moritz #71 (Juni 08)

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DVD

feuilleton

Klaustrophobisch witzig

„Immer nie am Meer“ von Antonin Svoboda Spätestens seit der bittersüßen Biographie seiner musikalischen Landjugend „Fleisch ist mein Gemüse“ ist Heinz Strunk unwiderruflich mit dem Bild des skurril abgewrackten Familienfest-„Muckers“ verbunden. Und auch in der rabenschwarzen Komödie „Immer nie am Meer“ sticht sein notorisch notgeiles und dezent alkoholabhängiges Alter Ego, der abgehalfterte Alleinunterhalter Schwanenmeister, als groteskes Highlight hervor. Dieser gerät auf Umwegen in den Wagen des Geschichtsprofessors Baisch und dessen Schwager Anzengruber, welcher nach einem Verkehrsunfall einen bewaldeten Abhang hinunterrollt und sich derart zwischen Bäumen verkantet, dass sich weder Türen noch Fenster öffnen lassen. Da es sich zudem um den Wagen des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim handelt, nimmt das Unglück seinen Lauf: Denn die Scheiben

des Wagens sind aus Panzerglas... Was folgt ist ein herrlich absurdes Kammerspiel mit viel Sekt, Heringssalat und anderen Widerlichkeiten. Dabei läuft nicht nur Strunk zur Höchstform auf, auch seine Kollegen Dirk Stermann und Christoph Grissemann Die Maus war unsicher, ob das Versteck im Waldboden sicher ist. Es roch komisch. (bekannt aus der so massentauglich. Einzig die manchmal empfehlenswerten österreichischen Aleingesprenkelten Schnipsel aus Strunks ternative zu Schmidt/Pocher „Willkommen verschrobenem musikalischen Schaffen Österreich“) wabern gekonnt in einer Wolwirken bisweilen etwas deplaziert und ke aus zynischer Lakonie und Verzweifwollen sich nicht so recht in die biedere lung. Wer es schräg und makaber mag, Erscheinung der schmierigen „Ein-Mannder kommt bei Svodbodas Film voll auf seine Kosten. Selten war Arnachohumor Kapelle“ einfügen. jk

Die Pleite einer Genrereise

„Todeszug nach Yuma“ von James Mangold Von der Renaissance des Western-Genres zu sprechen, weil im letzten Jahr gleich zwei hochkarätig besetzte Filme auf das Kinopublikum losgelassen wurden, spiegelt mehr die Hoffnung von Filmliebhabern – dies können auch Filmkritiker sein – wieder als die Tatsachen. Die goldene Zeit der ureigenen amerikanischen Filmgattung ist längst vorbei. Heute interessiert die Besiedlung des vormals rechtsfreien Kontinents nur die Wenigsten. Zu klischeehaft wiederholen sich die immer gleichen Geschichten. Auch unterstützen heutige Special-Effects die Gut-gegen-Böse-Konflikte besser in anderen Genres. Neben der kulturellen Relevanz, schneiden Western auch kommerziell wenig erfolgreich ab. Dass Brad Pitt in „Die Ermordung von Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ sowie Russel Crowe und Christian Bale in „Todeszug nach Yuma“ sich dann auch ins Western-Genre verirrten, kann nur als Verwirklichung eines Jungendtraums verstanden werden. Beide Filme bedienen sich dem Vergangenen. Pitt bei der realen Figur, das Duo

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Crow und Bale beim 1957er Klassiker nach einer Geschichte vom Krimiautoren Elmor Leonard. Was damals funktionierte, klappt in der Wiederholung aber nicht. Auch wenn die Hauptdarsteller gewohnt sehenswert agieren, langweilen die 122 Filmminuten. Crowe spielt den Outlaw Ben Wade, der nach der Gefangennahme Modellträger für Hüte: Christian Bale und Russel Crowe. zum nächsten Bahnunbeschreiblich gewöhnlich am Bahnhof hof überführt werden soll: Auftritt vom in Yuma. Viele tote Männer, Explosionen, verarmten Farmer Dan Evans (Bale). Um schnelle Kameraschnitte und ein moraSchulden zu bezahlen, übernimmt der lisch sauberer Böser weisen zukünftigen ehemalige Soldat diesen Auftrag und schafft es mit seinem Gefangenen auch Western keinen Weg. Denn „Todeszug nach Yuma. nach Yuma“ war nur ein Abstecher in die Den gesamten Weg über, versucht Wades Vergangenheit und Hoffnung für die filBande von Halunken ihren Anführer zu mische Zukunft des Genres ist unangebefreien. Die Katz-und-Maus-Jagd endet bracht. bb

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