15 Werte und Orientierungen für Journalistinnen und Journalisten (nr-Werkstatt 15)

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angekommen sein. Eigentlich. Aber das Selbstkontrollorgan der deutschen Presse reagiert auf entsprechende Anregungen eher mit zynischer Distanz. Seit sich vor einigen Jahren Journalisten zum »Netzwerk Recherche« zusammengeschlossen haben, um gewissenhafte Recherche zu fördern, treten sie auch dafür ein, den PR-Einfluss auf die Medien kritischer zu betrachten. Das Netzwerk hat einen Medienkodex veröffentlicht, der den Pressekodex erweitern sollte. In Punkt fünf heißt es dazu knapp und deutlich: »Journalisten machen keine PR.« Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Michael Konken, bewertete diese Forderung als »überflüssig wie ein Kropf.« (journalist 4 / 2006, S. 7) Im Gewerkschaftsorgan M geißelte die Chefredakteurin Karin Wenk die »Arroganz der Netzwerker«, da die neuen »Kodexierer«-Regeln »alltagsfern und in ihrer Reinheit kaum durchsetzbar sind«. »Netzwerk Recherche« hatte vor allem die unpräzise Ziffer 7 »Trennung von Werbung und Redaktion« und die weitgehende Ausklammerung der PR-Invasion in den Medien durch den Presserat kritisiert. Der deutsche Presserat und die beiden Journalistenverbände verteidigten ihre tolerante Haltung zu Journalismus und PR als gleichberechtigte Disziplinen der Medienarbeit unter anderem mit der ökonomischen Notwendigkeit für Journalisten, PR machen zu müssen. Sowohl im DJV als auch in der dju sind PR-Fachleute, Pressesprecher und zum Teil auch Werbetexter organisiert. Auf diese Mitglieder möchte man nicht verzichten. Das ist ihr gutes Recht. Höchst problematisch ist es jedoch, wenn schiere Verbandsinteressen notwendige Korrekturen und Verschärfungen des Pressekodexes zur Trennung von PR und Journalismus verhindern. Dabei müsste die Unterwanderung des Journalismus durch die PR-Industrie dringend gestoppt werden, denn der Einfluss der PR auf journalistische Medien nimmt massiv zu. Die im Dezember 2004 veröffentlichten Zwischenergebnisse der Benchmarking-Studie der Universität Leipzig belegen dies ebenso wie die fortgesetzte Debatte um Kooperationen mit der Wirtschaft im TV-Bereich, wie es die Recherchen des epd-Fachdienstes Medien zeigen. Viele Lokalredaktionen klagen darüber, dass die Marketingabteilungen wichtiger Anzeigengeber immer unverblümter »Gegenleistungen im redaktionellen Teil« fordern. Mehrere wissenschaftliche Studien belegen, dass die PR-Aktivitäten immer professioneller und immer konsequenter vorangetrieben werden, ganz in dem Sinne: die beste PR wandert lautlos in den Journalismus, ohne die Spuren der kommerziellen Absender zu hinterlassen.


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