viele Texte geschrieben, darunter Theaterstücke und Songs, aber ich hatte ein regelrechtes Trauma, was das Singen betrifft.

Ein Trauma?

Christina: Ja, das rührt noch aus meiner Schulzeit her. Mir wurde bereits in der Grundschule das Mitsingen verboten. Erst durch meinen Freund und heutigen Mann Raphael bin ich dann zum Singen gekommen. Er ist Singer/Songwriter und Musikpädagoge und der Überzeugung, dass jeder Mensch singen kann. Ich hätte in meinem Fall jede Wette dagegen gehalten, aber Raphael hat es tatsächlich geschafft, mich in die Gesangsspur zu bringen. Seitdem kann ich zu meinen Liedtexten auch Melodien hören und diese wiedergeben.

Wie habt ihr euch als Band gefunden?

Christina: Eine Freundin von mir hat immer gesagt, dass wir eine Band gründen, wenn ich singen kann. Als ich dann meinen ersten Songtext mit Melodie geschrieben hatte, haben wir gleich mal als Duo losgelegt, doch schnell gemerkt, dass wir an unsere Grenzen stoßen, was die Instrumentierung angeht. Und als sich bei mir in der Arbeit eines Tages meine Kollegen Nathalie mit ihrem Flügelhorn in Richtung Orchesterprobe verabschiedet hat, hab ich sie daraufhin gefragt, ob sie nicht lieber in einer Mädelsband spielen will. Damit waren wir also schon zu dritt.

Veronika: Und so ging das step by step weiter, bis wir schließlich komplett waren. Unser Ziel war es von Beginn an, eine reine Female-Band zu sein. Von uns ist keine die Rampensau, man kann sich ausprobieren, es gibt keine falschen Eitelkeiten und wir sind auch sehr unterstützend zueinander (lacht).

So hätte ich euch auch eingeschätzt. Respektvoll und basisdemokratisch.

Veronika: Absolut. Bei uns kann jedes Bandmitglied mit ihren kreativen Ideen reingehen, niemand wird unterdrückt und wir schreiben und arrangieren die Songs gemeinsam.

Folk-Musiker*innen erzählen gerne Geschichten. Wovon handeln eure?

Veronika: Bei uns dreht sich sehr viel um private Themen, die von tatsächlich passierten Momenten oder Situationen handeln. Es entsteht eine gewisse Ambivalenz, denn obwohl wir uns schon als glückliche Menschen bezeichnen würden, schreiben wir trotzdem viele nachdenkliche, ja sogar melancholische Lieder. Irgendwie fällt es uns offenbar leichter, über traurige Themen zu schreiben. Durch unseren ehrlichen Zugang können wir mit unseren Zuhörer*innen eine authentische Verbindung aufbauen.

Von euch existieren unglaublich viele Videos im Netz. Ihr scheint einen sehr kreativen Output zu haben.

Christina: Ja, das stimmt. Jede von uns hat auf eine bestimmte Weise eine künstlerische Ader, wir ergänzen uns da sehr gut. Und wir bewegen uns aber auch in einem sehr kreativen Freundeskreis mit vielen Leuten, die sich bei uns einbringen.

Ihr habt wochenlang Songs von Musikerinnen wie Kimya Dawson, Alex The Astronaut, Blond! oder Adrienne Lenker gecovert und ins Netz gesetzt. Was hatte es denn damit auf sich?

Veronika: Unser Radius wurde durch Corona leider sehr eingeschränkt. Wir konnten eine zeitlang gar nicht oder eben nur limitiert proben. So sind wir auf die Idee gekommen, uns einigen Vorbildern musikalisch anzunähern.

”I wrote you a song Mississippi Isabel I even sent you flowers when you fell ill You've the strength of the Greeks You are God's masterpiece You're every triumph, every victory I believe in every breath you breathe.”

Immer wieder Corona ...

Veronika: Ja, uns hat das schon ziemlich getroffen. Viele schöne Festivals sind uns weggebrochen. Als Augsburgerinnen hatten wir uns gerade auf das Modular sehr gefreut. Wir sind ja nicht nur eine Band, die miteinander Musik macht, wir sind sehr miteinander verbunden und es steht nicht unbedingt immer nur die Musik im Vordergrund.

Christina: Ich hatte in meinem Leben ja nur diese eine Band und bin immer wieder verwundert, dass sich andere Bands "nur" zum Proben treffen und sich wenig bis gar nicht unterhalten. Während des Lockdowns haben wir uns vormittags auch schon mal zu einem Skype-Frühstück verabredet - natürlich zum Reden.

Ihr habt sogar einen eigenen Fanclub, den ja kein Unbekannter gegründet hat.

Christina: Richtig, Achim ”Sechzig” Bogdahn vom Zündfunk. Wir haben ihn vor zwei Jahren bei einer seiner Sendungen im ”Café Dreizehn” kennengelernt. Wir durften ein paar Songs performen und er war so angetan, dass er spontan einen Fanclub gegründet hat. Den gibt es heute noch und er kommt auch immer brav zu unseren Konzerten, wenn wir in München spielen (lacht). Letztes Jahr durften wir das Theatron-Festival eröffnen und da tauchte er mit einem Blumestrauß auf!

Ihr seid ja eine sehr universell einsetzbare Band. Vom Lagerfeuer bis hin zur Ausstellungseröffnung, wie zuletzt bei der Schwabillu. Von Straßenmusik bis zum Open-Air-Festival. Gibt es auch Grenzen?

Christina: Hochzeiten! Aber es stimmt, wir können praktisch überall spielen und ein großer Vorteil ist, dass wir auch rein akustisch auftreten können.

Veronika: Quasi auspacken und loslegen. Aber es macht schon auch riesigen Spaß, auf Festivals mit größeren Bühnen zu spielen. Allerdings sind wir mit unseren gefühlt tausend Instrumenten auf der Bühne der Schrecken aller Tontechniker.

Euer zweites Album erschien Ende 2019 und trägt den schönen Titel ”I´m free, cause I´m not scared”. Das war vor Corona. Wie frei seid ihr heute?

Veronika: Wir fühlen uns frei, auch wenn wir nicht mehr so uneingeschränkt agieren können. Der Begriff Freiheit hat unserer Meinung leider durch die Corona-Demos eine negative Konnotation bekommen. Da wird ein Freiheitsbegriff propagiert oder vertreten, vor dem man eigentlich Angst haben sollte.

Seid ihr eine Band für die Ewigkeit?

Christina: Ja! Ich kann mir das sehr gut vorstellen, das mit 80 in dieser Form auch noch zu machen. Aber was die nähere Zukunft betrifft: Dadurch dass wir derzeit nur sehr wenig spielen können, arbeiten wir bereits am dritten Album, für das wir uns auch richtig Zeit lassen.

Veronika: Es ist eine neue und große Herausforderung für uns, erstmals werden wir auch auf deutsch singen. Wir bewegen uns auch etwas weiter vom klassischen Folk weg und arbeiten mehr mit poppigen Elementen. Was die Instrumentierung betrifft, sind wir auch nicht mehr ganz so verspielt. Trotz aller Freundschaft ist auch musikalische Veränderung ein Anspruch für uns.

B E S E T Z U N G : Christina Kestler: Kinderklavier, Akkordeon, Melodika, Glockenspiel | Nathalie Weber: Flügelhorn, Trompete, Glockenspiel | Janna Hauser: Gesang, Percussions, Glockenspiel, Ukulele Veronika Kleiner: Gesang, Gitarre, Ukulele, Cello | Johanna Rohr: Bass, Saxophon | Anna Orth: Bratsche, Geige www.mississippi-isabel.de https://www.instagram.com www.facebook.com/mississippi.isabel.augsburg