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Jonas Reckermann
from LLG Inside 18/19
by monsch
Seit Anfang des Jahres 2018 unterrichtet eine prominente Persönlichkeit am LLG: Es ist der Olympiasieger Jonas Reckermann. Er unterrichtet Sport und Geographie, nachdem er vor nicht all zu langer Zeit seine Karriere beendete.

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Nach dem Interview gab es für Amir und Carlo vom Olympiasieger ein paar Tipps in Sachen Volleyball
Der 1979 in Rheine geborene Beachvolleyballer ist vierfacher Europameister und sechsfacher Turniersieger auf der FIVB World Tour. Daneben ist er mit fünf Titeln bei deutschen Meisterschaften (jeweils 2001, 2005, 2009, 2010, 2011) einer der erfolgreichsten deutschen Beachvolleyballer. Immenses öffentliches Aufsehen erreichte er bei der Weltmeisterschaft 2009 und den Olympischen Spielen 2012 in London, bei denen er zusammen mit seinem Partner Julius Brink die Goldmedaille gewann. Es war uns daher ein großes Anliegen, ein Interview mit Jonas Reckermann durchzuführen. Er war uns gegenüber sehr offen und schilderte uns viele Details aus seiner Karriere.
Herr Reckermann, um als allererstes die Grundlage zu bilden: Wie kamen Sie damals überhaupt auf die Sportart Volleyball? Gute Frage. Mein Vater und mein zwei Jahre älterer Bruder waren auch schon Volleyballer. Als mich mein Bruder dann einfach mal zum Training mitgenommen hat, bin ich danach dabei geblieben.
Wie alt waren Sie damals? Zu diesem Zeitpunkt war ich zehn Jahre alt. Es gab eine Kooperation an meiner Schule und von dort aus bin ich in den Volleyballverein gekommen.
Betrieben Sie auch noch andere Sportarten? Am Anfang schon. Ich habe mit Fußball und Leichtathletik begonnen, habe dann mit der Zeit den Fußball aufgeben und daraufhin trieb ich eine lange Zeit lang Leichtathletik und Volleyball parallel. Nach einer gewissen Zeit musste ich mich entscheiden. Das Mannschaftsgefühl hat den Ausschlag gegeben, dass ich mich letztendlich für den Volleyball entschied, obwohl ich nichtsdestotrotz Leichtathletik gerne gemacht habe. Viele Leistungssportler arbeiteten schon in ihrer Jugend konsequent an ihrer Profikarriere. Konnten Sie sich im Laufe ihrer Jugend vorstellen, dass Sie eines Tages eine professionelle Karriere aufbauen würden? Nein, überhaupt nicht. Das ist alles nach und nach gekommen. Ich war nicht auf einem Sportinternat oder an einer Sportschule, daher hat es sich auch erst langsam ergeben.
Wann wurde Ihnen denn dann klar, dass Sie Volleyball wirklich professionell spielen können? Da ich nie darauf hin gearbeitet habe, Volleyball eines Tages professionell zu spielen, wurde das Volleyballspielen erst mit 21 bzw. 22 Jahren ganz professionell, woraufhin ich anfing, Studium und Volleyball parallel zu betreiben.
Sie haben also schon vor ihrer professionellen Karriere studiert. Strebten Sie damals auch schon den Lehrerberuf an? Ich wollte bereits von Anfang an Lehrer werden, auch als Kind schon. Meine beiden Eltern waren Lehrer, weshalb ich mit dem Beruf bereits sehr vertraut war. Mit 18 Jahren fing ich ganz normal an zu studieren. Zu diesem Zeitpunkt war mir bereits klar, dass ich im Leistungsbereich des Volleyballs unterwegs, jedoch kein Vollprofi war. Es kam alles nach und nach.
Warum ist der Lehrerberuf so ein Wunsch für Sie gewesen? Was war und ist Ihre besondere Motivation für dieses Berufsbild? Das begründet sich bereits im Hinblick auf meine Kindheit. Man denkt natürlich nicht so sehr darüber nach und schaut nicht so sehr auf die Außenperspektive. Grundsätzlich bereitet es mir enormen Spaß, mit Menschen zu arbeiten und auch, sag ich mal, etwas „Sinnvolles“ zu machen. Mir war es dann einfach auch während meiner Karriere im Vorhinein schon klar, dass der Sport eines Tages zu Ende geAmir und Carlo (Q1) interviewten Jonas Reckermann in der Sporthalle des LLG
2009 Weltmeister - Der erste Coup Photo: FIVB
2012 Olympiasieg in London Photo: FIVB
2012 Bambi-Preisträger hen würde. Ich wollte sehr gerne in eine Richtung gehen, in der man mit Menschen arbeitet.
Und Sie wollten auch schon von Anfang an Geographie- und Sportlehrer werden? Ja, das schon. Sport war schon immer meins und da mein Vater auch schon Erdkunde- und Sportlehrer gewesen ist, war schon früh klar, in welche inhaltliche Richtung es geht.
In anderen Artikeln liest man öfters, dass Sie Mathelehrer werden wollten. Nun ist das ja offensichtlich nicht der Fall. Woran lag das? Ich habe mit drei Fächern angefangen zu studieren, Mathe jedoch nur für die Sekundarstufe 1. Aber als das mit dem Volleyball mehr wurde, war dann klar, dass es sehr schwierig ist, drei Fächer nebenher zu studieren. Das wollte ich nicht.
Dann begann langsam ihre professionelle Karriere. Während dieser haben Sie eine ganze Ansammlung von Titeln und Auszeichnungen erhalten. Gibt es dabei einen ganz besonderen Titel bzw. Moment in Ihrer Karriere? Schwer zu sagen, denn irgendwie freut man sich dann in dem Moment auch nicht viel mehr, wenn man am Ende Olympia gewonnen hat, als ganz am Anfang bei der deutschen Meisterschaft. Das war alles vorher unvorstellbar und ein riesiger Traum. Rückblickend ist natürlich der Olympiagewinn das sportlich hochwertigste. Aber das kam zum Glück erst am Ende, sodass man vorher schon viele Stationen hatte, über die man sich genauso freuen konnte. Das fängt schon auf der Kreisebene an, oder auf dem Nikolausturnier, das man als Kind gewonnen hat, bis man irgendwann Deutscher-, Europa-, Weltmeister oder sogar Olympiasieger wird. Auf der „Freudeskala“ gab es da keine großen Unterschiede.
Wenn wir mal auf das sportlich hochwertigste eingehen: Wie enorm war denn der Druck während des Olympia-Turniers 2012, als Sie zusammen mit Julius Brink in London Gold geholt haben? Deutlich größer als bei anderen Turnieren? Puh, was heißt Druck? Wir hatten in dem Jahr eigentlich große Schwierigkeiten. Ich war öfters verletzt und einen wirklich großen Druck hatten wir nicht, weil wir eigentlich gar nicht so genau wussten, wo wir standen. Als Voraussetzung war es aber super wichtig, dass wir beide vorher schon einmal bei Olympia waren. Ich 2004 in Athen, das war zugegebenermaßen nicht all zu gut, und Julius war 2008 in Peking, das auch nicht besonders gut gelaufen ist. Aber weil Olympia eben so ein riesiges Erlebnis ist, mit tausenden von Eindrücken und einem viel höheren Medieninteresse als sonst, war es gut, dass nicht alles neu für uns war und wir beide schon diese Erfahrung gemacht hatten. Das hat uns tatsächlich sehr geholfen, dass wir uns fokussieren konnten und diesem „Druck“ eben auch standhalten konnten. Und natürlich ist der Mediendruck viel höher, als bei einer Europameisterschaft. Bei Olympia ist jede Sportart absolut im Fokus, auch eben eine vermeintliche Randsportart, wie beispielsweise Beachvolleyball. Je länger wir dann im Turnier blieben, desto höher wurde auch die Aufmerksamkeit.
Sie kamen also mit dem Mediendruck weitgehend gut klar? Ja, wir waren gut vorbereitet und haben uns das vorher schon antrainiert, wie wir mit den Medien umgehen wollten. Man muss die Medien so nehmen wie sie sind. Wir haben immer versucht, höflich zu sein und haben uns nie verbogen. Letztendlich kann man sowieso nicht ändern, was geschrieben wird. Dennoch ist es uns gelungen, den Mediendruck auszuklammern und uns voll zu fokussieren, ähnlich wie bei einem Tunnelblick.
Im Olympiafinale schauten Ihnen und Ihrem Partner dann 9 Millionen Menschen live zu. Wussten Sie das in diesem Moment, oder haben Sie das erst später richtig realisiert? Diese Zahl haben wir erst später realisiert. Wir haben jedoch schon von Runde zu Runde gemerkt, dass das Interesse immer größer wurde. Aber deshalb haben wir nicht besser oder schlechter gespielt. Trotzdem bin ich happy, dass wir mit dieser Sportart viele Leute erreichen konnten.
Nach ihrem Rücktritt haben Sie sicherlich als sehr erfolgreicher Sportler einige Angebote aus der Sportbranche bekommen. Warum sind Sie nach Ihrer aktiven Karriere nicht dort geblieben? Nun ja, ich hätte schon in den professionellen Trainerbereich gehen können. Es ist auch nicht so, dass ich diesen Beruf gänzlich unattraktiv finde. Man ist jedoch als Beachvolleyballer ständig unterwegs. Über 200 Tage im Jahr befindet man sich im Ausland und auch in Deutschland ist man die ganze Zeit auf den Beinen. Ich habe ja auch eine Familie, weshalb ich mich dazu entschieden habe, nicht direkt wieder das gleiche zu machen, nur außerhalb des Spielfeldes.

Amir und Carlo in der Sporthalle mit Jonas Reckermann
Wo haben sie eigentlich Ihre ganzen Trophäen und Medaillen stehen? In Umzugskartons im Keller. Aber nach dem Erscheinen des Interviews muss ich die nun wohl woanders verstecken (lacht).
Jetzt sind Sie hier als Referendar am Landrat-Lucas gelandet. Wie können und wollen Sie Ihre Erfahrungen in dieser Schule einbringen? Einerseits helfen mir vielleicht meine Erfahrungen aus dem Ausland im Fach Erdkunde, da ich viel unterwegs gewesen bin. So kann ich möglicherweise auch Dinge aus erster Hand berichten. Aber das ist eher eine Kleinigkeit bzw. ein Nebenaspekt. Zudem könnte ich in meinem zweiten Fach auch meine sportlichen Erfahrungen einbringen. Hier am Landrat-Lucas sind viele Schüler mit sportlichem Hintergrund. Ich stand schon immer hinter der dualen Ausbildung von Sportlern und ich weiß auch, dass es nicht immer ganz einfach ist beides zu kombinieren bzw. da einen Weg zu finden und sich auch bewusst zu werden, dass neben dem Sport die Schule super wichtig ist. Ich hoffe, dass ich da den Schülern auch helfen kann eine Orientierung zu finden. Und selbstverständlich bin ich natürlich bei den spezifischen Themen, wenn es beispielsweise Richtung Profisport geht, die ich eben selbst mitgemacht habe, auch gerne bereit Auskunft zu erteilen und meine Erfahrung weiter zu geben.
...Da wir als Sportschule natürlich auch einige ambitionierte Schüler haben, die auch irgendwann gerne mal Sport professionell betreiben wollen würden. Genau. Viele haben eben auch diesen Traum und der Weg dahin ist natürlich nicht ganz einfach. Mit allen Vor- und Nachteilen. Man muss einige Dinge beachten, wenn man dann mal Profi ist und klar, da würde ich auch aus dem Nähkästchen plaudern können.
Das LLG versucht eben auch solche Nachwuchstalente zu fördern. Inwiefern würden Sie diese Förderung hier bewerten? Obwohl ich noch nicht all zu lange auf dieser Schule bin und noch nicht eine differenzierte Meinung dazu abgeben kann, glaube ich, dass das LLG sehr gut aufgestellt ist. Hier wird der Sport gut repräsentiert und definiert, ohne dass die anderen schulischen Bereiche vernachlässigt werden. Das ist sehr angenehm. Beispielsweise muss man nicht einen Sport Leistungskurs belegen, um beim Sportinternat dabei zu sein. Da hat man dann die Wahlfreiheit sich auch in anderen Fächern stärker bilden zu können. Daher finde es sehr gut, wie viele Möglichkeiten es hier gibt, ohne, dass ich jetzt in die Details gehe.
Was persönlich würden sie denn Nachwuchssportlern mitgeben? Generell muss man insbesondere dranbleiben. Viele motivieren sich ausschließlich für den Sport, doch die Schule darf man auf gar keinen Fall außer Acht lassen. Für mich persönlich und für den Sport war es gut, dass ich im Winter studiert habe, um mal den Kopf freizubekommen und mich im Anschluss wieder auf den Sport konzentrieren zu können. Das heißt, es ist eben nicht nur für einen persönlich wichtig, sondern auch für den Sport selber wichtig, auch mal etwas anderes zu machen. Weiterhin muss man detailverliebt sein, denn besser geht immer. Von kleineren Durststrecken darf man sich eben auch nicht all zu frustrieren lassen und letztendlich das Wichtigste: Man muss Spaß haben! Ohne Spaß geht auf Dauer im Profibereich nichts.
Als letzte abschließende Frage: Was stellen Sie sich für Ihre Zukunft vor und was wünschen Sie sich für diese? Mal schauen, ich will auf jeden Fall vollständig in den Lehrerberuf gehen und mich dann überraschen lassen, wo die Reise hingeht. Mir gefällt es hier sehr gut, aber wo ich einmal als „richtiger“ Lehrer arbeiten werde, ist noch völlig offen.
Dann bedanken wir uns recht herzlich für das interessante Interview. Gerne!