eigenart #82

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fröhliche Frühlings­spiele erinnern uns an die Säfte, die durch die kahlen Stämme der Bäume drängen, Knospen bilden, Blätter spreizen, Blüten beten, Früchte tragen. Wenn der neue Mensch aus dem Geburtskanal in die Welt gleitet, besteht er zu neunzig Prozent aus Wasser. Stirbt er schließlich, als alter – wieder erkleinter – Greis, werden nur noch fünfundsechzig Prozent Wasser in seinem Körper sein. Die Consommé, eine klare kräftige Brühe aus Fleisch (beispielsweise vom Kalb) kocht ein Leben lang zum trüben Eintopf, wird Brei werden. Meine Großmutter wusste auch ohne den festesten Biss noch hartes, älteres Brot, in einen Eintopf gebrockt, in K ­ onsistenz zu bringen, die sie löffelnd verzehren konnte und so sehr genoss. Das Durch­ weichen dauerte eine Weile. Zeit zum Fragen: Wo bleiben fünfundzwanzig von hundert Teilen Menschenwasser in einem Leben? Den Würmern wird zugerechnet, sich mit dem zu beschäftigen, was in feuchte Erde gebettet wird. Die ­wirbellosen Tiere lockern die Erde unseres Planeten, die nur zu einem Prozent aus Wasser besteht. Diese wertvolle Feuchte ist vor Milliarden Jahren mit Asteroiden, die den jungen Planeten in ihren wilden Kollisionen schlussendlich formten, aus den Tiefen des Alls gekommen. Dieser kleine Teil der Erdmasse ermöglicht das Leben auf dem Planeten, den man den blauen nennt: 71 Prozent der Erden­ fläche ist mit dem Wasser bedeckt und so ist es nicht ­verwunderlich, dass Organismen sich an der Oberfläche und in den Ozeanen am wohlsten fühlen. Genau dieses Leben, vor 4,6 Milliarden Jahren auf der Erde aus der Ursuppe ­entstanden, die aus anorganischen Verbindungen durch die Energie von urzeitlichen Blitzeinschlägen komplexe orga­ nische Verbindungen wie Aminosäuren und niedere Carbonund Fettsäuren machten, ebendieses Leben braucht das Wasser in und um sich. Unser Nachbar Mars soll auch ein wenig Wässriges horten, jedoch wird dieses tief unter der Oberfläche vermutet. Spuren ehemalig reißender Flüsse ziehen sich narbenhaft über den roten Körper, zeugen vom Einstigen. Ist die Erde jung und der Mars eben einfach alt? Wasser macht die beiden verwandt und so besonders, es ist im Universum Mangel. Das Universum unserer Dimension 46

Küchen­philosophie


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