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Sabina Saggioro

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Hello 21

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Fokus auf Fachkräfte

Das St.Galler Rheintal hat sich innert weniger Jahrzehnte zu einem Cluster von High-Tech-Betrieben gemausert. Kann die Entwicklung so weitergehen? Sabina Saggioro, Geschäftsleiterin der Vereine St.Galler Rheintal und Agglomeration Rheintal, ist davon überzeugt – auch wenn es immer wieder Hürden zu nehmen gilt.

Sabina Saggioro, was bezwecken der Verein St.Galler Rheintal sowie der Verein Agglomeration Rheintal?

Beide wurden gegründet, um den Arbeits- und Lebensraum Rheintal weiterzuentwickeln und die natürlichen Lebensräume des Rheintals zu bewahren, den Verkehr zu optimieren und trotzdem haushälterisch mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen umzugehen. Gleichzeitig sollten die Gemeinden mit der Koordination der regionsweiten Aktivitäten und Projekte entlastet werden. Dazu kam der Auftrag des Kantons, die Prozesse zwischen den Gemeinden zu koordinieren. Bei all diesen Dingen war die Wirtschaft, anders als in anderen Regionen, von Anfang an stark eingebunden. Das ist von Beginn weg alles Hand in Hand gegangen – denn man kann erst Marketing und Werbung für eine Region machen, wenn auch die Infrastruktur passt.

«Die Wirtschaft war, anders als in anderen Regionen, von Anfang an stark eingebunden.»

Das heisst, dass der Verein St.Galler Rheintal auch das Standortmarketing macht?

Es war eine logische Folge unserer Aktivitäten, dass wir auch mit dem Standortmarketing beauftragt wurden. Wir haben in den letzten Jahren Leistungsvereinbarungen mit über vierzig Unternehmen betreffend das Standortmarketing ausgehandelt und werden von diesen aktiv unterstützt. Aber das kann man nicht alleine, nicht als Einzelinstitution machen. Da braucht es Teamplayer statt Solokünstler. Und so haben wir in jeder Arbeitsgruppe – auch in der Rheintaler Kulturstiftung – jeweils einen Vertreter des Arbeitgeberverbandes Rheintal dabei. Beim Verein Agglomeration Rheintal, übrigens ein technischer Name, der auf einem entsprechenden Programm des Bundes beruht, geht es um die Vorbereitung und Koordination überörtlicher Raumplanungs- und Verkehrsprojekte. Dort arbeiten unsere zwölf Rheintaler Gemeinden eng mit zehn Vorarlberger Gemeinden zusammen. Die Kosten tragen St.Gallen und Vorarlberg zu je einem Viertel und die beteiligten Gemeinden nach Bevölkerungsschlüssel.

Wie sehen Sie die derzeitige wirtschaftliche Situation der Rheintaler Betriebe?

Ich sehe eine sehr grosse Konstanz in der positiven Entwicklung. Unsere stark exportorientierten Firmen hatten natürlich Mitte des letzten Jahrzehnts mit dem Frankenschock zu kämpfen. Und sich jetzt in Coronazeiten in einem schwierigen Umfeld sehr gut entwickelt. So suchen die Unternehmen nach wie vor qualifizierte Fachkräfte. Ein positives Signal zur wirtschaftlichen Situation ist auch, dass in den letzten Jahren viele Gemeinden die Steuern senken konnten.

Was aber fast alle Betriebe beschäftigt, ist der Fachkräftemangel.

Richtig. Darauf legen wir derzeit auch unseren Hauptfokus mit rheintal.com. Aktuell überarbeiten wir die Strategie gemeinsam mit Vertretern unserer Ankerpartner. Wenn es um Fachkräfte im Hightech-Bereich geht, konkurrieren wir hauptsächlich mit dem Grossraum Zürich. Da ist es extrem wichtig, die Attraktivität und Einmaligkeit des Rheintals herauszustellen. Unsere schönen Wohnmöglichkeiten in den verschiedenen Gemeinden mit teils dörflichem Charakter. Wohnmöglichkeiten, die im Grossraum Rheintal mit dem Angebot einer Grossstadt ausgestattet sind. Dazu kommt unsere innert weniger Minuten zur Erholung erreichbare wunderbare Natur. Corona war ja positiv für den Trend, dass die Menschen wieder mehr auf dem Land wohnen wollen.

Werden zurzeit vor allem hochspezialisierte Arbeitnehmer gesucht?

Tatsächlich sind viele Jobs für Fachleute frei. Aber es sind sehr spezifische Stellen; wenn eine offen ist, müssen Bewerber schnell zugreifen. Da gibt es für Stellensuchende natürlich

Sabina Saggioro: Teamplayer statt Solokünstler.

weniger Auswahl als zum Beispiel in «Downtown Switzerland». Bei uns sind in einem spezialisierten Fachbereich vielleicht zwei, drei Stellen offen, in Zürich können es viele mehr sein... Aber zum Glück hat der Trend zum Homeoffice auch hier mehr Möglichkeiten und mehr Flexibilität geschaffen.

Zurück zum Verein Agglomeration Rheintal: Die wirren Aktionen von österreichischen Politikern, die vorschlagen, die seit über fünfzig Jahren geplante, aber nie verwirklichte Schnellstrasse S18 durch eine Unterflurtrasse auf der Rheininsel zwischen Hohenems und Diepoldsau zu ersetzen, haben ja sogar zur Drohung der Stadt Hohenems geführt, aus dem Verein auszutreten?

Wir vertreten da eine eindeutige Meinung: Die S18 und die noch zu ermittelnde Best-Variante im mittleren Rheintal unterscheiden sich in ihren Funktionen, wirken in unterschiedlichen Räumen und haben zudem einen unterschiedlichen Reifegrad. Sie ergänzen sich, können sich aber nicht gegenseitig ersetzen. 2022 führen wir im Projekt «Mobilitätskorridor mittleres Rheintal» eine Zweckmässigkeits- und Verkehrswirksamkeitsprüfung verschiedener Varianten durch. Gestützt auf diese Ergebnisse wird dann das weitere Vorgehen für das mittlere Rheintal definiert.

Was ist in Ihren Augen der Unterschied in der Herangehensweise zwischen der Politik im Ländle und im Schweizer Rheintal?

Wir arbeiten super mit den Menschen im Vorarlberg zusammen. Die unterschiedlichen Wahlsysteme sind für uns spürbar. In der Schweiz ist die Wahl stark mit Köpfen und Persönlichkeiten verbunden, ennet des Rheins ist der Wahlmodus anders. Das merkt man im politischen Prozess stark. Wir berücksichtigen dies entsprechend in unseren Prozessen.

Was konnte die Agglomeration bisher bewirken?

Wir reichen im September 2021 den Gesamtbericht «Agglomerationsprogramm Rheintal vierte Generation» beim Bund ein. Mit dem Agglomerationsprogramm stellen wir dem Bundesamt für Raumentwicklung einen Antrag auf Beiträge für unsere Verkehrsinfrastrukturen. Es ist das Ergebnis eines Prozesses, der vor vier Jahren mit der Vereinsgründung startete. Ein wichtiges Projekt ist etwa die Radwegebrücke über den Rhein zwischen Lustenau und Au. Was mit Sicherheit kurzfristig möglich wird, ist, den Veloverkehr sicherer und attraktiver zu machen.

Und wie sehen die Aktionen gemeinsam mit dem AGV Rheintal aus?

Der AGV und wir veranstalten zum Beispiel gemeinsam den «Rheintal-Dialog». Zuletzt hat dieser Dialog digital stattgefunden. Im Januar 2022 geht es dann sozusagen wieder live und in Farbe weiter. Denn das zuletzt behandelte Thema – wie es mit der Stromversorgung in der Schweiz nach dem Ende der EU-Rahmenverträge weitergehen soll –, ist noch nicht erledigt. Dazu werden wir uns dem wichtigen Thema Biodiversität und der Bewahrung der Natur und Landschaft der Region widmen. Kurz: Das Leben ermöglichen und Natur und Landschaft nicht vergessen.

Text: Gerhard Huber Bild: Marlies Thurnheer

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