Gedichte

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Gereimtes und Ungereimtes von Monika Clavien


Alles für die Katz Am Morgen kommt die Katz zu mir, Sie weckt mich auf, springt aufs Klavier. Dann setzt sie sich neben mich aufs Bett Und guckt, als ob sie Hunger hätt’. Sie macht sich breit auf meinem Bein, Manchmal beisst sie auch hinein. Dazu hören wir klassische Musik, Die Katze hält das für’n faulen Trick. Doch mit grösster Gelassenheit Dösen wir und geniessen die Zeit. Und jetzt raus aus dem Bett mit einem Satz, All mein Tun heut’ ist für die Katz.

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Das Bubenbergdenkmal Auf dem Kopf vom Bubenberg Sitzt ein freches T채ubchen. Denkt sich, diesem Gartenzwerg Fehlt ein schickes H채ubchen. Auch ein bisschen Farbe noch Mag der Kerl vertragen. Weiss und Gr체n ist doch kein Kitsch Und macht voll Behagen Einen flotten weissen Plitsch Auf des Feldherrn Kragen.

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Das versp채tete Wunder Es gibt mitunter Ein versp채tetes Wunder. Blut wird fl체ssig nach sechshundert Jahren, So was kann man aus der Zeitung erfahren. Wach auf mein Freund! Die Zeit verrinnt im Nu. Mein versp채tetes Wunder bist du!

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Der Bär im Fenster Bei Loeb sass jüngst ein Bär im Fenster, Die Grossen wussten, dass es keiner war, Doch unsre Kinder glauben an Gespenster. Es liegt dem Menschen, sich zu amüsieren, Indem er andere zum Narren hält. Komm Kind, du kannst ihn gern berühren, Er ist es nicht, der dich einst überfällt. Wir lieben es, die Dinge zu verkehren. Die Zeit der wilden Tiere ist vorbei. Wer muss sich heut schon gegen Bären wehren? Jedoch das Ungeheuer Mensch ist frei.

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Der Baum hinter dem Studentenheim Du hoher Baum stehst Tag und Nacht im Winde, Hast viele Wunden schon in deiner Rinde, Und keiner ist mehr da, der dich verbinde. Armer Baum! Dein grüner Mantel fiel herab zur Erde, Dass er zu fruchtbar gutem Staube werde, Für dich, für deine kommende Beschwerde. Du hoher Baum! Es geht vorbei und du wirst bald gesunden, Denn in den Frühlings ersten Sonnenstunden Hat dich ein neuer Mantel schon verbunden. Glücklicher Baum!

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Der Rabe Der Rabe auf dem Baum vorm Fenster Sitzt da als s채he er Gespenster. Als ich erscheine, fliegt er weg Mit einem Schreck. So geht es manchen, die da sitzen, Bis sie vor Schreck wegfliegen m체ssen!

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Der Schleim Der Schleim in meinem Hals, Der ist wie Leim. Er geht nicht weg, Auch nicht mit B채rendreck. Ich denk daheim Versuch ich es mit Schmalz, Das streich ich auf den Hals, Dann wirkt es ein. Doch besser ich trink Wein!

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Die Fledermaus Die Fledermaus im Gotteshaus, Das ist doch gar nicht neu. Schon immer flog sie eine und aus, Blieb ihrer Kirche treu. Und Mauersegler, Wanderfalken Gesellen sich hinzu. Dort oben in den alten Balken Haben sie ihre Ruh. Wenn sie aus S端den angekommen sind Vom langen Flug zur端ck, In ihren Fl端geln noch den Wind, Folgt hier Familiengl端ck.

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Die kleine Ährenleserin Weißt du noch wie der Sommer roch Als wir einst Kinder waren? Nach Pflaumen, Phlox und Sauerkirsch Und Kletten in den Haaren. Die frechen Buben warfen sie In unsere Mädchenzöpfe. Wir litten und wir fühlten uns Und liebten diese Tröpfe. Vorbei zog dann der Sommerwind Durchs Heu der Blumenwiesen, Und auf dem Friedhof musst’ ich Kind Die alten Gräber giessen. Am Rhein roch es nach feuchtem Grün, Nach Wassertümpeln und Morast. Vor Schnacken – Mücken musst’ ich fliehn Und sah die kleinen Vogelin Auf dem besagten Ast. Die Pappeln raschelten ihr Lied. Es roch nach altem bittrem Ton. Von weitem man den Kirchturm sieht, Die Glocken läuten schon Den Abend ein im flachen Land am Alten Rhein. Da leuchtet noch ein Stoppelfeld, Das reicht bis an das End’ der Welt. Und oft im Traume geht sie hin Die kleine Ährenleserin. 10


Drei Pillen Jeden Morgen nehm’ ich drei Pillen, Um meinen Lebenshunger zu stillen. Die Blaue, das ist des Himmels Bläue. Sie macht, dass ich mich über jeden Dreck freue. Die Rote, die Rose der Liebesbote, Sie streichelt mich mit samtweicher Pfote. Die Gelbe, sie macht, dass alles glänze, Die Luft mit Musik füllt für fröhliche Tänze. Doch wenn die drei Farben In meinem Magen Sich dann vermischen Und ich muss sie vertragen, Dann kommt meist etwas Buntes, Doch manchmal, o Graus! Ein katzeneselsgraues Geschmier heraus! So ist das Leben eben. Denn auch die grauen Tage Sind ohne Frage Von Gott gegeben.

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Efeu Efeu wächst in meinem Garten, Efeu ist ein alter Freund, Efeu wird einst auf mich warten, Wenn der Himmel mich beweint. Efeu wuchs in Kindertagen Rund um unser Märchenschloss. Efeukränz’ die Dichter tragen Und der Prinz kann hoch zu Ross. Efeublätter gleichen Herzen Rankten sich durch alle Zeit, Sahen Freuden, sahen Schmerzen, Efeu heisst Unsterblichkeit.

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Ein goldener Tag Da fängt wieder so ein goldener Tag an, Beginnt ein Robert Gernhardt Gedicht. Diese Zeile zog mich gar sehr an, Doch weiter las ich nicht. Da liegt meine Katz an der Sonne Auf dem Küchentisch quer hingestreckt, Sie lächelt im Schlaf vor Wonne Und hat das Küchenrezept verdeckt. Von Butterblumen ein Sträusslein, Das Aline mir gestern gebracht, Vergoldet heute mein Häuslein Und macht, dass es in mir lacht.

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Ein schöner Tag Ein schöner Tag war heut’. Ein Tag, den man vergisst. Und nun bin ich auch müd’, So, wie man’s abends ist. Die Sonne lachte nicht. Der Wind zog kalt durchs Land, Doch lachte ein Gesicht, Es wärmte eine Hand. Ein Tag voll Kleinigkeit, Von unwichtigen Reden, Und doch von Freude weit, Und richtig voller Leben. Die Stunden sind zerstreut. Mach die um Ungetanes keine Sorgen! Ein schöner Tag war heut’, Ein schöner Tag ist morgen!

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F端r Helga Ist die Brille mal verschmutzt, Scheint das Leben grau, es dunkelt. Aber wird sie dann geputzt, Strahlt es wieder hell und funkelt. So ist es noch mit vielen Sachen, Und was wir auch im Leben machen, Darin besteht der Unterschied, Durch welche Brille man was sieht. Drum schenk ich dir anstatt ein Buch Ein nagelneues Brillentuch.

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Hausfrauengedanken Morgens beim Bettenmachen Fliegen mit den süssen kleinen Milben Zum Fenster hinaus meine Gedanken. Und dann ranken Die flüchtigen Silben Um die Zweige Und halten sich fest Im grünen Laub, Das die Vögel durchschlüpfen, Durchhüpfen Und fliegen mit pfiffigen Melodien Über den Friedhof Und den Staub.

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Nichtstun Ich sitze da und schaue vor mich hin. Frage nicht nach des Lebens Sinn. Blaue Winden leuchten an der Wand. Die Kreuzspinne hat ihr Netz gespannt. Vögel zwitschern sich Nachrichten zu, Im Kopf hämmert ein Schmerz und gibt keine Ruh. Geranien blühen und Erika schön, Meine gelben Astern solltet ihr sehn. Die Katze liegt ausgestreckt auf dem Tisch, Es geht ihr gut, denn sie frass heute Fisch. Ich wollte schon gestern einen Knopf annähen Und endlich mal wieder spazieren gehn. Doch ich sitz da und schau vor mich hin Und frag mich, ob ich das wirklich bin.

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Kriegsende 1945 Erinnerung an den achten Mai Mia, meine Freundin, wir waren dabei, Unsere Väter nicht. Sie lagen begraben weit weg in fremdem Land, Gefallen, verblutet, verbrannt. Unsere Mütter, Junge Frauen schwarz gekleidet, Traurig und bitter. Kriegerwitwen kämpften mit Fragebogen um Rente. Wir kleinen Mädchen von sechs Jahren Haben erst viel später die ganze Tragik erfahren. Wir kleinen Mädchen spielten Fröhliche Kreisspiele am Kriegsende. Singend gaben wir uns die Hände. Du Christa und Ursel, Flüchtlingskinder Wart bei uns angekommen. Euch hatte man den Vater Und das Zuhause genommen. Renate, deinen Vater hatten die Amis aufgehängt, Weil er Arzt war und Nazi. Nie hast du über ihn gesprochen. Nur in der Schule fragte der Lehrer: Name, Beruf des Vaters … Gefallen in den letzten Tagen des Krieges in Berlin. Von da an warst du, Marianne Mit der alten Tante und der schwachen Mutter Auf dem eigenen Hof ausgeliefert Dem brutalen Knecht. Leni, auch du allein mit Mutter, Bruder, Dem Grossvater und einem Pferd, Um das Feld zu bestellen. 18


Ursula, allein beim Grossvater, Die Mutter im Lager zur Entnazifizierung. Karin hatte ihren Vater nie gesehen, so auch Sigrid und Mechthild, wie glücklich wart ihr Einen neuen Vater zu haben. Doch es war nicht der Richtige, Die Ehe der Tante ging in die Brüche. Wie hätte auch dieser zweite Vom Krieg gezeichnete Mann Den Vergleich mit dem ersten kurzen Glück Standhalten können? Helga, auch du hast einen Stiefvater bekommen. Neugierig standen wir am Kirchentor. Als deine Mutter im schwarzen Brautkleid Aus der Kirche trat, rannten wir davon. Wir kleinen Mädchen Spielten fröhliche Kreisspiele am Kriegsende, Singend gaben wir uns die Hände.

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Regentag Der Regen macht die Erde nass, Er füllt das grosse Regenfass. Das Tropfen will nicht enden. Grau ist der Himmel, grau das Gras, Grau rinnt’s aus meinen Händen. Was dir im Leben anvertraut, Was du geliebt hast und geschaut, War doch ein buntes Treiben. Bunt deine Freunde, bunt dein Haus, Bunt wird’s nicht lang mehr bleiben. Doch wenn der Regen fällt aufs Feld, Das einen Schatz verborgen hält, Wird Leben reich aufgehen. Und zwischen Mohn und grünem Klee Wirst du mit auferstehen.

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Todesnachricht Die Kinder haben mir Butterblumen gepfl端ckt. Sie leuchten nun golden auf meinem Tisch. Sie haben mich in die Kindheit entr端ckt. Wie ist sie noch so frisch. Margariten, wir nehmen euch heim, Die Arme voller Sterne. Gl端cklich, doch der traurige Reim Des Lebens bricht aus der Ferne. Unvergessen der Tag (im Juni 1944) An dem das Weinen die Sterne zerbrach. Immer wieder erbl端hen zu Erinnern die Lieben. Du gehst ihnen in Gedanken nach Und fragst: Wo seid ihr geblieben?

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Trennung Trennung ist längst geschehen, Ich hab dich lang nicht gesehen, Hab nichts von dir gehört, Was mein Herz beschwert. Übung macht den Meister, Der weckt die guten Geister, Und glücklich nur zum Scheine Bleib ich alleine. In die Ecke Besen, Besen! Ich will lesen, Ich will malen, schreiben, dichten Und auf dich verzichten!

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Vögel im Florapark Amselmann sitzt auf dem Fensterbrett, Reckt den Hals, pickt Flöckchen auf und Fett. Ist er weg, so landet kurz der Kleiber, Nimmt den Schnabel voll für seine Weiber, Will ich doch sehr hoffen. Jetzt sind grad die Meisen eingetroffen: Blau- und Kohl- und Schwanz- und Sumpf-. Sonnenblumenkerne sind bei ihnen Trumpf. Und was singen da die jungen Finken, Die, so weiss der Dichter, Melodien trinken. Zwitschern frech hinüber zu den Ammern, Die sich an die letzten Körnlein klammern, Und erst weichen, wenn der Kirschkernbeisser Anfliegt, dieser Possenreisser. Nur ein winziges Hähnchen, ganz ungewollt, Zaubert auf mein Fensterbrett Wintergold.

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Zum 27. April 1939 Ich kam als Glück und Sonnenschein In diese bunte Welt hinein. Der Birnbaum stand in Blüte. Die Mutter und der Vater mein Waren voll Lieb und Güte. Auch Mia kam als Sonnenschein Noch vor mir in die Welt hinein Bei Schneeglöckchengeläute, Auch sie der Eltern Freude. Noch Frieden schien im deutschen Land Und mir das Leben unbekannt. Angst war in allen Herzen. Doch wer an meinem Bettchen stand, Konnt’ mit mir lachen, scherzen. Dann brach der Krieg in meine Welt. Der Vater zog hinaus ins Feld. Abschied mussten wir nehmen. Sie hat es später mir erzählt, Die Mutter unter Tränen. Die Väter kehrten nicht zurück. Weg war die Hoffnung, aus das Glück. Wer kann den Schmerz ermessen? Aus Frauenherzen riss ein Stück, Ward nimmermehr vergessen.

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Zypern Erste Begegnung mit Eukalyptus, Olivenbäumen und südlichem Wind. Wie blüht Oleander so prächtig Und purpurn der wohlgestalte Hibiskus. Wie duften Salbei, Rosmarin ja und Lorbeer Zerdrückt in meiner Hand. Orangen glänzen im Laub, Wein rankt und Bougainvillea quillt vor dem niedrigen Haus. Über Geländer und Dach, Ein weiches Kissen von zarten Fingern Violett seiden bestickt. Wie lächeln die silbernen Wellen des ruhigen Meeres, Wo auf der unendlichen Fläche Der Himmel in weiten Augen versinkt. Wie frei wird die Seele und still vor Ehrfurcht Und dankt dem allmächtigen Schöpfer, Dass sie dies alles geseh’n.

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Für meine kleine Nachbarin Aline zum zwölften Geburtstag Ich wünsche mir ein Enkelkind So gross wie du, Aline. Ich wünsche mir ein Enkelkind So fleissig wie ne Biene. Ich wünsche mir ein Enkelkind So schön und so gut Wie die Aline, die so viel tut. Sie kann malen und kochen und backen und räumen Und trottinettlen und klettern in Bäumen. Sie hat heut ihr Geburtstagsfest, Da wünsch ich ihr das Allerbest: Dass wir noch lange zusammenbleiben, Uns sehen und mögen und Postkarten schreiben. Zwölf Jahre bist du nun im Leben. Gott mög’ dir noch viel mal zwölf Jahre geben, Dass er dich auf deinem Weg behüte Mit seiner Liebe und seiner Güte.

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Aufwachen „Bitterlich ist das Versäumen“ Sagt Ingeborg Bachmann. Ich erwache aus meinen Träumen Und rufe mein Kind an. „Früher hatte ich eine Familie“ Sagt die Frau an der Kasse im Supermarkt, „Jetzt bin ich allein und Mir reicht ein halbes Päckchen Reis Für ein feines Risotto.“ Alte Mama, hör auf zu träumen! „Bitterlich ist das Versäumen.“

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Das Schneemännlein Ich hab’ mir ein Schneemännlein gemacht, Das sitzt nun im Blumenkasten und lacht. Es ist ganz weiss, ganz gratis und klein. Ein Plastikblumentöpfchen Setzt ich ihm auf sein Köpfchen. Was mal mein Künstlerpinsel gewesen, Ist jetzt sein Besen. Äuglein aus Perlen von Hydrokultur Wachen nur! Ja, der kleine Mann Sieht mich freundlich an. Sein Karottennäschen vereist, Und er ist kein bisschen vergreist. Gleich kommt die Sonne Und er verreist.

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Das Zebraspinnchen Die kleine Zebraspinne Träumt nur von süsser Minne. Wo ist der Spinnenmann, Der mich lieben kann? Sucht’ ihn in Afrika Bei einem Zebra gar? Spürt ihn bei Löwen auf, Flieht er im Dauerlauf Zurück ins Heimatland, Wo seine Wiege stand. Und falls ich hier schön spinne, Die Liebe gewinne.

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Der Dickmaulrüssler Im Gartenheft hab ich neue Vokabeln gelesen: Rüsslern, entlarven und enteiern. Tut da ein Blumenfreund Aber nicht mit dem Besen, Sondern mit einer breiten Zange Macht er den Dickmaulrüssler bange; Denn dieser schlimme Kriminelle Ist nur im Dunkel der Nacht zur Stelle. So labt er sich eines Nachts ungesehen An meinen heiligen Orchideen. Am Morgen sah ich eine Blüte zerrissen, Ein kreisrundes Loch herausgebissen. Doch vom Übeltäter keine Spur. Ein Fall für die Kripo, na warte nur! Observieren war nun angesagt, Bis der graue Morgen tagt. Doch schon so gegen Mitternacht Wird der Verbrecher dingfest gemacht. Und nach kurzem Prozess Mit harter Hand Zerklatscht mit einem Buch an der Wand.

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Die Froschinsel Auf der Froschinsel im katzenfreien Gebiet Sitzen die glücklichen Frösche Und quaken ihr Lied. Zwischen den Unterwasserpflanzen Können die Frösche sogar tanzen. Und Leichtsinn ist nicht verboten, Denn die Katze mag keine nassen Pfoten. Auf der Gartenbank Sitzt ein Korbblütler Und denkt: Gott sei Dank Ist keiner hier Ausser mir!

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Die Hausfrau Die Hausfrau hat keine Zeit zum Dichten, Muss so viel dumme Arbeit verrichten. Durch das staubige Fenster im Treppenhaus Sieht man nur noch mit Mühe hinaus. Beim Bettenmachen, mit Leintüchern winken, Im Bad beginnt schon etwas zu stinken. Und das ewig dreckige Geschirr. Auch das Katzenpissoir Riecht bald wieder wunderbar. Der unnütz saubre Küchenboden Ist passabel jetzt für Katzenpfoten. Sie will Kuchen backen, Haare färben, Da geht eine schöne Tasse in Scherben. Die Blumen hängen schon die Köpfe, Jetzt muss auch noch etwas in die Töpfe. So kocht sie schliesslich ein Gericht, Und das ist wirklich ein Gedicht.

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Die Operation Wieder einmal bin ich dem Tod Von der Schippe gesprungen. Vorbei ist die Not, Heut hab ich drei Halleluja gesungen. Wie lange werde ich solche Sprßche noch wagen? In wie vielen Tagen Wird er mich kassieren, Werd ich mein Leben verlieren? Doch wer es verliert, Der wird es gewinnen. So steht es im Buch der Bßcher geschrieben. Noch nie ist jemand hier geblieben. Was auch passiert, Immer ist’s neues Beginnen.

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Drama Die Fliegenspinne War im Spitalzimmer drinne. Surrte wie wild umher, Fand kein Meer, Fand kein bisschen Natur, Eine Waschsch체ssel nur. Worin die arme Beschr채nkte Sich kurzerhand ertr채nkte.

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Ein blaues Gedicht Blauer Himmel Blaue Berge Blaues Wasser in dem See Blaue Tannen Blaue Kannen Blaumeislein schwingt sich in die Höh’. Blaue Luft und Blaue Weite Wunderbares blaues Licht Blaue Bänder Blaue Länder Blaues Blümlein Vergissmeinnicht.

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Ende der Reise Ich hab mal wieder eine Reise gemacht, Hab Freunde besucht, geschwatzt und gelacht. Hab erlebt, wie das Leben weiterzieht, Was mit uns im Laufe der Zeit geschieht. In deinen Augen hab ich Tr채nen gesehen Und die Frage: Wie wird es weitergehen? Und die Angst vor dem Ende ganz allein, Wie blad wird es sein?

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Erinnerung Weißt du noch wie mein Stollen riecht? Das fragt ich dich am Telefon. Den Duft, der durch die Wohnung kriecht, Entbehrst du manches Jahr nun schon. Ein Duft, der bleibt ein Duft, der schwebt. Zimt, Weihrauch Muskatbaum, Der uns auf eine Wolke hebt In frohem Kindertraum. Da glänzt das Eis, da fällt der Schnee So weich und dicht. Du fragst mich, ob ich das noch weiss. Weißt du’s denn nicht? Da kommt ein Kind, die Tür geht auf, Es hüpft und singt und lacht und spricht. So froh beginnt ein Lebenslauf, Das Kind bringt Licht. Die Zeit, sie läuft nun Jahr um Jahr, Sie gibt viel Schönes her. Auch manches, das sehr traurig war. Vergessen liegt’s in Sand und Meer Wie ein Gedicht. Du fragst mich, ob ich das noch weiss. Weißt du’s denn nicht?

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Fussballweltmeisterschaft 2006 Das Verseschmieden, Das ist hienieden Ein wunderbares Instrument, Das man viel zu wenig kennt. Man kann beim Versemachen Weinen und auch lachen, Bis die Milch anbrennt. Mit Blutwurst aus der Dose Kann man in Trainingshose Auf seinem Sofa liegen, Die Muskeln nicht verbiegen. Schön wär’s, wenn die Franzosen Heut Abend könnten siegen! P.S. Das haben sie aber nicht.

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Mein Kohl In meinem Blumenkistchen, ungelogen, Zur Strasse hin, da ist mir wohl Als Sämlein zugeflogen Ein dicker fetter Kohl. Da sitzt er nun neben Tageten, Ich tränke ihn, wie es ihm passt. Den Verkehr, den frühen und späten Er in seine Kohläuglein fasst. Er schaut ohne Schwindel hinunter, Und ich hab keine Angst, dass er kotzt. Stets gut gelaunt und munter Wird er dicker und fetter und glotzt. Da plötzlich beginnt er zu schiessen, Doch so friedlich, dass niemand was hört. Und seine gelben Blümlein, die grüssen Mich nun hoch liebenswert.

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Meine Jahre – meine Tage Am Montag geh ich in den Chor. Da ist nicht die wichtigste Sache davor! Am Dienstag geh ich manchmal mit Florence spazieren, Muss aber schnell vorher telefonieren. Am Mittwoch wasch ich und verputze die Zeit Und tu mir dabei ordentlich Leid. Am Donnerstag steh ich meinen Mann, Schlepp an Einkäufen heim, was ich nur kann. Am Freitag gibt’s Fisch und liebe Gäste. Da koch, brat und back ich das Allerbeste. Am Samstag frühstückt Andreas bei mir, Und wir lachen viel über mein Katzentier. Am Sonntag ist dann der Tag des Herrn, Es ist immer was los, und ich mach’ alles gern. – Jetzt fängt die Woch’ wieder von vorne an, Am Montag morgen verlässt mich der Mann. Am Dienstag, alle vier Wochen nur, Geh ich auf eine Wandertour. Am Mittwoch treff’ ich oft liebe Leute, Deutsch- und Klavierstund’ machen viel Freude Am Donnerstag sitz ich allein vor der Glotze Und bis spät in die Nacht find ich’s oft zu Kotze! Am Freitag hat das Leben wieder Sinn Für Simbi und Andreas stell ich Tellerchen hin. Am Samstag fahr ich mit dem Postauto über Land, Am Abend hat Andreas wieder die Steuerung in der Hand. Am Sonntag fahren wir mal nach Saas-Fee Zum Wellnessen in den Walliser Schnee. -

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Philosophie Vogelscheuchig geh ich auf die Gasse, Stelle meinen Abfallsack hinaus ins Nasse, Seh’ beim Bettenschütteln was die Bäume machen, Muss über all die bunten Blätter auf dem Boden lachen. Vogelscheuchig will ich gleich probieren Über Werden und Vergehn zu philosophieren. Wo sind Wahrheit, Liebe, Zweck und Sinn? Woher weiss ich, was ich will und bin? Ja, die grosse Frage ist das Sein – Seiend stopfe ich, was kommt, hinein, Rühre um und schüttle alles gut! Nicht das Nichts zerstört mir meinen Mut. Und bei dem Gedanken wird mir wohl und wehe, Weiss ich denn woher ich komm, wohin ich gehe? Dass ich dennoch heiter jeden Tag belache, Ist mein Glück und philosophisch meine ganz private Sache.

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Spinnentanz Die Lachsspinne Sitzt auf der Dachrinne Und denkt: Warum hab ich mir bloss Die Galle verrenkt? Die Bergspinne Klettert auf die Turmzinne. Es ist Morgen, Sie hat keine Sorgen. Sie guckt in die Runde Und denkt: Ich schlaf noch ne Stunde. Die Talspinne überlegt, wo sie anpinne. Es ist Mittag, Glück am dritten Tag. Hier ist ein Ast und dort ein Telegraphenmast. Den klettert sie hinauf, Setzt sich obendrauf Und fühlt sich wie die Bergspinne Auf der Turmzinne. Sie wartet bis zum Abend, Was erquickend ist und labend. Da fängt sie mit einem schlauen Trick Sich eine dicke, fette Mück!

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Verwandlung Ich hab meine K端chenfensterbank Butterblumengelb gestrichen. Sie sah so blass aus und verblichen. Man meinte, sie w辰re krank. Sie ist in ein neues Kleid nun geh端llt, Strahlt Leben aus und Wonne, Selbst an Regentagen als Sonne! Jetzt ist ihr Dasein erf端llt.

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Winterzeit Wieder weich gepolstert sind die Gartenstühle, Eichhörnchen versteht die Welt nicht mehr. Wo kommt jetzt, wenn ich schon Frühling fühle, All das kalte weisse Zeug nur her? Ach, wie macht das müde und besinnlich In den Winterwald hinauszuschaun. Tragen nicht die Vöglein Hoffnung in sich? Wann beginnen sie mir zu vertraun? Wenn der Schnee auch leise rieselt Und das Grüne nur im Innern blüht, Brau ich, eh es weiter in mir krieselt, Einen feinen Glühwein fürs Gemüt.

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Amyotrophe Lateral Sklerose Als sie noch ein kleines Mädchen war, Lebte sie unbeschwert mit der Mama beim Opa. SchÜn war es da. Als sie erwachsen war, Liebte sie Mann und Kind, Arbeit und Geselligkeit galten ihr viel. Schnell eilte die Zeit. Als sie erkrankte und die Muskeln erstarben, Lernte sie eine grausame Krankheit kennen, Schreckliche Diagnose: ALS. P.S. Sie widerstand ihr drei Jahre.

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Australien, Februar - März 2006 (Im Bus durch den fünften Kontinent) Das Land ist grün, Die Wolken ziehn, Frangipanibäume blühn. Der Koala hat seine Ruh’, Kein Känguru schaut uns zu. Und vielleicht hinter einem grossen Blatt Schläft ein Wombat – nudelsatt!

Das Zebu Das Zebu ist ein schönes Rind. Und hat’s ein Kind, Dann ist’s ne Kuh Und reimt sich auch auf Känguru.

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Das Eichhörnchen Denkt euch, ich hab das Eichhörnchen gesehn. Es kam aus dem Walde Mit dem Mützchen voll Schnee Und rot gefrorenem Näschen. Ich sah es nur husch durch die Zweige gehen Und dachte bei mir: Wie balde Hat es keine Angst vor dem tiefen See? Ich bleibe bei meinem Gläschen.

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Die älteren Katzen Wenn die Katzen älter werden, Geht es ihnen wie den Pferden. Diese mögen nicht mehr ziehn, Jene legen sich nur hin, Lecken sich und schlafen ein, Wollen nicht alleine sein. Gibt der Mensch ihnen das Fressen, Warten sie auf Delikatessen. Und sind diese nicht zu haben, Wenden sich die alten Knaben Ab und klagen mit Geschrei: „Früher war mehr Maus dabei!“

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Die Zeit ist um Ich habe die Blumen zur端ckgelassen Am Grab, ich reise. Sie werden verwelken und verblassen Ganz leise. In nassen Augen verschwimmen Erde und Meer. Weit ferne. Das Glas mit dem Sand ist nun leer. Fort leuchten die Sterne, Obwohl sie vergangen sind. Fang sie, du Kind!

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Erinnerung an Theodor Storm Eines Tages ging Storm zum Strand. Er schaute zurßck auf sein flaches Land. Er schaute nach vorn auf sein graues Meer Und er wundert’ sich sehr. Von hier war er einst vertrieben, Doch all sein Werk, das er geschrieben, All sein Werk, das du gelesen, Hier ist es gewesen. Aufs Meer hinaus schaut noch lange der Storm. Und dann sagt er versonnen: Das ist ja enorm!

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F체r Julian, der vier Jahre alt ist Heute war ein Lachpferdchen In meinem Blumeng채rtchen! Das lacht die bunten Blumen an Und freut sich wie der Julian! Ich schrieb ihm das auf eine Postkarte Mit lachendem Pferd.

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Im Zug Schöne grüne Gegend, Der Zug rast durchs Chlorophyll. Der Himmel wacht bewegend Und macht was er will. Der Regen ist verschwommen, Am Fenster gehn Schlänglein weg. Es ist ein Gehn und Kommen, Wo sind Sinn und Zweck? Traurig und stumm sass ich lange, Nur langsam verging die Zeit. Da lief über meine Wange Ein Tropfen Menschheitsleid.

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Montagsgedicht Mein Schatz, ich will dir schreiben Ein schÜnes Montagsgedicht. Warum wolltest du nicht bleiben? Sagst mir die Wahrheit nicht. Nun sitz’ ich bei deinen Rosen In meinem Paradies. Tu meine Katz liebkosen Und schreib die dies.

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Poetische Perlen aufgereiht Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen. Wir alle fallen, diese Hand da fällt, Wenn alle Brünnlein fliessen. Seltsam im Nebel zu wandern, Einsam ist jeder Busch und Stein. Ein Tag, der sagt’s dem andern, Hinunter ist der Sonnenschein. Ich ging im Walde so für mich hin. Auch das Schöne muss sterben. Von innerer Glut geweitet, verklärt sich unser Sinn, Du sollst den Himmel erben. Wie herrlich leuchtet mir die Natur. Willst du die Hand mir geben? Den eignen Tod, den stirbt man nur, Doch mit dem Tod der andern muss man leben!

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Reise ohne Kastanie Nichts von Welken und Vergehen Im blassblauen Dunst hab ich Bern vor den Alpen verschwinden sehen. Mein Blick von der Eisenbahnbrücke Ist eines dieser entschwebenden Glücke. Unzählige Male, beim Gehen und Kommen Hab’ ich’s wahrgenommen. Ich hätte für Mia noch eine Kastanie Besorgen können, eine aus Schokolade, Wie im Frühling den Maikäfer, Den ich ihr aufs Bett setzte. Nun ist der Zug ohne Kastanie abgefahren. Im nächsten Herbst will ich zeitig dran denken Und ihr symbolisch diese Schokoladenkastanie schenken, Denn ich weiss, wie sehr sie Kastanien liebt. Ob es noch einen nächsten Herbst dafür gibt? P.S. Mia hätte die Kastanie nicht in die Hand nehmen können. Sie konnte die Hand nicht mehr zum Mund führen. Nur ansehen, lachen oder weinen und jemand bitten, ihr ein Stückchen in den Mund zu stecken.

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Träume Die Rollschuh fahrende gelbe Kuh Dreht sich in der Kirche im Tanz. Der grabende Alte ohne Ruh Findet einen Kranz Aus Gelb, Rot und Blau. Den wirft er der schwarzen Frau Einfach so hin Wie ein grüner Delphin. Und die Hoffnung ist wieder ganz. Blaue Bäume, blaue Träume Und der Turm der blauen Pferde Welche wunderbare Herde Trabt vorbei in schnellem Schritt. Hinterm Walde vor dem Tore Steht der blaue Kommodore, Und der rote Fuchs fährt mit.

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Vom Duzen Ich duze alle Dinge: Du Haus, du Baum, du Strauch. Die Liebe war nicht geringe, Ich duze die Kinder auch. Ich duze alle Tiere: Du Vogel, Hund und Katz. Ich duze Offiziere Und duze dich, mein Schatz. Das Duzen schafft uns N채he: Du Himmel, Erd, du Gott. Auch was ich nicht verstehe, Ich duz mich noch bankrott.

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13. Februar (für Mia, die heute Geburtstag hätte)

Leise rieselt der Schnee. Die Schneeglöckchen sind begraben wie du. Dir tut nichts mehr weh. Hast die ewige Ruh. Ich bin noch so jung. Und die Welt ist so alt. Du hatt’st immer so viel Schwung, Wagtest so manchen Sprung. Jetzt bist du kalt. Leise rieselt der Schnee, nicht laut. Die Schneeglöckchen werden erscheinen, Wenn die Sonne den Schnee taut. Dann küsst der Bräutigam die Braut, Und ich werde weinen.

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Abend und Morgen am See Auf meinen See, wie gerne Schau ich bei meinem Wein. Am Abend gibt eine Laterne Darin den Mondenschein. Der Nebel zieht am Morgen Ăœber das dĂźnne Eis. Darunter im Herzen verborgen Liegt, was niemand weiss. Der Nebel leidet an Wahrheit, Hat weggewischt die Klarheit, Und auch meine kleine Rotunde Ist verschwunde!

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Aktiv warten Das Leben zu beleben Ist nicht jedem gegeben. Genau wies Kuchenbacken Und Ananas zerhacken. Mit Katze auf dem Rücken Muss ich mich jetzt grad bücken. Seh’ Vögel drauss im Garten, So tu ich aktiv warten, Dass du könntest mein Leben Mit Anrufen beleben!

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Das fremde Kind Auf der Fahrt in die Stadt mit dem Bus Ist ein Kind, das sein Mützchen aufsetzen muss. Es reisst es ab, das Kind ist nervös, Und gleich wird auch die Mama bös. Ich lächle dem Kind zu Und zeig ihm den Knopp. Es drückt, und der Bus mach am Hirschengraben stopp. Viele Menschen sind auf der Strass’ hier in Bern. Da sagt das Kind: „Ich hab dich gern!“

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Der Introvertierte Bist du nie getröstet worden, Nicht mit Gesten, nicht mit Worten? Löste niemand diesen Eisenring, Der dein kleines Herz umfing? Hat die Mutter dich gewaschen, Stopfte sie dir Strümpf und Hosen, Wolltest du sie überraschen, Gab sie Antwort nur den Grossen? Alles musst’ du selber machen, Warst nur gross im winzig Kleinen. Hier in deinen Büchern konns’t du lachen Und alleine für dich weinen.

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Der kleine See Ein kleiner See in meinem Park, Das ist stark! Ich traue meinen Augen kaum, Der Park verwandelt wie im Traum. Es spiegeln sich in meinem See Die Eichen und der blasse Schnee Und die Rotunde In seinem Grunde. Die Kinder laufen hin und her Als wär’ mein See ein kleines Meer. Schneebälle werfen sie hinein, Die ziehen Kreise gross und klein. Ach, wenn doch ein paar Enten Sich auch noch hier befänden.

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Die Hose Andreas bringt mir eine Hose Und sagt: „Hier sind zwei Knöpfe lose, Auch auf dem Knie ist sie ganz dünn! Du hattest sie in der Wäsche drin, Und die hat sie kaputt gemacht.“ Darüber hab’ ich nur gelacht. „Warum die Hose da und hier So dünn geworden, sag ich dir! Hast du vergessen, lieber Mann, Dass du total in meinem Bann Stets vor mir auf den Knien liegst, Damit du deinen Willen kriegst?“ Da lacht Andreas ganz betreten Und denkt: Bei der Frau da hilft nur noch beten!

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Die Krähe Die Krähe auf dem Haselbaum, Sie träumt den Katzenfuttertraum. Ich werf’s hinaus im hohen Bogen, Die Krähe kommt sofort geflogen. Pickt alles auf ganz ungestört, „Das ist doch einen Assbach Uralt wert.“

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Dumm Wenn wir uns auch manchmal irren, Sind wir doch noch lang nicht dumm. Lassen nur Gedanken schwirren, Fragen leider nicht warum! Ăœber Fehler, die wir machen, Bleiben wir am liebsten stumm. Lernen nichts, tun nur blĂśd lachen, Und das ist nun wirklich dumm.

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Ein Traum Heut’ Nacht träumt ich in meinen Kissen Es tät mich ein Geliebter küssen. Sein Mund war weich, die Hand war warm, Und ich so wohl in seinem Arm. Ich wachte auf aus süsser Lust, Da sass die Katz auf meiner Brust!

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Januar Im Wintermonat Januar Da braust ein Sturm, es gibt Gefahr. Äste und Ziegel fliegen durch die Luft, Der Sturm, der heult und kracht und ruft: „Ich bin der Wind, das himmlische Kind!“ Es fallen Bäume um im Park, Der Wind ist sooo stark. Sogar Lastwagen auf der Autobahn Die bläst er um, der wilde Orkan. Er wirbelt die Menschen durch die Luft, Und er schnauft, er heult und ruft: „Ich bin der Wind, Bleib schön im Haus, mein Kind.“

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Religion Bist du ins Herz der Religion gedrungen, Hast dreissig Jahr im Kirchenchor gesungen. Dann lässt du dir doch nicht mehr sagen, Dass Darwin jetzt löst deine letzten Fragen. Er ist der grosse, weise Mann der Wissenschaft, Und mir gibt wie im Singen mein Herr Jesu Kraft. Bist du ins Herz der Religion gedrungen, Ist dir im Leben Grosses nicht gelungen, Halt fest dich an den kleinen Dingen, Die jeden neuen Tag dir Freude bringen. Winde aus Heiterkeit und Achtung einen Kranz, So gehst du auf dem Weg der Toleranz. Bist du ins Herz der Religion gedrungen, Ist oft dein Herz vor Trauer fast zersprungen. Du kennst den Krieg, siehst Hunger und Gewalt, Elend und Leid in menschlicher Gestalt. Mach Frieden mit den Deinen, was auch kommen mag Und pflücke dankbar jeden neuen Tag.

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Was ist Glück? „Ich bin vergnügt in meinem Glücke“, Wer sagt das heute noch in unsrer bösen Zeit? So klingt’s in Bachs Kantante-Schwebebrücke Von uns zu Gott bis in die Ewigkeit. Glück, das ist für uns heute nur noch Geld, Gesundheit und gut trinken, essen. Der Weg zu Gott ist damit ganz verstellt. Wie wär’s mit Freundschaft, Liebe und Vergessen?

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Wassi Der Wassi ist ein Freund, ein guter, Mit Heidi zähl ich viele Jahre ihn zu meinen Gästen. Was man von ihm verlangt, das tut er, Er liebt die Arbeit und das Festen. Er baut ein Haus im griechischen Olivenhain, Er klopft und zimmert, gräbt und hackt im Garten. Er stellt sogar ne Schweizer Plastik Kuh hinein, Und die muss manchmal lang auf ihn warten. Wenn er in Bern mit seinen Enkeln spielt, Fühlt er das Glück in seiner Brust sich stauen, Kein grössrer Reichtum wurde je erzielt. Ja, auf die alten Griechen können wir vertrauen. Mein Atem reicht nicht aus ihr Lob zu singen: Pythagoras und Platon, Sokrates und Epikur. So lassen wir zum Dank die Gläser klingen: Ein Hoch auf Wassi und die Wiege unserer Kultur.

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1. Januar 2009, Wassilistag Es ist ein sonniger Wintertag, Wir gehen spaziern am Morgen. Wohin das Jahr uns führen mag, Wir wollen uns nicht sorgen. Es ist so blau, das Himmelszelt, Die Bäume werfen Diamanten. In unsern Herzen formt sich eine Welt Aus vielen Unbekannten. Wir stapfen durch den Schnee zum Rosengarten, In meiner Hand zerfliesst ein Eiskristall. Wir müssen neun Minuten auf den Zehner warten, Auf einer weissen Wolke segeln wir ins All. Und wir flambiern zum Mittag Jakkobsmuscheln, Es riecht nach Sterneküch’ im ganzen Haus. Was hier und dort und heut’ die Nachbarn tuscheln, Wir machen uns von A bis Z nichts draus. Am Abend feiern wir den Namenstag Mit Wassili, dem alten Griechen. Ja, wir sind alle alt geworden wie auf einen Schlag. Die Enkel freut’s, wenn wir mit ihnen noch am Boden kriechen.

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Abschied von der Mathematik Es ist vorbei, Hinweggeblasen hat dich die Zeit. Nie wird’ ich mehr mit dir mich plagen, Du bist jetzt weit. Mein Kopf, der ruht von dir Und auch der Mund Spricht Formeln nicht mehr aus. Ganz andre Fragen stellt man mir In einem grossen Haus. Sie sind mir alle lieb, Bist du nur fern. Solange es dich nicht gibt, Hab ich sie gern. Ich sag dir Lebewohl Und nicht Aufwiedersehn. Ein Wiedersehn mit dir Glaub ich, wär nicht so schön. Doch auf ein Wort noch: Ich wollt’ dich nicht kränken. Ich halt dich trotzdem hoch Und werde deiner mein Lebtag noch gedenken. Du bist versöhnt! Ich ziehe froh von dannen, Wie es ein kluger Seher mir versprach. Und ganz erfüllt davon, dass du gegangen, fliegt nun mein Lebewohl dir nach! 73


An das blühende Feld Wie schad, dass ich kein Vogel bin, Ich könnte sonst mit frohem Sinn Beständig dich umkreisen. Ich seh dich nur den Augenblick, Vielleicht bringt mich der Zug zurück Von meinen grossen Reisen. Doch dann bist du vielleicht nicht mehr, Und es ist alles wüst und leer, Verödet umgeschlagen. Ach warum sprang ich damals nicht, Als du mir zeigtest dein Gesicht Aus meinem schnellen Wagen?

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Das Bild Ich hab’ im Traum ein Bild gemalt, In Gelb und Himmelblau. In seiner goldnen Mitte strahlt Nur eine alte Frau. Ich hab’ im Traum die Katze gespürt, Sie war so zart und warm. Sie hat mich in die Kindheit geführt Und lag in meinem Arm. Ich hab’ im Traum den Garten gesehn, Den Grossvater mir anvertraut. Er war voller Blumen wunderschön, Hab’ nie einen schönern geschaut. Ich hab’ im Traum die Frau gehört Im schwarzen Trauerkleid. Sie sprach zu den Blumen ganz verstört Und starb an Herzeleid. Ich hab’ im Traum ein Bild gedacht In Gelb und Himmelblau. In seiner goldnen Mitte erwacht Nun ich, als alte Frau.

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Der Admiral Ein bunter Schmetterling auf meinem Fensterbrett, Er scheint ganz trunken Vom Efeublütenstaub hierhin gesunken. Ganz nah ist er mit seinen roten Streifen, Wär’ nicht die Scheibe zwischen uns, Ich könnte ihn ergreifen! Ich zähl die Tüpflein nur auf seinen Schwingen, Schon flattert er zum Efeubaum davon, Um dort in sanftem Ton Im Chor der fleiss’gen Bienchen unhörbar mitzusingen.

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Der Gutschein Ich löste heut’ den Gutschein ein Und dank dir für ein Hosenbein. Für jeden neuen Jackenknopf Ist Dankbarkeit in meinem Kopf. Mit schickem Rück- und Vorderteil Denk ich an dich nun alleweil. Hab Dank auch für den feschen Kragen, Ich werd’ zu deiner Ehr ihn tragen. Und für den neuen Reissverschluss Kriegst du noch einen dicken Kuss!

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Die rote Geranie Eine rote Geranie möchte ich sein Und vor deinem Fenster stehn. Ich könnte dich dann sehr oft sehn Und wäre dein. Du würdest mich giessen, Ich würde blühen Und manchmal deinen Kummer sehn. Doch du würdest von mir, deiner roten Geranie Niemals verlangen, dich zu verstehn.

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Erstes Sonett Was ich in meinem Leben Erfuhr mit manchen Katzen, Die jagten nicht nur Spatzen, Es sei ihnen vergeben! Die Spinnen alle weben Ohne den Lärm zu hören. Sie lassen sich nicht stören Und schaukeln in den Reben. Ich säge kleine Stücke Aus einem grossen Brett, Das war einmal mein Bett. Jetzt bau ich dir ne Brücke, so fein wie ein Skelett, Und schon ist’s ein Sonett!

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Gedanken Was sag ich zur Erde am Morgen? Mach dir keine Sorgen! Du wirst den Homo Sapiens überleben, Er kann dir den Rest nicht geben. Die Gletscher schmelzen dahin, Was hat das für einen Sinn? Die Ozonwerte klettern nach oben, Wer will das loben? Die Steine rollen Wohin sie nicht sollen. Da dröhnt’s in den Ohren: Die Welt ist verloren! Doch du alte Erde Erträgst das Stirb und Werde.

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Illusion in jungen Jahren Ich wünscht’ du würdest still mir im Zuge sitzen, Und fahren würden wir durch Dörfer, Felder, Wald. Vor lauter Freude würd’ ich ein bisschen schwitzen, Und wenn das Fenster aufging, würde es mir kalt. Du würdest gern für mich das Fenster schliessen Und dann an meiner Seite weiterfahren. Mein Blick hinge nur manchmal draussen an den Wiesen, Und so wünscht’ ich, wäre das noch in Jahren. Nie würde uns die Zeit zur Langeweile, Rasch wechseln ja die Bilder im Gelände. Ich achtete nicht drauf, dass sich der Zug so eile, Du hättest ja in deinen meine Hände. Für tot würden wir eines Tags erfunden. Ja unser Zug trug uns unendlich weit. Noch immer fährt er, doch nicht Kilometer mehr in Stunden, Denn zeitlos sind wir in der Ewigkeit.

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Liedchen Freu dich nur am Sonnenschein Und am Regen, der fällt rein. Häng dein Herz an einen Baum Und dann träumst du einen Traum. Ohne Geld, ohne Geld Kriegst du alles auf der Welt. Sieh die schönen Blümelein, wie sie blühn im Sonnenschein. Hör die Vögel singen schön, Und du kannst spazierengehn. Ohne Geld, ohne Geld Kriegst du alles auf der Welt. Wirst im Regen du auch nass, Macht es dir doch grossen Spass. Und es kommt vielleicht jemann(d), Der sich mit dir freuen kann. Ohne Geld, ohne Geld Kriegst du alles auf der Welt.

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Nur die Liebe allein, Die die will hoch bezahlet sein. Schenkst dein ganzes Herz schnell weg, Und dann landest du im Dreck. Ohne Geld, ohne Geld Kriegst du nix auf dieser Welt. Alles hat doch seinen Preis, Wird es dir auch kalt und heiss, Stehe fest auf deinem Platz Und du findest den grössten Schatz. Ohne Geld, ohne Geld Schau ich auf zum Himmelszelt! Wenn ich in meinen Spiegel schau, Da seh’ ich eine alte Frau! Wo ist das junge Mädchen hin? Das war auch mal im Spiegel drin.

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Mainfahrt im September (von Frankfurt nach Seligenstadt mit Martha, Ulli, Annie und mir)

Die FAZ fährt ihre Leser Heut auf dem Main, nicht auf die Weser! Der Main, der scheint so grünlich grau, Darüber der Himmel himmelblau. Wir ziehen an den Auen hin Auf der „Goethe“, die richtet unser Sinn Auf den grossen Poeten, Den Herrn von Goethen. Ja, sein Gingko biloba Wächst heut in Europa! Die Weiden hängen in den Fluss, Der Erlkönig schickt uns einen Gruss. Die Wellen spritzen auf die Steine, Da kriegen die Enten nasse Beine. Die Fischlein dahinter in seichten Teichen, Die können dort in Ruhe laichen. Schlösser, Kirchen, Brücken und Furten Passieren wir ohne uns anzugurten. Ganz frech schwebt bald Pommesfritenduft Durch die milde Mittagsluft. Wir schwimmen in die grosse Schleuse Wie die Fischlein in die Reuse. Die Flatterulme vor dem Turm Erlebte wohl schon manchen Sturm. Seit 500 Jahren grüsst sie den Main. Da bist du Mensch bescheiden klein.

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Schnee Mein Tag, der ist so freudenreich, Der Schnee berührt mein Herz. Ich füttere die Vöglein gleich, Wann wird es endlich März? Der Frühling scheint in weiter Sicht, Ich hör’ die Krähen schrein. Die Sonne spart wie ich mit Licht, Die Katze denkt, das stört mich nicht Und schläft gleich wieder ein. Ich nehm’ das Leben nicht mehr schwer, Streich mir was weg ans Bein. Was mich heut’ drückt wird ungefähr Morgen, schon Schnee von gestern sein.

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Trauer - Sonett Meine Hand streicht über den Buchs, Aus der Hecke wie ein Leuchten Zwei Äuglein, die feuchten, Sie gehören meinem Luchs. Wie würd’ ich mich freuen, Mein Kätzchen wieder zu haben. Und mit ihm all die Gaben Grosszügig verstreuen. So weich war das Holz. Nun liegt es im Sand. Du bist in einem fernen Land. Ganz demütig ist mein Stolz. Unzerreissbar zwischen uns das Band: Dein Pfötchen in meiner Hand.

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Veränderung im Park Es ändert sich mein Lebensraum, Ein lieber Baum wird abgehaun, Mein Garten kriegt jetzt viel mehr Licht, Doch an die Vögel denkt man nicht. Was die lieben zu unserem Nutzen, Das muss man gründlich sauber putzen. Ein Zwitschern und Huschen war das in den Zweigen, Jetzt kann noch mehr Dreck durch mein Fenster steigen. Das Singen der Raben gefällt uns nicht, Der Lärm von der Strasse fällt nicht ins Gewicht. Die Traueresche, mein Eichhörnchenbaum, Die Motorsäge braucht’ eine Stunde kaum, Was wohl achtzig Jahre gewachsen war; Angeblich für Menschen jetzt eine Gefahr. Gestern haben sie ein Trauereschenkind hingestellt. Ob das meinen gefiederten Freunden gefällt? Dass es in seinen Zweigen so zwitschert und flirrt, Ich werd nicht erleben, dass es wieder so wird.

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Von Stockstadt nach Mainz Auf einer Reise bin ich nicht zu Hause, Und rote Dächer schimmern fern im Ort. Ein Hase macht vom langen Laufe Pause. Und von dem Strohberg fliegt ein Vogel fort. Ich sehe Bäume, die sich sacht verneigen Vor eines unsichtbaren Gottes Macht. Ich seh’ den Rauch in ihre Kronen steigen, Und spür’ in ihrem Innern schon die Nacht. Ich sehe Strassen durch die Landschaft sausen Und Gleise, unbeschreiblich viel. Und Züge in die andre Richtung brausen. Auch wer in diesen sitzt, der hat ein Ziel.

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Das Taubenschwänzchen Kennst du das Taubenschwänzchen? Es macht vor den Blumen ein Tänzchen. Wie ein Kolibri, ganz klein, Saugt es vergessenen Blütenstaub ein. Ich sah es noch nie auf einer Blüte sitzen. Es wirbelt unsichtbar die Flügelein, Und in die Blume steckt es im Fliegen den spitzen Rüssel zum Trinken hinein. Als ich ein Kind war, dacht’ ich, es wolle mich stechen. Heute möchte ich es halten und mit ihm sprechen: „Wo fliegst du hin? Wo bist du gewesen?“ Und schon ist es weg, das kleine Wunderwesen.

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Ein Bilderbuchtag Eine Schwalbe fliegt über den Thunersee, Die Blümlisalp schläft noch tief im Schnee. Eiger und Mönch weit hinter dem Schloss, Sie grüssen hinüber zum Niesen. Und die Jungfrau zeigt sich in ihrem Schoss, Hinter der Voralpen Land Liegt ihr alles zu Füssen. Mein Schifflein entfernt sich. Ich seh immer mehr. Der Schneeberge Kette wächst um mich her, Steigt höher und höher zum Himmel empor. Ihm plätschert der See sein Liedchen ins Ohr. Von weitem klingt fröhliches Kindergeschrei, Ein Bilderbuchtag, und ich bin dabei.

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Heimwärts Heimwärts nun geht die Reise, Mein Herz klopft ganz leise, Der Zug rattert im Trab. Druck in den Ohren, Was hab’ ich dort noch verloren Als nur ein Grab. Da will ich Blumen pflanzen. Früher ging ich dort tanzen Auf manchem Fest. Landschaft in Grün und Blau, Wenn ich durchs Fenster schau. Es bleibt ein Rest. Hoffnung und Freundschaft hebt, Wonach mein Herz so strebt, Noch ist’s nicht aus. Vöglein, das leise singt, Liebe, die Opfer bringt, Ziehn mich nach Haus.

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Immer wieder Immer wieder die Augen verschliessen Vor all dem Leid, Das man unschuldigen Menschen zufügte In der Vergangenheit. Immer wieder die bösen Deutschen sehen. Weinend sich fragen und sagen: Ach wär doch das alles niemals geschehen! Immer wieder davonlaufen wie ein Kind Damals Margriten pflückend auf den Wiesen. Spieltest glücklich wie ein Falter im Wind, Während sie dir den Vater erschiessen. Wusstest nichts von Gefahr, Wusste nichts von dem Leid, Das man unschuldigen Menschen zufügte In meiner Zeit.

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Wünsche Wie du’s auch machst, So sei es gut. Ich wünsche dir Viel leichten Mut. Und ganz viel Stille Heiterkeit Und Kraft zum Leben Alle Zeit. Die Welt mit frohen Augen sehn! Ein Brieflein kommt. Ist das nicht schön?

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Zwiesprache (für Inge, 2. Dez. 2009)

Im Abendnebel liegt der See. Meine Augen schwimmen, und was ich seh: Es ist dahin. Meine Lieb’ und mein Leben ist weggegeben. Du bist, wo ich nicht bin. Ich kann es nicht fassen, Dass du mich verlassen, Fühle mich müd’ und alleine, ich weine. Du sollst dich nicht quälen, Lass die erzählen Von schönen Tagen und Stunden, Da wir uns gefunden. Es fliegt die Zeit, Und es enden die Dinge Wie Schmetterlinge. Endlich auf fernen Wegen Streck ich dir meine Hände entgegen.

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