Münster Geht Aus | Nr. 39

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In Müllers Roland und den anderen großen Münsteraner Premierenkinos geben sich in den 50ern die Stars der deutschen Kinoszene wie Curd Jürgens, Heinz Rühmann und Ruth Leuwerik die Klinke in die Hand. In Hoch-Zeiten strömen bis zu 2,5 Millionen jährlich in die Lichtspielhäuser der Domstadt. An den Premierenabenden reicht die Schlange vor dem Roland Theater fast um den gesamten Block. Unterdessen weitet Franz Müller seine Kinodynastie in Münster aus. Gemeinsam mit Tochter Elfriede und Schwiegersohn Kuno von Meerscheidt erbaut er das Schloßtheater, das 1953 öffnet und heute das älteste aktive Filmtheater der Region ist. In den 60ern hat sich das Münsteraner Publikum langsam an Provokationen gewöhnt. In dem Roadmovie „Alle Jahre wieder“ um Ehebruch und Familientragödie spielt Münster sogar die Hauptrolle – als Ort der Handlung. Inzwischen gibt es reichlich Kinos in der Innenstadt: das schmuddelige Ali am Bahnhof (mit der Lichtreklame „Karate – Sex – Action“), das Rex an der Hammer Str. (heute Rewe) oder das ehemalige Luxushotel Fürstenhof an der Ludgeristraße (heute Strauss), das Müller & von Meerscheidt 1959 ebenso übernehmen wie später das Residenz-Theater an der Hammer Straße. 1962 stirbt Franz Müller. Aber die Expansion geht auch unter Elfriede und Kuno von Meerscheidt weiter. Roland, Schloßtheater und Fürstenhof bekommen zusätzliche Säle, um dem vermehrten Filmaufkommen zu begegnen. In den 70ern erfindet Schauburg-Betreiber Albert Mazzotti die „Action-Auslese“: Wenn die Fäuste von Terence Hill auf die Kinnknochen von Schurken treffen, ist sein Saal immer gerammelt voll.

„Besser, ich mache mir selbst Konkurrenz, als ein anderer!“ 1979 tritt Felix Esch in Müller & von Meerscheidts KinoBetriebe ein und darf gleich einen Aufreger moderieren. Als „Rambo“ Anfang der 80er in Münster anläuft, demonstrieren friedensbewegte Lehrer und linke Gewerkschaftler gegen die „Kriegshetze“ aus den bösen USA. Natürlich ohne Echo, denn die Kids sind begeistert von Rambo. 1985 engagiert sich in dritter Generation auch Tochter Hildegard von Meerscheidt in der Firma und gründet 1989 mit Felix Esch die Münsterschen Filmtheater-Betriebe – einen Kinoverbund, der jetzt fast alle Kinos der Stadt unter ihrer Leitung vereint. 1991 schließt sich als letztes auch Münsters ProgrammkinoPionier Heiner Pier mit seinen Kinos Cinema und Metropolis dem Verbund an. Die Erfindung der Multiplex-Großkinos krempelt zur Jahrtausendwende die gesamte Kinolandschaft um. Zwei große Betreibergesellschaften treten in Deutschland miteinander in 100

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Lo k alg e schich te

e Das neugebaut 1954. Schloßtheater

Starke Ausstrahlu

ng: das Cineplex

2013.

den Ring. Im ruinösen Preiskampf bleiben etliche Kleinkinos auf der Strecke. In Münster finden Felix Esch und Hildegard von Meerscheidt für die münsterschen Filmtheaterbetriebe eine ungewöhnliche, aber erfolgreiche Lösung. Nach dem Motto „Besser, ich mache mir selbst Konkurrenz, als ein anderer“, eröffnen sie mit dem Cineplex am Albersloher Weg selbst ein eigenes Großkino. Das Schloßtheater und das Cinema – jetzt unter der Leitung von Thomas Behm und Jens Schneiderheinze – bleiben so langfristig als Spartenkinos erhalten. Heute zählt Münster zu den gesündesten Kinostädten der Republik. Cinema & Schloßtheater werden regelmäßig für ihr facettenreiches Programm ausgezeichnet. Das Cineplex ist eine Ikone der Hafenmeile. Mit seinen 2.700 Sitzen in neun Sälen und jährlich bis zu 1 Million Besuchern zählt es zu den erfolgreichsten und auch technisch bestausgestatteten (3D, 4K, HFR) Multiplexen Deutschlands. Für künftige Herausforderungen scheint man bestens gerüstet. In Zeiten immer kürzerer Verwertungsketten durch Filmindustrie, YouTube und Downloadbörsen setzen Felix‘ Söhne Ansgar und Anselm Esch neben dem klassischen Programm auf Events und Liveerlebnisse. Regelmäßig sind Schauspieler oder Regisseure anwesend. Die Live-Übertragungen aus den großen Opernhäusern der Welt genießen geradezu Kult-Status; und die Reise- und Extremsportvorführungen locken ebenso mit einzigartigen Kinoerlebnissen wie das jährliche Open-Air-Kino vor dem Schloss.


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