5 Kritischer Wirtschaftsjournalismus (nr-Werkstatt 5)

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Netzwerk Doku_Wirtschaft

18.04.2007

10:28 Uhr

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Statement: “Es fehlt an zweierlei: Abstand und Anspruch.“ Welche Defizite sehen Sie im Wirtschaftsjournalismus? Es fehlt an zweierlei: Abstand und Anspruch. Gerade bei nutzwertigen Finanzgeschichten findet man Beiträge, die wirken, als wären sie in der PR-Abteilung einer Bank geschrieben. Da dürfen sich opulent irgendwelche Bereichsvorstände über die Vorzüge ihrer Produkte ausbreiten. Und wie von Wunderhand geführt liegen dann genau diese Hefte in den Filialen des entsprechenden Instituts. In der Unternehmensberichterstattung hingegen wird viel zu häufig das Klein-Klein praktiziert. Irgendwelche Scoopetten von rein nationalem Interesse aufgeblasen. Wir alle müssen wieder mehr Energie auf mühselige, langwierige Recherchen verwenden, deren Ergebnisse die Leser überraschen, bei den Firmen etwas auslösen und deshalb den Anlegern und Kunden nutzen. Was kann verbessert werden? Rein handwerklich: Alle Wirtschaftsredaktionen sollten sich auf das angelsächsische Prinzip verständigen. Quotes und Interviews laufen wie gesagt, und werden nicht mehr abgestimmt. Zudem brauchen wir wieder mehr Schreiber in den Redaktionen, die sich über Jahre in eine Industrie einarbeiten und trotzdem die Kompetenz behalten, wirklich kritische Fragen zu stellen und Zusammenhänge verständlich zu vermitteln. Es ist erschreckend, wie viele Wirtschaftsjournalisten noch nicht mal eine Bilanz oder GuV ordentlich interpretieren können. Klaus Schweinsberg, Chefredakteur CAPITAL Herausgeber IMPULSE


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