Kurvenwasser. Oder der holprige, etwas kopflastige Flug des Tukans

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die Frau hatte mit den drei Kindern zu tun und lief ein Stück weiter. „Aus Deutschland.“ Diese Auskunft versetzte den Mann in Aufregung: „Klinzan, ah! Klinzan Mateus, ah!“ Zak schaute ihn verständnislos an. „Fútbol“, erklärte der Vater, und die Flasche begann zu pendeln. „Not play fútbol? Klinzan!“ „Äh ja … Jürgen Klinsmann – der ist ganz gut, ja.“ Eine gemeinsame Basis schien gefunden. Der Mann brabbelte enthusiasmiert vor sich hin – ein patagonischer Kinderreim, das spanische Morsealphabet? … Es waren die Namen aller deutschen Nationalspieler von 1990 (einschließlich der Reservebank). Und wenn einer ihm besonders gefiel, rief der Sportsfreund: „Isgud Klinzan, isgud!“ „Si si! Klinsmann. Ja, der war ein famoser Spieler.“ „Hitler“, erwiderte der Vater. „Ah, isgud, isgud!“ Zak machte große Augen. „You alemán! Hitler, Klinzan …“ Der Mann tätschelte ihm stolz die Schulter. Zak setzte an zu einer Lektion über Geschichte und Krieg, Massenmord und Moral, dann zuckte er aber doch nur mit den Schultern. Die Frau rief etwas herüber: Das Baby auf ihrem Arm würde schwer, der Junge an ihrer Hand zerrte weiter … „Ich glaube nicht, dass die beiden in einer Mannschaft gespielt haben.“ Der Mann ignorierte den genervten Blick seiner Frau, er hob sein T-Shirt und vergoss dabei Schnaps. Seine freie Hand zitterte, Zeitlupe, zärtlich, als er sich über eine Schusswunde nahe der Hüfte strich und dann eine lange Narbe an seiner Schulter entblößte, von einer Machete weiß in die braune Haut geschlagen. „Matanza! War, you know war?“ Der Mann sprach nun schnell und lalla, und Zak verstand nur immer wieder la matanza – der Bürgerkrieg, das Massaker, das Trauma des Landes. Ein tiefer Schluck aus der Flasche, Durst nach Gerechtigkeit, Feuer mit Feuer. Der Alkohol als kleinster gemein160


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