Rosa Maria Ruehling - AZIS'

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AZIS‘ Rosa Maria Rühling





Mann-m채nnliche prostitutionsszene in Dortmund

Rosa Maria R체hling



f端r Azis und seine Jungs



Nach einer aktuellen Studie zur Lebenslage von Strichern und callboys im östlichen Ruhrgebiet ist Dortmund das Zentrum der mann-männlichen Prostitutionsszene dieser Region. Zwischen 200 und 250 Stricher und Callboys im Durchschnittsalter von 21 Jahren gehen der Prostitution nach. Etwa 40% der jungen Männer haben einen Migrationshintergrund. Bei meiner Recherche zum Thema Prostitution stieSS ich zufälligerweise auf einen Vortrag der AIDS-Hilfe Dortmund, wo diese Fakten vorgestellt wurden. Mir war vorher nicht aufgefallen, dass auch Jungs an den StraSSen Dortmunds der Prostitution nachgehen. Ich dachte mir, wer sind diese Personen und woher kommen sie und wie sind sie dazu gekommen, als Prostituierte zu Arbeiten? Nach der oben erwähnten Studie und nach Aussagen der AIDS-Hilfe Dortmund gibt es einen extremen Aufklärungsbedarf der Jungs vor allem in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Nur wenige sprechen Deutsch und haben eine Schulbildung genieSSen können. Die Hauptarbeitsplätze der Jungs umfassen Kneipen, Saunen, Kinos sowie AuSSenbereiche der Dortmunder Hauptbahnhofsumgebung wie Parks, Parkplätze und StraSSenränder. Ihre Kundschaft besteht hauptsächlich aus deutschen Männern zwischen 40 und 80 Jahren. Ihre Einnahmen liegen zwischen 5 und 30 Euro pro Angebot. Den GroSSteil ihres Verdienstes schicken sie an ihre Familien in ihren Heimatländern, denn ihre motivation nach Dortmund zu kommen liegt meist darin, ihre Familien finanziell zu unterstützen.

Zusammen mit den Streetworkern der AIDS-Hilfe Dortmund machte ich mich auf den Weg, diese jungen Männer kennenzulernen. Über mehrere Monate hinweg konnte ich eine kleine Gruppe türkisch-bulgarischer, junger Männer fotografisch begleiten. Dabei konzentrierte ich mich auf den Kontrast zwischen dem starken sozialen Zusammenhalt der Menschen untereinander und der harten Realität ihrer Arbeitswelt. Das Projekt soll auf die Situation der Jungs aufmerksam machen und ihnen die Möglichkeit geben, sich auszudrücken.

Rosa Maria Rühling, Dortmund im Juli 2010





„Das ist für die Jungs. Sie haben lange nichts gesehen seit sie in Deutschland sind. Sie kommen neu hier her und suchen Arbeit in der Stricherkneipe. Sie gehen ein bisschen in die Stricherkneipe, um Geld zu verdienen. Aber das Geld ist nicht genug. Dortmund ist eigentlich sehr gut für sie. Aber das Problem ist, dass die Jungs sehr wenig deutsch sprechen. Die Jungs würden am liebsten noch mehr arbeiten. In Bulgarien gibt es keine Arbeit mehr. Viele Bulgaren kommen dann nach Deutschland. Deswegen sollte Deutschland ihnen etwas helfen.“ Azis




„Die Jungs schlafen draußen. Sie haben keine Wohnung, sie haben gar nichts. Sie kommen hier her, und müssen erst mal ihre Schulden von der Fahrt nach Deutschland abzahlen.“ Azis





„Meine Mama, weiß nicht, dass ich schwul bin, verstehst du. Deswegen muss ich hier bleiben.“ Azis

























16 qm



















„Viele haben keine Ahnung und benutzen keine Kondome. Einer der Kunden hatte Tripper und mit drei Jungen ohne Gummi gefickt. Sie hatten dann auch Tripper. Der Mann hat ihnen etwas mehr Geld gegeben und gesagt, dass er kein Kondom benutzen will. Ich habe die Jungs dann gefragt, warum sie ohne Gummi ficken und dann gesagt, dass sie immer Kondome benutzen müssen. Man weiß nie, was der Mann hat. Ich sage ihnen dann, man muss immer Kondome nehmen, bei jedem Mann.. Und sie sagen, ok, und haben dann erstmal Angst.“ Azis






























































„Ich würde gerne mit einem Mann in Deutschland verheiratet sein, einen anderen Job haben, ein schönes Haus und genug Geld, um telefonieren zu können.“ Azis





3 Kameras / 3 Jungs fotografieren


















Es fotografierten: Azis, Osi und Halil



Azis / Rosa


Azis, es wäre schön, wenn du ein bisschen aus Bulgarien und Deutschland erzählst. Was gut ist und was nicht, ob es vielleicht Probleme gibt usw. Findest du es gut, w was ich mache? Fotografieren, Fragen stellen usw. Es ist richtig. Ein bisschen Fotos machen und so. Warum ist es wichtig? Das ist für die Jungs. Sie haben lange nichts gesehen seit sie in Deutschland sind. Sie kommen neu hier her und suchen Arbeit in der Stricherkneipe. Sie gehen ein bisschen in die Stricherkneipe um Geld zu verdienen. Aber das Geld ist nicht genug. Dortmund ist eigentlich sehr gut für sie. Aber das Problem ist, dass die Jungs sehr wenig deutsch sprechen. Die Jungs würden am liebsten noch mehr arbeiten. In Bulgarien gibt es keine Arbeit mehr. Viele Bulgaren kommen dann nach Deutschland. Deswegen sollte Deutschland ihnen etwas helfen.

einen Italiener. Er half mir als ich neu nach Deutschland kam und zeigte mir, wie die Arbeit funktionierte. In Deutschland ist es immer das Gleiche: In die Stricherkneipe und wieder nach Hause, Kneipe - nach Hause. Es ist nicht genug Geld. Ich muss richtig arbeiten. Mit 19 gehen die Jungs in die Stricherkneipe. Sie bieten Sex und bekommen 30-40 Euro. Aber das ist auch nicht genug Geld. Sie brauchen Geld, um nach Bulgarien zu telefonieren, für Zigaretten, Essen, Kleidung, Schuhe... Sie brauchen das alles, aber das Geld, das sie verdienen, reicht nicht aus. Deswegen muss Deutschland etwas helfen. Das wäre besser. Aber 120 Euro am Tag ist doch schon viel Geld. Das sind 700800 Euro in der Woche. Ja, aber eine Woche verdient man gut, die andere Woche vielleicht gar nichts. Manchmal hat man Arbeit und manchmal hat man keine Arbeit. Manchmal kann man zwei bis drei Tage nicht arbeiten. Schickst du auch manchmal Geld nach Bulgarien?

Ihr kommt alle aus der selben Stadt in Bulgarien, aus Plovdiv, oder? Ja. Seit wann bist du in Deutschland? Ich bin 2003 nach Deutschland gekommen... Ja, vor ungefähr sieben/acht Jahren.

Ja, ich muss Geld nach Bulgarien schicken. Was soll ich hier mit dem Geld? Ich schicke dann meiner Mama und zu meinem Papa Geld. Ein bisschen zum Essen und Trinken, aber das ist auch nicht genug Geld für Bulgarien. Sie wollen etwas mehr. Aber ich habe nicht mehr Geld. Ich muss hier auch meine Wohnung und Anderes bezahlen. Wenn ich nicht bezahle, dann muss ich im Bahnhof schlafen. Dann schmeißen sie mich raus. Hast du noch was zum Fragen? Ja, ich habe noch sehr viel zu fragen, aber wenn du gehen musst, dann sag Bescheid. Mit wie vielen Personen wohnst du zusammen in deiner Wohnung/ Zimmer?

ich Sex mit Männern habe, dann machen sie meinen Kopf kaputt. Deswegen will ich nicht zurück nach Bulgarien gehen. Was glaubt deine Familie, was du in Deutschland arbeitest? Ich sage ihnen, dass ich eine richtige Arbeit habe. Ich sage ihnen nicht, dass ich in einer Schwulenkneipe arbeite. Was sagst du ihnen dann genau? Ich sage ihnen, dass ich in der Kneipe putzen gehe. Sonst nichts. Hast du Geschwister? Ja, ich habe vier Schwestern. Wissen sie, dass du schwul bist? Ja sie wissen es, aber sie sagen nichts. Für sie ist es ok, außer für eine Schwester ist es ein Problem. Diese Schwester möchte noch nicht mal mit mir telefonieren, weil sie weiß, dass ich schwul bin. Hattest du in Bulgarien schon gearbeitet? Nein. Es gibt dort keine Arbeit. Hast du dann das erste Mal in Hamburg in der Kneipe gearbeitet?

Wir wohnen zu fünft.

In Hamburg habe ich mit Transen gearbeitet. Auf der Straße in St. Pauli. Aber als Transe zu arbeiten ist etwas gefährlich. Ich weiß nicht, was dann passiert. Ob jemand vielleicht ein Messer raus holt oder so. Ich weiß nicht, was dann passiert, weißt du. Ich habe dann Angst. Man muss sehr vorsichtig sein, wenn man Transe ist.

Ich habe nicht gefragt. Ich habe gesagt, ich werde nach Deutschland gehen, um etwas zu arbeiten. Ich bin auch schwul. Damals hat mir ein Kollege gezeigt, dass es Arbeit in der Stricherkneipe und im Kino gibt. Aber man verdient dort nicht genug Geld. Genug Geld hat man, wenn man 3000 oder 4000 Euro im Monat verdient. Das wäre das Beste.

Wann warst du das letzte Mal in Bulgarien?

Hättest du gern mehr als Transvestit gearbeitet?

Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal in Bulgarien. Ich war 10-20 Tage dort und dann hatte ich kein Geld mehr.

Nein, das will ich nicht. Ich will einen Job suchen und dann vielleicht eine richtige Arbeit in Deutschland haben.

Vermisst Du Bulgarien? Möchtest du zurück?

Was ist für dich ein „richtiger“ Job?

Wie viel Geld brauchst du?

Nein, ich möchte hier bleiben.

Ich brauche ein bisschen mehr. Ich brauche Geld um meine Wohnung zu bezahlen, für mein Essen, meine Zigaretten und zum Telefonieren. Das sind jeden Tag ca. 20-30 Euro. Jeden Tag! Man muss Essen kaufen, Kleidung kaufen...Alles kostet Geld. Und 30-40 Euro sind nicht genug.

Warum?

Ich habe schon einen richtigen Job. Ich putze in der Kneipe. Das ist etwas mehr Taschengeld. Dann kann ich meine Wohnung bezahlen. Wenn ich meine Wohnung nicht bezahle, dann werde ich rausgeschmissen.

So lange schon. Wie alt warst du damals? 19 Jahre, ungefähr. Wie bist du damals hierher gekommen? Hat dich jemand gefragt, ob du nach Deutschland kommen möchtest?

Meine Mama, weiß nicht, dass ich schwul bin, verstehst du. Deswegen muss ich hier bleiben. Hattest du in Bulgarien schon einen Freund?

Wie viel verdienst du am Tag bzw. im Monat?

Was würdest du gerne arbeiten? Was würde dir Spaß machen? Ich will ein bisschen Arbeit, sonst nichts. Egal was. Ist es schwierig in der Stricherkneipe zu arbeiten?

Ich hatte einen Freund, aber jetzt ist Schluss. Einen Tag verdiene ich nichts, den anderen ja. Das kommt immer darauf an. Ungefähr 50 oder 30 Euro am Tag. Ich habe ungefähr drei bis vier Kunden am Tag. Das sind ungefähr 100120 Euro. Vier Männer, für jeden bekomme ich ca. 30 Euro. In zwei bis drei Jahren ist das aber mit der Stricherkneipe für mich vorbei. Ist man irgendwann zu alt? Ja, ich bin zu alt, 27. Noch drei bis vier Jahre, dann bin ich 30 und dann ist es genug für mich. Das ist nicht genug für Deutschland. Deutschland muss den Jungen mehr helfen. Sie schlafen draußen. Sie haben keine Wohnung, sie haben gar nichts. Sie kommen hier her und müssen erst mal ihre Schulden von der Fahrt nach Deutschland abzahlen. Bevor du nach Deutschland gekommen bist, hat dir jemand in Plovdiv gesagt, dass es in Dortmund Arbeit für dich gibt?

Wie alt warst du als du deinen ersten Freund hattest? Ich war 10 Jahre alt. 10 Jahre... Und wie alt war dein Freund? 11 Jahre. Er war mein Nachbar und hat damals unter mir gewohnt. Wir hatten uns oft getroffen, aber meine Mutter wusste nicht, was wir machen. Wir hatten jeden Tag Sex, einmal die Woche.

Ja, es ist etwas schwierig in der Kneipe. Eigentlich überall, auch in Essen, Köln, Frankfurt usw., nicht nur in Dortmund. Und in drei Jahren bin ich zu alt für diesen Job. Dann wollen die Männer nicht mehr zu mir. So ist das. Wie war es für dich, als du deinen ersten Kunden hattest? Kannst du dich daran erinnern? Das ist schon lange her. Ich war eine Transe. –

--Azis Handy klingelt, er geht nicht ran.

Mit 10 habt ihr schon Sex gehabt? Wer war das? Ja, mit 10. Warum nicht? Das ist normal. Für mich gab es keine Probleme, keine Sorgen, kein Stress.

Keine Ahnung, keine Nummer. Kannst du erzählen, wie es das erste Mal in Hamburg war?

Wird Homosexualität in Bulgarien akzeptiert? Ich hatte in Plovdiv einen Kollegen kennengelernt, der schon in Hamburg gearbeitet hatte. Mit ihm bin ich dann nach Deutschland gekommen. Er sagte: Komm nach Dortmund, ich zeige dir was. Und dann hatte ich schon einen Mann gefunden,

Für meine Familie ist es ein Problem, dass ich schwul bin. Deswegen musste ich planen nach Deutschland zu kommen. Meine Eltern sind Türken. Wenn meine Eltern erfahren, dass

Es war gut. Die Leute waren gut, kein Stress und so. Ich habe als Transe gearbeitet. Aber als der Euro kam, hat er das Geschäft kaputt gemacht. Die Leute hatten kein Geld mehr und die Transen so keine Arbeit. Man konnte höchstens ein bis



zwei Mal in der Woche arbeiten. Sonst nicht. Dann wollte ich einen neuen Job. Sonst nichts. So ist das. Wie war es für dich, das erste Mal für/mit Sex zu arbeiten? Es war nicht schlimm. Es war Sex. Das spielt keine Rolle mehr. Der Mann will nur abspritzen, gibt dir dann Geld und „Tschüss“. So ist das.

Tripper gehabt und hat jetzt Angst. Ohne Kondom machen sie jetzt keinen Sex mehr. Dein Geld ist dann scheißegal. Wenn man krank ist, sind 40 Euro nicht genug. Eine Tablette kostet schon 30 Euro. Und zahlt dann der Mann die Tablette, oder wie? Nein. So ist das. Wissen die Jungs, die aus Bulgarien kommen, schon vorher, wo sie arbeiten werden? Ja, das wissen sie schon in Bulgarien, wo sie arbeiten werden.

Was wollen die Männer meistens?

Kannst du türkisch schreiben? Nein. Würdest du es gerne lernen? Ja, ich würde gerne deutsch lesen und schreiben können. Dann könnte ich mehr Jobs haben.Ich muss es wirklich lernen. Am besten wäre es, wenn ich zur Schule gehen würde, um dort mehr deutsch zu lernen.

Sind viele der Jungs schwul oder nicht? Die Männer wollen sehr junge Jungs haben. 19 ist schon zu alt. 18 ist schon zu alt. Sie wollen die neuen Jungs, die gerade nach Deutschland gekommen sind, haben. Sie wollen nur die Neuen. Die Alten wollen sie nicht. Und dann wollen sie eigentlich gar kein Geld geben. Sie sagen dann, du bist zu alt oder du bist nicht mein Typ. Sie wollen die Neuen nur einmal nehmen und dann nicht mehr. So sind die Männer... Sie wollen die Jungs „schwul machen“ und zahlen dann etwas mehr Geld, so 100, und wollen dann die Jungs ficken. Aber die Jungs wollen das nicht. Sie wollen 30-40 Euro haben. Sonst nichts. Die Männer in Deutschland sind alle schwul und alle ein bisschen krank. Keine Ahnung, warum, aber alle sind krank und so. Sind die Jungs krank oder die Männer? Die Männer sind krank. Ich will keine Stricherarbeit mehr. Ich will normale Arbeit.

Bist du in Bulgarien zur Schule gegangen? Nur wenige sind schwul. Ich habe einen bulgarischen Jungen kennengelernt, der auch schwul ist und er macht er seinen Job sehr gut. Er verdient sehr gutes Geld. Im Moment arbeitet er als Transe. Er verdient wirklich sehr gutes Geld. Wie ist es für die Jungs, die nicht schwul sind? Das ist schwierig. Die Männer wollen es schwul. Sie möchten Spaß haben, küssen, blasen usw. Und dann bezahlen sie. Hast du hier einen Freund? Ja, ich habe einen Freund. Schon seit sieben Jahren. Der „Italano“, der mal in die AIDS-Hilfe gekommen ist. Mit dem du gesprochen hast. Ein Alter. „Espanolo“. Das ist mein Freund. Schon seit sieben Jahren hilft er mir sehr viel und hilft mir immer weiter. Ist er dein Freund wie deine Familie oder ist er dein Partner?

Nein, bin ich nicht. Ich hatte kein Geld, um zur Schule zu gehen. Sie wollen Geld haben. Aber ich brauchte mein Geld um Kleidung usw. zu kaufen. Oder sollte ich klauen gehen? Hast du eine Vorstellung oder Wunsch, wo du in 10 oder 15 Jahren leben möchtest? Ich würde gerne mit einem deutschen Mann in Deutschland verheiratet sein, einen anderen Job suchen und nicht mehr in der Stricherkneipe arbeiten. Sonst nix. Ich könnte meinen spanischen Freund fragen, ob er heiraten will. Er weiß zwar noch nichts davon, aber ich kann ihn fragen. Ich weiß nicht, ob er wollen würde oder nicht. Ich werde ihn fragen und eine Frage ist nur eine Frage. Wie ist es eigentlich mit deinem Namen. Azis ist nicht dein richtiger Name, oder?

Gibt es Jungs, die keine Kondome benutzen? Ja. Viele haben keine Ahnung und ficken dann die Männer ohne Kondom. Einer dieser Männer hatte Tripper und mit drei Jungen ohne Gummi gefickt. Sie hatten dann auch Tripper. Der Mann hat ihnen etwas mehr Geld gegeben und gesagt, dass er kein Kondom benutzen will. Die Jungen haben den Mann dann ohne Kondom gefickt und der Mann hat ihnen mehr Geld gegeben. Sonst nix. Ich habe die Jungs dann gefragt, warum sie ohne Gummi ficken und dann gesagt, dass sie immer Kondome benutzen müssen. Man weiß nie, was der Mann hat, Tripper oder Syphilis oder was anderes. Ich sage ihnen dann, man muss immer Kondome nehmen, bei jedem Mann. Man muss immer mit Kondom Sex machen. Und sie sagen, ok und haben dann erstmal Angst. Ohne Kondom wollen sie dann nicht mehr ficken. Sie bekommen dann zwar etwas weniger Geld, aber benutzen auf jeden Fall Kondome. Du verteilst auch Kondome an die Jungs, oder? Ja, ich verteile immer mehr Kondome an die Jungs. Aber mit den Kondomen ist es etwas schwierig. Sie gehen oft kaputt. Und dann muss man ein neues nehmen. Die Kondome bekomme ich immer von der AIDS-Hilfe. Manchmal gehe ich auch zur AIDS-Hilfe, wenn einer der Jungs krank ist. Ich frage dann, zu welchem Arzt ich mit den Jungs gehen kann und bringe ihn dann dorthin. Sie wollen dann Tabletten. Haben aber kein Geld, um diese Tabletten zu kaufen. Manchmal kaufe ich ihnen dann Tabletten. Fühlst du dich verantwortlich für die Jungs? Du hilfst ihnen ja sehr viel. Du hast Kontakt zur AIDS-Hilfe und kannst viel organisieren. Ich helfe den Jungs immer sehr viel. Wenn sie gerade aus Bulgarien kommen, helfe ich ihnen und so. Sie sind in der Stricherkneipe und wissen nicht, was passiert. Sie haben Angst, mit zu den Männern nach Hause zu gehen. Aber ich sage ihnen, dass es kein Problem ist. Ich rede dann mit denn Männern. Sie nehmen die Jungs mit nach Hause und bringen sie danach sofort wieder zurück zur Stricherkneipe. Die Männer sagen oft zu den Jungs, fick mich ohne Kondom. Die Jungs sagen dann, bist du bescheuert. Die Männer wollen das nicht, haben den Jungs dann aber schon 50 Euro für eine Stunde gegeben. Die Jungs kommen dann zu mir und sagen, dass die Männer ohne Kondom ficken wollen. Ich sage ihnen dann, dass sie es ohne Kondom auf gar keinen Fall machen sollen. Einer hatte schon

Mein Partner. Aber mein Freund. Nicht (nur) Partner, sondern mein Freund. Wenn ich kein Geld mehr habe, dann gibt er mir etwas oder kauft mir Zigaretten, Essen, Trinken usw. Er gibt mir dann was. Wenn ich krank bin, kauft er mit Tabletten. Mein Freund ist sehr, sehr nett, mein Freund. Auch Sex? Oder kein Sex? Früher hatten wir Sex, ein- bis zweimal die Woche. Heute ist er zu alt. Und Sex ist nicht alles. Man hat Sex, fünf Minuten oder eine Minute, und dann „Tschüss“, der Mann geht dann nach Hause. Und dann kommt der nächste Mann. Sex ist nicht alles. Was gibt es Schönes in Dortmund? Was ist mit den Jungs schön? Ist deine Arbeit manchmal auch schön? Manchmal ist meine Arbeit schön, manchmal nicht. Für die Jungs ist es auch schwierig in Deutschland, denn sie verstehen kein Deutsch. Sie verstehen kein Wort. Deswegen helfe ich ihnen. Ich helfe ihnen in der Stricherkneipe, damit sie mehr Geld verdienen können. Ich helfe ihnen, wenn sie krank sind. Egal was ist, ich helfe ihnen immer. Für mich ist das nicht schlimm. Ich helfe ihnen, da sie kein deutsch verstehen. Wenn sie mit einem Mann mitgehen, sagen sie mir immer Bescheid. Sie reden mit mir türkisch und ich übersetze es dem Typen auf deutsch. Dann gehen sie auf Tour und kommen nach einer Stunde wieder, nehmen etwas Geld, was zu Trinken und Zigaretten. Sonst nichts. Es ist schwierig hier für die Jungs, sehr, sehr schwierig. Wenn sie kein deutsch sprechen, dann ist es ganz schwierig in Deutschland. Für mich ist es nicht schwierig. Ich spreche sehr gut deutsch. Für mich ist das kein Problem. Aber die anderen Jungs verstehen kein deutsch. Wäre es nicht gut, wenn sie einen Deutsch-Kurs besuchen würden? Es wäre besser, wenn sie einen Deutsch-Kurs machen würden, aber sie haben kein Geld dafür. Es wäre gut, wenn sie in die Schule gehen und deutsch schreiben und lesen lernen würden. Aber die Schulen wollen ja immer Geld haben. Kannst du lesen und schreiben? Nein, ich auch nicht. Ich kann kein deutsch lesen und kein deutsch schreiben.

Doch, das ist mein Name, Azis. Deine Freunde nennen dich „Mony“. Mony ist mein Spitzname. Als ich ein Kind war, gab es in Bulgarien eine Lebensmittel-Firma die Mony hieß. Die Leute der Firma haben mich damals immer Mony-Mony genannt. Das ist nur Spaß. Sonst nix. Geben sich die Jungs, die hierher kommen, manchmal andere Namen? Ja, wenn die Jungs hierher kommen, geben sie sich für die Arbeit einen neuen Namen. Sie wollen ihren richtigen Namen nicht nennen. Das ist zu privat. Was ist für dich privat? Wo ist für dich die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben? Hmm, was ist für mich privat? Für mich ist Privates egal. Das spielt keine Rolle mehr. Gibt es für dich kein Privatleben mehr? Nein. Ich habe keine Grenzen. Ich will einfach nur Geld. War es für dich früher auch schon so? Ja, das war früher auch schon so. Ich kenne die Männer mittlerweile sehr gut, ich kenne ganz junge und ganz alte. Die Männer wollen keine Kondome benutzen. Sie sagen es ist besser so. Aber das mache ich nicht. Ich mache es nie ohne Kondome. Auch wenn du mir 100 Euro oder sogar 500 Euro geben würdest, würde ich es nicht ohne Kondom machen. Das ist meine Grenze. Hattest du eine Bezugsperson als du nach Deutschland kamst, jemand der dir geholfen hat? Ja, ich hatte meinen Kollegen, der mir geholfen hat. Er war mit einem Deutschen verheiratet, aber sein Mann war schon verstorben. Er war schon sehr alt. Mein Kollege hatte mich in Hamburg abgeholt und dann habe ich begonnen als Transe zu arbeiten.



Was ist für dich wichtiger: Viel Geld zu haben oder einen anderen Job? Ich möchte erstmal einen anderen Job und „normales“ Geld verdienen. Genug, um mein Leben in Deutschland zu bezahlen. Ich möchte auf gar keinen Fall Schulden haben. Irgendwann hätte ich gerne ein schönes Haus. Und wo würdest du gerne leben?

Was möchtest du abschließend sagen? Deutschland müsste den Jungs mehr helfen. Sie bräuchten Papiere, um auch andere Jobs ausüben zu können. Sie wollen nicht in der Stricherkneipe arbeiten. Wenn sie nach Deutschland kommen, haben sie meistens keine Ahnung, wohin sie gehen müssen, wenn sie Hilfe benötigen. Sie schlafen zum Teil draußen im Park oder im Bahnhof, da sie kein Geld haben. Das Sozialamt müsste mehr Hilfe anbieten. Ja, Deutschland müsste mehr helfen. Bulgarien gehört ja auch zur EU.

Am liebsten würde ich in Dortmund bleiben. Azis, vielen Dank für das Gespräch. Was ist für dich eigentlich Liebe? Ach ja, jetzt eine Zigarette... Liebe... Ich liebe meinen Freund, sonst nichts. Was ist für dich der Unterschied zwischen Sex und Liebe? Sex spielt für mich keine Rolle mehr. Man ist fünf Minuten im Bett und dann „Tschüss“. Das ist Sex. Ich liebe diese Männer ja nicht. Die Männer wollen auch keine Liebe. Sie wollen Sex, etwas Spaß haben, in der Toilette oder im Kino, bezahlen und dann wieder gehen. So ist das. Sind die meisten Kunden offen schwul oder sind viele mit Frauen verheiratet? Die meisten Männer sind schwul. Müsst ihr von dem Geld, das ihr verdient, etwas an jemanden abgeben? Nein, das ist alles für mich. Das ist mein Job. Trinken die Jungs viel Alkohol? Ja, sie trinken sehr viel. Die Männer bestellen für sie. Und Drogen? Nein. Keine Drogen. Was ist für dich ein guter Tag? Freitag und Samstag sind für mich die besten Tage. Man geht feiern usw. Das ist doch in ganz Deutschland so. Was ist für dich schön im Leben? Schön wäre es, eine richtige Arbeit zu haben und nicht mehr in die Stricherkneipe zu gehen und alte Männer zu „ficken“. Ich hätte gerne einen guten Job, ein schönes Haus, genug Geld um telefonieren zu können und auch etwas nach Bulgarien zu meinen Eltern zu schicken.

Wie alt sind eigentlich die Jungs? Zwischen 18 und 22 Jahren. Und wie alt sind die Kunden? 70, 80, 50, 40... Die Männer lieben es, schöne Jungs mit einem schönen Körper zu haben. Das wollen alle. Ist es für dich egal, wie alt die Kunden sind? Für mich ist es egal. Ich will ja nur ihr Geld. Das Alter ist mir egal. Egal ob 100 oder 200... Das spielt keine Rolle mehr. Was ist für dich ein guter Mensch? Was ein guter Mensch ist? Keine Ahnung... Gibt es überhaupt gute Menschen? Nein. Naja, vielleicht ein paar, aber nur sehr wenige. Die meisten lieben nur dein Geld, sonst nichts.





Vielen Dank

Für ihr Vertrauen und die Zeit: Azis und seine Jungs, Christian Hölbing Für die Betreuung meines Projekts, ihre Geduld und Inspiration: Prof. Susanne Brügger, Prof. Gerald Koeniger Kai Jünemann, Piet Wessing, Dietrich Halemeyer, Prof. Cindy Gates, Luis Camnitzer Maria Eugenia Centellas Pacheco-Rühling, Andreas Rühling, Albert Rühling Jens Lambrecht Christian Kuhn, Malte Wandel, Benjamin Bischof, Peter Hübert, Martin Stanke, Hara, Olga Kessler, Andrii, Jennifer Braun, Julia Reschucha, Caroline Seidel, Karolina Doleviczenyi, Marcel Wurm, Martin Scherag, Johannes Pfahler, Anna-Maria Thomas, Christina Apel, Dörte Apel und viele andere Freunde, die mir geholfen und mich in dieser Zeit unterstützt und inspiriert haben FH Dortmund Fotowerkstatt der FH Dortmund AIDS-Hilfe Dortmund


Alle Bilder sind in Dortmund und Umgebung entstanden © 2010 Rosa Maria Rühling für die Fotografien Konzept, Fotografie, Gestaltung, Text: Rosa Maria Rühling Alle Zitate stammen aus dem Interviewaussagen von Azis Fotografien Seite 127-1: Azis, Osi, Halil Fotografie Seite 30,31: Christian Hölbing Druck : Vario GmbH, Dortmund Bindung: Buchbinderei Tewes, Dortmund Rosa Maria Rühling Kirchstr. 15, 37242 Bad Sooden-Allendorf rosa.ruehling@gmx.de www.rosaruehling.com






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