Der Andermatter Sommer 2012

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Der Andermatter Das Sommermagazin

Neueröffnung Themenwelt Sasso San Gottardo

Tradition Alpkäse nachTessiner Art

Legendär James Bond im Urserental


AKTUELL Familientaugliches Wandern im Hochgebirge Themenwelt Sasso San Gottardo Neuer Rundweg durch die Schöllenenschlucht

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INSIDER

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Highlights der Gotthardregion Die spektakulärsten Kurven der Schweiz

ANDERMATT

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Andermatt im Umbruch Vom Hotel Bellevue zum The Chedi Andermatt

ADRENALIN

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Riverrafting auf der Gotthard-Reuss Klettertipps vom Fachmann

FOKUS

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Pizzo Centrale: lohnendes Gipfelziel

SHOPPING

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Qualität, Auswahl und Service

LEGENDÄR

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Heinrich Holzhauser erinnert sich an 007

KULINARIK Fleisch wie bei den Grosseltern Alpkäse nach Tessiner Art Gastronomischer Impuls Schwarzer Bären

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KOLUMNE Bänz Simmen über sein Andermatt

Impressum Herausgeber: Andermatt Swiss Alps AG, CH-6460 Altdorf; Gesamtrealisation: MetroComm AG, CH-9014 St.Gallen, Tel. +41 (0)71 272 80 50, info@metrocomm.ch; Gesamtleitung: Natal Schnetzer; Chefredaktor: Dr. Stephan Ziegler; Texte: Urs Fitze, zVg; Fotos: Philipp Baer, zVg; Gestaltung: Tammy Rühli; Druck: Sonderegger Druck AG, CH-8570 Weinfelden; ­Auflage: 5000 Exemplare. ­Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung von Andermatt Swiss Alps Juli 2012 Andermatt Swiss Alps AG, Gotthardstrasse 12, CH-6460 Altdorf, Tel. +41 (0)41 874 88 88, Fax +41 (0)41 874 17 07, info@andermatt-swissalps.ch, www.andermatt-swissalps.ch


03 Als Zwölfjähriger hatte ich einen Sommerferienjob an der Rezeption eines Hotels in Andermatt. Wir waren bis auf eine Nacht immer mit Durchreisenden ausgebucht. Dann kam der Gotthard-Strassentunnel, und es war vorbei mit diesem Geschäft. Das Militär half uns im Fremdenverkehr über die Runden, vor ­allem in der gästearmen Zeit wie im Spätsommer und Herbst. Dann waren auch die Soldaten weg. Es sah schlecht aus. Jetzt kommt das Projekt Andermatt Swiss Alps – und d­amit ist die Zuversicht zurück im Tal. Man braucht sich nur im Dorf umzusehen: Es hat sich herausgeputzt. Wir sind bereit für die Zukunft. Es wird eine nachhaltige Zukunft sein, die auf den Fundamenten baut, auf die auch wir Andermatterin-

Bleiben wir uns treu nen und Andermatter stolz sein dürfen: ein schönes Dorfbild,

Ich teile diese Befürchtungen nicht. Im Gegenteil: Die gros-

in dem sich Geschichte und Gegenwart die Hand reichen, ein

se Kraft, die uns Menschen in den Bergen auszeichnet, wird

lebendiges Dorfleben, die intakte Natur- und Kulturland-

stärker sein als alles andere. Kraft kommt von innen. Bleiben

schaft und eine Risikobereitschaft, die uns schon immer

wir uns treu. Dann kommt es gut.

­befähigt hat, die Herausforderungen des Lebens zu meistern.

Wie attraktiv sich die Destination bereits heute präsen-

Mein Vater war als Bahnmeister für den Unterhalt der

tiert, insbesondere auch in der Sommerzeit, zeigen die fol-

­Eisenbahnen im Tal zuständig, besonders im Winter eine ge-

genden Seiten der ersten Ausgabe von «Der Andermatter».

fährliche Arbeit. Er hat sie stets umsichtig zu meistern ver-

Lassen Sie sich von meinem Heimatort inspirieren und be-

standen. Er wusste: Die Berge sind schön und gefährlich zu-

geistern. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen.

gleich. Als Sportler war für mich die Gefahr so allgegenwärtig Bis bald in Andermatt!

Bernhard Russi

«Die grosse Kraft, die uns Menschen in den Bergen auszeichnet, wird stärker sein als alles andere. Kraft kommt von innen.» wie die Freude am Berg, und ich musste lernen, ein Gleich­

Bernhard Russi

gewicht zu finden, um erfolgreich zu sein. Das hat mich mein ganzes Leben geprägt, und es hat mich, der ich in der ganzen Welt unterwegs war, zurückgezogen nach Andermatt. Wir

Bernhard Russi ist ein Ur-Andermatter. Als Skirennfah-

haben mit der Gefahr leben gelernt, wir fürchten die Berge

rer machte er eine Weltkarriere, wurde Weltmeister und

nicht, aber wir respektieren sie, und als Bergler wissen wir

Olympiasieger und ist dem Skisport bis heute eng ver-

auch die grosse Herausforderung zu meistern, die mit Ander-

bunden, sei es als Kommentator von Skirennen beim

matt Swiss Alps auf uns zu kommt.

Schweizer Fernsehen oder beim Bau von Olympiaab-

Ich verstehe die Ängste und Bedenken, die geäussert wer-

fahrten. Russi ist Verwaltungsrat und Botschafter von

den: Es gehe zu schnell und das Dorf werde gespalten. Ein

Andermatt Swiss Alps. Er berät die Verantwortlichen

Zusammenwachsen zwischen altem und neuem Andermatt

unter anderem bei der Skigebietserweiterung und beim

sei schon wegen der vorwiegend sehr wohlhabenden Men-

neuen 18-Loch-Golfplatz.

schen, die zu uns kommen werden, kaum möglich.


Familientaugliches Wandern im Hochgebirge Mit dem Vier-Quellen-Weg im Gotthardmassiv hat Paul Dubacher einen alten Traum verwirklicht: einen familientauglichen Wanderweg mitten durchs Hochgebirge.

Paul Dubacher

«Die schönsten Stellen? Die Rheinquelle, die Aussicht vom Piz Giübin, der Lucendropass – und der Blick auf das Eismeer des Rhonegletschers.»


Herr Dubacher, wir stehen hier an der Quelle des Rheins am Oberalppass, dem Ausgangspunkt der Vier-Quellen-Wanderung. Was erwartet den Wanderer? Eine faszinierende Reise durchs Hochgebirge auf sicheren, ­familientauglichen Wegen, die man in fünf Tagesetappen über 85 Kilometer und 6100 Höhenmeter zurücklegen kann. Oder man nimmt sich nur ein Teilstück vor, das von Andermatt aus inklusive Hin- und Rückfahrt mit öffentlichem Verkehr problemlos in einem Tag machbar ist. Was hat Sie zum Vier-Quellen-Weg bewogen? Es war ein langgehegter Traum von mir, einen Wanderweg im Hochgebirge zu konzipieren, den man auch mit Kindern zurücklegen kann. Ich bin nach einigem Suchen und Kartenstudium schliesslich auf die Gotthardregion gestossen, zum einen wegen der fantastischen Landschaft und einfachen Zugänglichkeit, zum andern wegen des Wasserschlosses. Hier kann man zu Fuss die Quellen des Rheins, der Gotthard-Reuss, des Ticino und der Rhone erkunden, die in zwei Meere münden. Konnten Sie auf bestehende Wege zurückgreifen und einfach die entsprechenden Schilder aufstellen? Schön wär’s gewesen. Wir, die Stiftung Vier-Quellen-Weg, mussten rund zehn der 80 Kilometer praktisch neu anlegen – manchmal, weil die bestehenden Wege verfallen waren, manchmal, weil eine Route abgekürzt werden musste, um eine vernünftige Marschzeit zu erreichen, manchmal aber auch, um gefährliche Abschnitte zu entschärfen. Zum Beispiel? Bei der Talquerung Ri di Ronco gibt es eine Felswand, die mit einem schmalen, in den Fels geschlagenen Weg gequert werden musste. Das trauten sich einige unserer Testpersonen nicht. Wir haben den Pfad nun mit einem Kleinbagger auf

vor allem bei den Wanderwegen eine gewaltige Aufgabe.

1.40 Meter verbreitert.

Wir haben es am eigenen Leib erlebt: Eine Brücke, die wir bei Gletsch anlegen mussten, hat den letzten Winter nicht

Wer kommt für die Instandsetzung auf?

überstanden – und das trotz massiven Stahlträgern. Die

Hier sind die Gemeinden für sämtliche Wege zuständig, die

wurden von den Schneemassen einfach weggedrückt. Wir

nicht von Bund oder Kanton unterhalten werden. Das ist

garantieren den Unterhalt des Weges für zehn Jahre. Das kostet ­jährlich um 100 000 Franken. Dieses Geld müssen wir noch beschaffen.

Der Vier-Quellen-Weg führt gut markiert in fünf Etappen

Wo finden sich die schönsten Stellen des Vier-Quellen-Weges?

von der Rheinquelle über Gotthard-, Lucendro- und Nu-

Generell muss ich sagen, das Schönste ist das Erlebnis Hoch-

fenenpass ins Oberwallis zum Rhonegletscher. Offizielle

gebirge. Das ist die Wildnis, da ist der Mensch nur noch zu

Eröffnung des Vier-Quellen-Weges ist am 5. August 2012.

Gast. Das lehrt mich Ehrfurcht und Respekt vor der Natur.

Der Weg kann aber schon nach Ende der Schneeschmelze

Die schönsten Stellen? Die Rheinquelle, die Aussicht vom Piz

begangen werden.

­Giübin mit 2776 m ü. M., der höchsten Punkt der Tour, der

Mehr Infos unter www.vier-quellen-weg.ch.

Lucendro­pass, eine echte Wetterscheide, und natürlich der Blick auf das Eismeer des Rhonegletschers.

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Klimamaschine im Berg Mit der Themenwelt Sasso San Gottardo in der einstigen Gotthardfestung gehen die Ausstellungsmacher neue erlebnispädagogische Wege. Eröffnung ist am 25. August 2012.

Einem Perpetuum mobile gleich, von geheimnisvollen Kräf-

des schweizerischen Widerstandswillens im «Réduit», der na-

ten angetrieben, lässt sich die an die fantastischen Konstruk-

hezu uneinnehmbaren Festung in den Alpen. Im Kalten Krieg

tionen von Jean Tinguely erinnernde Klimamaschine nicht

verselbstständigte sich dieses Verteidigungskonzept, die alpi-

in die Karten blicken. Unter einer Glocke ist das Modell des

nen Festungen, militärisch noch dem Denken des Ersten Welt-

Gotthardmassivs den Launen des mit Projektionen und

krieges verpflichtet, wurden zu einer Art Selbstläufer, streng

schwirrenden Bildern dargestellten Wetters ausgesetzt.

geheim und nur den wenigen Eingeweihten zugänglich.

­Wären da nicht die Moose, die dieses unwirtlich anmutende Gebirge bewachsen, man wähnte sich in einer Steinwüste,

Kavernen als Ausstellungsraum

in der Klima und Wetter alleine das Sagen haben: ein stim-

Tempi passati. Als die letzten Soldaten 1999 abgezogen wa-

miges Sinnbild für eine letztlich launenhafte Natur. Davor

ren, blieben die grossen, durch Stollen verbundenen Löcher,

findet sich ein Eisklotz in einem Betonrund, «der letzte Glet-

die Mannschaftsunterkünfte, als Erinnerung, während der

scher», von Menschenhand geschaffen und gekühlt, Muse-

obere Teil der Festung, wo die Geschütze stationiert waren,

umsstück und Mahnmal zugleich.

unter Denkmalschutz gestellt wurde. Es waren die Armeekader selbst, die es nicht dabei belassen wollten. So kam

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Über Wasser gehen

es zur Idee, die Kavernen als Ausstellungsräume zu nutzen,

Man muss buchstäblich übers Wasser gehen, um diese bei-

und man war sich im Kreis der Initianten rund um die Kura-

den Installationen zu erreichen, der Wasserspiegel reicht

torin Lisa Humbert-Droz rasch einig, das Thema Nachhaltig-

knapp über den Rost, auf dem die Füsse ihren Halt finden.

keit anzugehen, «denn welcher Ort eignet sich dafür besser

Der Eindruck, dass es uns allen schon bald einmal bis zum

als der Gotthard mit seinen Mythen, seiner Festung, seiner

Hals stehen könnte, wird noch verstärkt durch die Örtlich-

Funktion als Wasserschloss Europas und seiner Empfind-

keit, in dem sich diese Installationen befinden: tief im Fels

lichkeit für Wetter und Klima», sagt Richard Schubiger, Ge-

des Gotthardmassivs in einer riesigen Kaverne. Vier dieser

schäftsführer der Stiftung Sasso San Gottardo.

Hallen hat die Schweizer Armee in den Jahren 1941 bis 1944

Es gelang, die 12,7 Millionen Franken aus öffentlich-

in den Berg gesprengt, verbunden durch ein System von Stol-

rechtlichen und privaten Töpfen zusammenzutragen, um die

len. 500 ­Soldaten waren noch bis 1999 in der Gotthard-Fes-

Kavernen im Innern des Gotthards zu neuem, friedlichen Le-

tung stationiert, deren Kanonen Ziele in Dutzenden von Kilo-

ben zu erwecken. Die Frage nach dem Sinn sei durchaus an-

metern Entfernung treffen konnten.

gebracht, meint Schubiger. «Die Leute sollen ruhig denken:

Ursprünglich als Abwehrmassnahme gegen eine Artilleriestellung Mussolinis konzipiert, wurde die Festung zum Symbol

Was soll das? Das macht neugierig, und es weckt Erwartungen. Viele werden überrascht sein.»


Beklemmend und erhellend Es ist das Verdienst der Ausstellungsmacher und der Szenografen Holzer Kobler Architekturen, die Beklemmung, – die einen unvermittelt packt, wenn man den langen Stollen ­betritt – nicht einfach mit hellem Kunstlicht wegzuleuchten, sondern mit geschickter Lichtführung und an die Wand projizierten Zitaten an die einstige Funktion zu erinnern. Verschiedene Themen werden in den Kavernen behandelt: Energie, Wasser, Klima und Wetter, Verkehr, Mobilität, Lebensraum und ­Sicherheit. «Es geht darum, die Besucherinnen und ­Besucher durch atmosphärische Erlebnisse mit Fragen zu konfrontieren und zum Nachdenken anzuregen. Die reine Wissensvermittlung steht klar im Hintergrund», umschreibt Schubiger das Konzept. Bis auf eine Ausnahme sind die ­Betonhüllen in den Kavernen entfernt worden, um die Kraft des nackten Felsens zu vermitteln, der sich, wie Versuche gezeigt haben, auch vorzüglich für Projektionen eignet. «Wir sind kein Museum, und die Themenwelt ist auch mehr als eine Ausstellung im klassischen Sinne. Wir werden mit den Elementen Licht, Klang, Wasser und Stein nachhaltige Erlebnisse ermöglichen. Und wir freuen uns, wenn die Besucher ins Staunen kommen.» Auch die denkmalgeschützten ehemaligen Artilleriestellungen im oberen Bereich der Festung können besichtigt werden. Sie sind über einen langen Stollen und einen Schräglift, der neu eingebaut worden ist, erreichbar.

50 000 Besucher erwartet Mit Eröffnung der Themenwelt Sasso San Gottardo am 25. August 2012 endet eine zehnjährige Planungs- und Bauphase. 50 000 Besucherinnen und Besucher werden pro Saison von Pfingsten bis Oktober erwartet – angesichts einer Million Fahrzeuge, die jährlich den Gotthardpass passieren, eine durchaus realistische Perspektive. Damit soll auch ein dauerhaft kostendeckender Betrieb möglich sein. www.sasso-sangottardo.ch


Neuer Rundweg durch die Schöllenenschlucht Sagen, Legenden und Dramen ranken sich um die Schöllenschlucht. Faszinierende Einblicke ermöglicht ein 560 Meter langer Rundweg mit einer neu erstellten, atemberaubenden Aussichtsplattform.

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«Do sell der Tyfel e Brig bue», rief ein Landammann verzwei-

Handel ein. Doch ein schlauer Bauer überlistete den Teufel:

felt aus. Es war um das Jahr 1200 herum, und endlich sollte

Er schickte seinen Geissbock hinüber, als die Brücke fertigge-

ein alter Traum der Urner, eine Brücke über die wilde Reuss in

stellt war. Der Teufel raste vor Wut und wollte die Brücke mit

der Schöllenenschlucht zu schlagen, in Erfüllung gehen. Die

einem riesigen Felsblock wieder zerstören, den er aus Was-

technischen Hürden waren aber zu hoch. Doch der Ruf nach

sen heranschleppte. Doch ein altes Weiblein ritzte ein Kreuz

dem Teufel wurde erhört. Er forderte für die bauliche Unter-

in den Stein, als der Teufel sich unterhalb Göschenens aus-

stützung ein tödliches Pfand: Die erste Seele, die über die

ruhte. Als er das Kreuz erblickte, versank er mit Wutgeheul

Brücke ging, sollte ihm gehören. Die Urner gingen auf den

in der Erde und ward im Urnerland nie wieder gesehen. Der


Teufelsstein steht heute bei der Autobahneinfahrt in Gö-

Die Schöllenenschlucht kann auf einem 560 Meter langen

schenen Richtung Norden.

Rundweg umwandert werden. Der Zugang findet sich am

Die erste Teufelsbrücke ist längst verfallen, und auch von

nördlichen Parkplatz oberhalb der beiden Teufelsbrücken.

ihrer Nachfolgerin, auf der sich russische und französische

Zunächst geht es am Restaurant vorbei über die alte Teu-

Truppen 1799 heftige Gefechte lieferten, sind nur noch Grundpfeiler erhalten. Die heute noch bestehende «alte» Teufelsbrücke wurde 1830 eingeweiht, die «neue», die heute für den Verkehr benutzt wird, 1956. Das Wandbild an der Teufelswand schuf der Urner Maler und Dichter Heinrich ­Danioth (1896 – 1953).

Ein schlauer Bauer überlistete den Teufel: Er schickte seinen Geissbock anstelle eines Menschen hinüber, als die Brücke fertiggestellt war. felsbrücke. Es folgt ein rund 100 ­Meter langer Abschnitt durch einen ausrangierten Militärstollen. Weiter führt

Mythen und Sagen in der Schöllenen

der Pfad entlang einer senkrechten Felswand zu einer neu

Bänz Simmen erzählt die packende und mystische Ge-

geschaffenen Aussichtsplattform mit atemberaubender

schichte der Schöllenenschlucht in zehn offiziellen Füh-

Sicht auf die Reuss und die verschiedenen Brücken. Um

rungen von Juni bis Oktober. Kontakt: Andermatt-Ur-

diesen Begegnungsplatz zu erreichen, muss der Viadukt

serental Tourismus GmbH, Gotthardstrasse 2, 6490

der Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGB) unterquert und

Andermatt, Tel. +41 (0)41 888 71 00, Fax +41 (0)41 888 71

eine neu gebaute Stahltreppe überwunden werden. Am

01, info@andermatt.ch, www.andermatt.ch

Schluss geht es via eine alte Militär­brücke und eine weitere Stahltreppenkonstruktion zurück zum Ausgangspunkt.


Gebaut für Männer, die wissen, dass die komplizierten Dinge im Leben die schönsten sind.

Portugieser Perpetual Calendar. Ref. 5032 : Um der Faszination des Mondes zu erliegen, müssen Sie ihn nicht betreten haben, sind die Auswirkungen des Erdtrabanten doch auch bei uns allgegenwärtig: Seine Anziehungskraft bestimmt die Gezeiten, sein Erscheinen und Verschwinden markiert das Ende und den Beginn jeden Tages und dem vollen Mond wird seit Menschengedenken Wunderbares zugeschrieben. Diese Eigenschaften haben die Uhrmachermeister von IWC bei der Entwicklung der Portugieser Perpetual Calendar inspiriert. Das Gehäuse aus 18 Karat Rotgold beherbergt ein eindrucksvolles Automatikkaliber mit ewigem Kalender und ewiger Mondphasenanzeige, Doppelmond für nördliche und südliche Hemisphäre und automatischen Pellaton-Aufzug – um nur die anspruchsvollsten Komplikationen zu nennen. Da versteht es sich fast von selbst, dass sie genau so zuverlässig läuft, wie der Mond seine Bahnen zieht. IWC. Engineered for men. IWC Schaffhausen Boutiquen: New York I Genf I Hong Kong I Paris I Shanghai I Zürich I Moskau I Singapur I Wien I Istanbul I Peking Für weitere Informationen wählen Sie bitte +41 52 635 63 63 oder schreiben Sie an info@iwc.com.

www.iwc.com



Highlights der Gotthardregion Golf in den Hochalpen

wird Par 33 gespielt und besteht aus einem Par-5-, vier Par-

Die grünen Matten in der Ebene des Urserentals bei Realp

4- und vier Par-3-Löchern. Der Platz steht allen Golferinnen

werden gesäumt von mächtigen Felsflanken der umliegen-

und Golfern offen, die mindestens im Besitz der offiziellen

den Gipfel. In diesem hochalpinen Ambiente lässt es sich aufs

Platzreife und einer von der ASG-Organisation anerkannten

Schönste golfen. Den Golfplatz Gotthard Realp gebe es, ge-

Mitgliedschaft sind.

formt von Eis und Wetter, eigentlich schon seit Jahrhunderten, pflegt Präsident Bernhard Russi zu sagen. Nur sei er nie

Golfclub Gotthard Realp, 6491 Realp, Tel. +41 (0)41 887 01 62,

genutzt worden, meint er in Anspielung auf die sich harmo-

www.golf-gotthard.ch

nisch ins Gelände einfügenden neun Bahnen des Platzes. Er Dem Gletscher ganz nah Seit 1870 wird beim Hotel Belvédère alljährlich eine hundert Meter lange Grotte in den Rhonegletscher geschlagen. Sie liegt, dem Abschmelzen des Gletschers folgend, heute auf 2300 m ü. M. auf der Walliser Seite, knapp drei Kilometer ­unterhalb der Furka-Passhöhe. 30 der 100 Meter schmelzen im Laufe des Sommers ab. Geschlossene Schuhe, warme ­Jacke oder Regenschutz werden empfohlen. Eine Aussichtsplattform mit herrlichem Rundblick auf das Eismeer und ein ­Restaurant mit guter Küche erwarten Sie. Öffnungszeiten: Anfang Juni bis 2. Hälfte Oktober, täglich von 8 – 18 Uhr, im Hochsommer bis ca. 19.30 Uhr. Kurzfristige Sperrung nach Wettereinbrüchen vorbehalten.


Eintrittspreise: Erwachsene CHF 7.–, Kinder 6 bis 12 Jahre

Mitte Juni bis Anfang Oktober geöffnet und ein idealer Aus-

CHF 3.–, Jugendliche bis 18 Jahre und Studenten mit Aus-

gangspunkt für Touren ins Hochgebirge.

weis CHF 5.–. Die Grotte ist nicht rollstuhlgängig. Hüttentelefon +41 (0)41 887 17 73. Eisgrotte, Souvenirshop & Buvette, 3999 Belvédère/Obergoms, Tel. +41 (0) 27 973 11 29 (Sommer), www.gletscher.ch Erlebnis Wasser in Göschenen Von den Vorfeldern des Dammagletschers zuhinterst im Göschenertal bis zur Kläranlage unterhalb des Dorfes führt der «Wasserweg», ein Erlebnis- und Bildungspfad, vorbei an 89 Stationen. An jedem beliebigen Ort können die Wanderer eintauchen: beim Gletscher oder beim Hochmoor, beim Staudamm, beim Biotop oder auf einer Aue, in der Schlucht

Talmuseum Andermatt In einem der schönsten, 1786 erbauten Patrizierhäuser des Urserentals findet sich im Dorfzentrum Andermatts das Talmuseum. In den Jahren 1987 bis 1991 wurde der Bau im ursprünglichen Sinne restauriert. Heute beherbergt er das Talmuseum Urseren. Ausstellungen zur Tal- und Kulturgeschichte, zur Wohlkultur um 1800, Alpwirtschaft, ­Alpentiere, Säumerwiesen und Naturalien. Im Sommer von Mittwoch bis Sonntag 16 bis 18 Uhr geöffnet.

oder an einer Quelle. Mit der Wanderkarte und dem Wanderführer «Rund ums Wasser» lassen sich Route und Inhalte erschliessen. Der Veranstalter Wasserwelten Göschenen bie-

T­ almuseum Urseren, +41 (0)41 887 06 24 www.talmuseum-Urseren.ch

tet geführte Touren zu Themen wie «Sinnerlebnis Wasser» oder «Lebensraum Wasser» an. Im Wassererlebnispark auf dem Bachsteinkletterpfad kann eine eigene Turbinenanlage gebaut werden. Geschäftsstelle Wasserwelten Göschenen, Bruno Zwyssig, Abfrutt, 6487 Göschenen, Tel. +41 (0) 41 885 18 34 www.wasserwelten.ch Mit Bahn und Postauto Die Schweiz ist ein Land der Eisenbahnen und Postautos – erst recht im Herzen der Alpen. Andermatt liegt in der Mitte einer der touristischen Paradestrecken, des Glacier Express, der St. Moritz mit Zermatt in einer siebenstündigen Fahrt im Panoramawagen verbindet. Auch mit konventionellen Zügen lässt es sich vorzüglich reisen, etwa auf der landschaftlich reizvollen Strecke von Andermatt nach Disentis über den Oberalppass. Dort kann man aufs Postauto umsteigen, das den Gast über den Lukmanier nach Biasca führt. Für die Rückfahrt empfiehlt sich, die Bahn auf der spektakulären Gotthard-Südrampe nach Göschenen und weiter durch die Schöllenenschlucht nach Andermatt zu nehmen. www.postauto.ch, www.sbb.ch, www.glacierexpress.ch Vermigelhütte Schon die dreistündige Wanderung durch das wildromantische Unteralptal, begleitet vom steten Rauschen der Reuss, bringt einem ins Schwärmen. Das Ziel, die Vermigelhütte (2042 m ü. M.), liegt an erhabener Lage, die Aussicht von der Terrasse ist phänomenal, und die urige Kost aus der Küche wärmt Körper und Seele. Die Hütte (36 Schlafplätze) ist von

Gotthard by Bike Der Gotthardpass lässt sich auf einer herrlichen Route, die grossteils alten, gepflästerten Saumpfaden und einst vom Militär genutzten Fahrsträsschen folgt, bezwingen. Der höchste Punkt wird nicht auf der Passhöhe, sondern in der kargen Hochgebirgslandschaft des Passo Scimfuss erreicht. Abfahrt nach Airolo durch Wälder und alte Weiler. Länge 31,5 km, 860 Höhenmeter für den Aufstieg, mittlere Ansprüche an Kondition und Technik. Die Mountain Bike ­Route Nummer 65 Gottardo Bike von Andermatt nach Airolo ist gut markiert.

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Die spektakulärsten Kurven der Schweiz Die Dichte an Pässen ist in der Gotthardregion extrem hoch. Im Mittelpunkt liegt Andermatt. Von dort aus geht es in jeder Himmelsrichtung kurvig weiter. Eine Übersicht und die schönsten Routen für Oldtimerpiloten und Motorradfahrer.


Gotthardpass

Grimsel

Der Gotthard verbindet Hospental und Airolo. Er war jahr-

Der Grimselpass verbindet Innertkirchen im Kanton Bern

hundertelang der bedeutendste Alpenpass der Schweiz für

mit Gletsch im Kanton Wallis. Einst wurden Käselaibe aus

den Nord-Süd-Fernhandel, bis er mit der Eröffnung des Eisen­

dem Berner Oberland über diesen Pass in südliche Gefilde

bahntunnels diesen Rang verlor. Heute führt eine bestens

transportiert. Heute zählt der Grimsel zu den Klassikern der

ausgebaute Strasse beidseits hinauf zur Passhöhe auf 2106 m

Schweizer Passlandschaft. Vom Wallis aus geht es in engen

ü. M. Spektakulär ist die nach wie vor unterhaltene, kopfstein-

Serpentinen steil bergan, auf der Berner Seite locken fantas-

bepflasterte Tremola auf der Südseite. Mit einer Million Fahr-

tische Panoramen und gut ausgebaute Kurven.

zeugen pro Saison lässt der Gotthard alle anderen Alpenpässe weit hinter sich. Entsprechend ist der Rummel auf der Passhö-

Susten

he, vor allem im Hochsommer. Geöffnet ab Mai bis Oktober (je

Der Susten war der erste für rein touristische Zwecke gebau-

nach Witterung und Schneeverhältnissen).

te Pass der Schweiz. Entsprechend ist die Route angelegt: Es geht praktisch von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt, man-

Oberalppass

che Kurven sind buchstäblich ins Freie gemauert. Im Som-

Der Oberalppass führt von Andermatt nach Sedrun im Kan-

mer sehr rege befahren.

ton Graubünden. Trotz seiner vergleichsweise geringen Passhöhe (2044 m ü. M.) bietet er spektakuläre Ausblicke auf das

Spektakulär ist die kopfsteinbepflasterte Tremola auf der Südseite des Gotthards, die Hospental und Airolo verbindet.

Urserental und eine beeindruckende hochalpine Umgebung. Die Strasse ist gut ausgebaut; auf der Bündnerseite gibt es einige enge Kurven. Furkapass

Die schönste Route für Oldtimer:

Der Furkapass führt von Realp nach Oberwald im Kanton

Andermatt – Hospental – Gotthard – Tremola – Airolo –

Wallis. Für viele ist er mit 2429 m ü. M. der schönste Alpen-

Leventina – Biasca – Lukmanier – Disentis – Oberalppass –

pass überhaupt. Hier wähnt man sich auf jedem Meter im

Andermatt.

Herz der Alpen: Alpwiesen, rauschende Bäche, riesige Trog-

Drei einfach zu befahrende Pässe, zwei Wetterscheiden,

täler, Sonnenterrassen, eine raue Hochgebirgslandschaft

die Luft des Nordens und des Südens. Eine auch mit Oldti-

auf der Passhöhe und der nahe Rhonegletscher laden immer

mern gut in einem Tag machbare Route. Die Bremsen wer-

wieder zum Halt. Die Strasse ist teils sehr schmal und fahre-

den dabei vor allem auf der Tremola beansprucht. Auf hal-

risch anspruchsvoll.

ber Strecke lädt die Osteria Centrale in Olivone im Bleniotal auf der Südseite des Lukmanierpasses zur Rast. Hervorra-

Schöllenen

gende Tessiner Küche, köstliche hausgemachte Wurstwa-

Die Schöllenenschlucht lässt die Kraft des Wassers fast sinn-

ren und Käse, authentisches Ambiente, Gastzimmer.

lich erfahren. Die Strasse ist heute nahezu perfekt ausgebaut, ein Halt bei der Teufelsbrücke ist Pflicht.

Annemarie Emch und Tiziano Canonica, Osteria Centrale, 6718 Olivone, Tel. +41 (0)91 872 11 07

Lukmanier

www.osteriacentraleolivone.ch

Eine vergleichsweise weniger bekannte Route von Disentis im Hinterrheintal nach Biasca im Kanton Tessin. Eine sehr

Die schönste Route für Motorradfahrer

reizvolle Strecke; auch im Sommer hat man sie oft fast für

Andermatt – Schöllenen – Wassen – Sustenpass – Innertkir-

sich allein.

chen – Grimselpass – Gletsch – Furkapass – Andermatt. Eine Strecke für ambitionierte Motorradfahrer, die Kurven

Nufenen

lieben. Die drei Pässe sind die Highlights, aber auch dazwi-

Vor allem Motorradfahrer lieben den höchsten Pass der

schen geht es kurvenreich bergan und bergab. Auf halber

Schweiz (2478 m ü. M.), der von Ulrichen im Oberwallis nach

Strecke findet sich in Innertkirchen das bei Motorradfahrern

Airolo im Tessin führt. Er ist fahrerisch sehr anspruchsvoll;

sehr beliebte Hotel Restaurant Urweider mit von Rezepten

wer mit engen Kurven, schmalen Strassen, dem einen oder

aus dem Piemont inspirierter, feiner Küche.

anderen Schlagloch und steilen Auffahrten nicht zurechtkommt, sollte diesen Pass meiden. Für alle anderen gilt: Der

Hotel Restaurant Urweider, Dorfstrasse 11, 3862 Innertkir-

Fahrgenuss ist hoch.

chen, Tel. +41 (0)33 971 38 88, www.urweider.ch

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Andermatt im Umbruch Seit dem Bau der Teufelsbrücke vor achthundert Jahren prägte der internationale Verkehr über den Gotthard während Jahrhunderten das Urserental. Ein erster Tourismusboom im ausgehenden 19. Jahrhundert erwies sich als kurzlebig. Dann kam das Militär – und ging mit dem Ende des Kalten Krieges. Nun sind die Weichen für eine nachhaltige Zukunft gestellt.

«Wir standen vor dem Nichts. Die Armee war weg. Und dann

chend frostig war der Empfang des damaligen Bundesprä-

kam Samih Sawiris mit seinem Resortprojekt. Er ist wie ein

sidenten Simon Bavier bei der Einweihungsfeier am 23. Mai

weisser Ritter, doch es gibt auch keine Alternative zu ihm.

1883, wie er selber festhielt: «Die armen Leute hatten nicht

Wird von Dauer sein, was er aufbaut?» Wer in diesen Tagen,

unrecht; denn der Verkehr, der täglich mit mehr als 400 Pfer-

an denen das Hotel The Chedi schon seine Gestalt angenom-

den stattfand und grossen Verdienst brachte, hörte nun auf.

men hat, mit Andermatterinnen und Andermattern über die

Der ‹Brotschelm›, wie sie die Lokomotive nannten, nahm al-

Zukunft des Dorfes und des Urserentals spricht, wähnt sich

les weg.»

Es geht aufwärts: In Andermatt wird wieder investiert. Rund 1 800 Personen sollen im Resort von Andermatt Swiss Alps Beschäftigung finden.

Gotthardpass zur Bedeutungslosigkeit verdammt Eine fast siebenhundertjährige Epoche ging zu Ende, die mit dem Bau der Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht um 1200 ihren Anfang genommen hatte. Damals hatten Walser Siedler sich gerade etabliert und die ortsansässige ro-

unvermittelt um 130 Jahre zurückversetzt. Dieselben Hoff-

manische Bevölkerung assimiliert. Das Land stellte ihnen

nungen und Ängste plagten die Dorfbevölkerung vor fünf

das Kloster Disentis, zu dessen Hoheitsgebiet das Urseren-

Generationen: 1882 hatte die Eröffnung des Gotthardtun-

tal gehört, als bäuerliche Erbleihe zur Verfügung. Die schon

nels einer langen Blütezeit ein abruptes Ende bereitet. Der

im 9. Jahrhundert erbaute, im Hochmittelalter erweiterte­

Gotthardpass verlor über Nacht seine Bedeutung. Entspre-

romanische St. Kolumbanskirche am Fuss des Nätschen


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diente während Jahrhunderten der ganzen Talbevölkerung. Sie hat, geschützt vom Bannwald, allen Stürmen und Lawinenzügen getrotzt. Das Urserental, bislang von der Umwelt praktisch abgeschnitten, erhielt nun eine strategische Bedeutung für den Nord-Süd-Handel, an dem die Urner, die 1403 erstmals in die Leventina vorgestossen waren, reges Interesse bekundeten. Nur sieben Jahre später wurde das «Ewige Landrecht» beschlossen. Faktisch erkannten die «Urschner» die Oberhoheit der Urner in Krieg, Gericht und Verkehrsfragen an, behielten aber eine beschränkte Autonomie in Gerichtsfragen und die Verfügungsgewalt über Alpen und Allmenden, die in Händen der Korporation Urserental lag – und bis heute liegt. Die Landwirtschaft nährte das Tal. Käse und Schlachtvieh wurden vorwiegend nach Oberitalien exportiert. Säumerei und Wegunterhalt waren ein willkommener Nebenverdienst, und einige brachten es zu stattlichem Reichtum. Erste Gäste – und das Militär Mit der Fertigstellung der Fahrstrasse über den Gotthard 1830 kam es zu einem Boom. Postkutschen und Fuhrwerke überquerten jetzt den Pass, und es kamen die ersten Gäste. Diese waren so fasziniert von der Schönheit des Hochtals, dass sie manchmal für mehrere Wochen blieben. Doch


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schon 1882 war es mit dieser Herrlichkeit vorbei. Das Urse-

der Armee im Gebirge.

rental drohte tief ins Mittelalter zurückgeworfen zu werden.

1999 schloss die Gotthardfestung ihre Tore, auch viele

Doch es kam anders: Mit der Gründung des Waffenplatzes

­Armeeanlagen im Tal wurden aufgegeben. Es sah düster aus.

Andermatt 1895 zog die Armee ein. Sie sollte für ein Jahr-

Denn auch der Tourismus, der in den vergangenen Jahrzehn-

hundert zum dominierenden Wirtschaftsfaktor werden. Das

ten einige Blüten getrieben hatte, lebte wesentlich vom Mi-

Bild ­eines von Verteidigungsanlagen durchlöcherten Gott-

litär und wurde in dieser Zeit vernachlässigt. Die Ansprüche

hards mag übertrieben klingen, es ist aber durchaus stim-

waren bescheiden, die touristische Infrastruktur auf dem

mig. Die Armee nährte halb Andermatt. Zu der permanenten

Stand der 1970er Jahre praktisch eingefroren, und niemand

Besatzung kamen Rekruten und Milizsoldaten, oft Hunder-

wollte angesichts der Perspektiven ohne Armee investieren.

te an der Zahl. Hotellerie, Gastronomie, Landwirtschaft und

Andermatt stand erneut vor dem Nichts. Das Wort von der «alpinen Brache» machte die Runde, und die Region litt unter

Andermatt wird mit Andermatt Swiss Alps von Samih Sawiris etwa doppelt so viel Fläche belegen, auch die Zahl der Betten wird sich verdoppeln.

einer starken Abwanderung. Andermatt Swiss Alps 2005 liess sich der ägyptische Tourismusunternehmer Samih Sawiris bei einem Helikopterflug das Urserental zeigen.

Gewerbe machten gute Geschäfte. Spätestens mit dem

Es gefiel ihm so gut, dass ein Projekt Andermatts touristische

Ende des Kalten Krieges wurde klar, dass es mit den militä-

Zukunft auf eine ganz andere Stufe heben sollte. Er wurde

risch weitgehend sinnlosen Festungen in den Alpen ein Ende

bei Behörden und Wirtschaft mit offenen Armen empfan-

­haben musste – und mit ihnen auch mit der grossen Präsenz

gen. Nach und nach liess sich auch die anfänglich eher skeptisch gestimmte Bevölkerung Andermatts und des Urserentals gewinnen. Mit dem Spatenstich für das Hotel The Chedi ging es 2009 los. Das Projekt «Andermatt Swiss Alps» setzt für die veraltete Tourismusdestination neue Massstäbe. Es ist eine Mischung aus Vier- und Fünfsterne-Hotellerie und Luxusresidenzen. Das Sportangebot wird erheblich erweitert, unter anderem mit einem Sport- und Freizeitzentrum, einem Ausbau des Ski­gebietes und einem 18-Loch-Golfplatz. Andermatt wird etwa doppelt so viel Fläche belegen, auch die Zahl der Betten wird sich verdoppeln. Die Perspektiven sind da. Daran glauben auch die Andermatterinnen und Andermatter. Im Dorf wird wieder investiert, aus Bauruinen sind in kurzer Zeit Gebäudebijoux geworden. Doch das wird erst der Anfang sein: Rund 1800 Personen sollen im Resort von Andermatt Swiss Alps Beschäftigung finden. Andermatt zählt aktuell knapp 1300 Einwohner. Zahlreiche Wohnungen werden in Zukunft benötigt. Sie werden nicht alleine im ­Urserental gebaut werden können. Damit dreht sich der Spiess um: Andermatt, das viele Jahrzehnte auf Hilfe aus dem Unterland angewiesen war, wird erstmals seit der Besiedlung durch Walser zum Magneten, für Touristen und Erwerbstätige gleichermassen. Ein neues Kapitel der Tal­ geschichte hat begonnen.

Buchtipp: Robert Krucker/Verena Meier: Andermatt im ­Umbruch. Vom Waffenplatz zum Luxusresort. Erschienen im Rotpunktverlag.


Vom Hotel Bellevue zum The Chedi Andermatt Es gibt Hotels, die erzählen die Geschichte einer ganzen Region. Ein solcher Betrieb war das Hotel Bellevue in Andermatt. Mit dem Bau der Gotthardstrasse im Jahr 1830 wurde das Urserental für den bequemen Verkehr mit der Postkutsche erschlos-

Buchtipp: Das im Gisler-Verlag Altdorf erschienene Buch

sen. Die bürgerlichen Oberschichten aus den Städten entdeck-

«Das Bellevue in Andermatt 1872–1986» der Historikerin

ten die Alpen. Auf den gewohnten Luxus verzichten wollten

­Silvia Scheuerer dokumentiert die Kulturgeschichte der

diese reichen Leute aber nicht. Pioniergeist war gefragt und

­Luxushotellerie und des Tourismus im Urserental.

dieser erwachte im jungen Andermatter Sebastian Christen mit den zunehmenden Touistenströmen. 1872 wurde das Hotel Bellevue glanzvoll eröffnet. Es war das erste grosse Hotel in Andermatt und bot jeden erdenklichen Luxus der Epoche.

Tagsüber trieben die Gäste des Bellevue alle möglichen Ar-

Die internationale Prominenz blieb nicht lange aus: Die Kron-

ten des Wintersports; am Abend wurde das Hotel zu einem

prinzenfamilie aus Sachsen sowie angesehene Professoren

­Magnet, der Gäste aus der ganzen Region anzog. Afternoon-

aus Bern, Zürich und Hamburg zählten bald zu den Stamm-

Tea, Orchesterkonzerte und Tanzabende, die als rauschende

gästen. Auch Winston Churchill und der russische Hochadel

Feste inszeniert wurden, prägten den legendären Ruf des

wurden im Bellevue willkommen geheissen. Nach zehn er-

Grandhotels in dieser Zeit.

folgreichen Betriebsjahren drohte 1882 mit der Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels der Passverkehr einzuschla-

Ein neues Kapitel beginnt: The Chedi Andermatt

fen. Der Bellevue-Hotelier gestaltete das Nobelhotel kurzer-

Trotz herbem Rückschlag durch den Ersten Weltkrieg und

hand zum Kurhotel um. So zog es auch im Winter Lungen-

die Wirtschaftskrise der späten 1920er Jahre konnte das

kranke aus ganz Europa an. Doch die Hoffnungen erfüllten

Grand­hotel Bellevue Palace auch in der Zwischenkriegszeit

sich nur zögerlich, und obwohl sich die Winterkur mehr und

bestehen. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges schloss

mehr etablierte, warf Christen 1892 verbittert das Handtuch.

es im September 1939 seine Tore für immer und machte dem ­Generalstab der Schweizer Armee Platz. 1957 wurden

Goldene Jahre ab 1900

die ­Hotelzimmer zu einfachen Wohnungen umgebaut, und

Für etwas mehr als eine halbe Million Franken erwarb 1899

1986 wurde das Gebäude schliesslich abgerissen.

die Hotelierfamilie Müller-Lombardi das Bellevue. Bevor es am

Seither wartet das Bellevue-Areal, an dem so viele Erinne-

1. Juni 1900 als Grandhotel Bellevue Palace wieder eröffnete,

rungen ihren Ursprung haben, auf einen würdigen Nachfol-

wurde es komplett renoviert. In den Folgejahren durchlebte das

ger, den es jetzt bekommt: Das Hotel The Chedi Andermatt

Bellevue seine Glanzzeit. Italienische Industrielle nutzten es zu-

ist im Rohbau bereits fertiggestellt; der Innenausbau ist in

nehmend als «Sommerfrische» und brachten Glamour in das

­vollem Gange. Ende 2013 beginnt mit der Eröffnung des Ho-

Urserental. In den Wintermonaten entdeckten die Gäste auch

tels The Chedi Andermatt ein neues Kapitel in der Andermat-

die sportlichen Möglichkeiten der Alpen. 1903 bot der Glarner

ter Luxushotellerie.

Skiclub seine ersten Skikurse an – zunächst eine «neumodische Spinnerei», die schnell zum ­Massenphänomen wurde.

www.andermatt-swissalps.ch


«In der Gruppe macht’s am meisten Spass» Riverrafting auf der Gotthard-Reuss vermittle nicht nur einen spektakulären Eindruck von der Kraft des Wildwassers, sondern auch von einer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft, erklärt Raftingguide Beat Zobrist im Interview.

Herr Zobrist, Sie kommen gerade von einem Rafting auf der

Auch mit Ungeübten?

Gotthard-Reuss. Wie war’s?

Ja, natürlich. Da erst recht. Natürlich werden die Teilnehmer

Herrlich. Beidseits des Flusses waren die Bauern auf den

instruiert, wie sie die Paddel halten müssen; es gibt ein paar

­Wiesen an der Arbeit, meistens von Hand, weil es in den stei-

Kommandos, die man sich merken sollte. Dann kommt es

len Hängen gar nicht anders geht. Es roch nach frischem Gras

nur noch darauf an, an einem Strick zu ziehen beziehungs-

und Heu, überall grünte und blühte es.

weise die Paddel im Gleichklang zu schlagen.

Das klingt nicht gerade nach einer Wildwasserfahrt. Ist die

Wie sind Riverrafter ausgerüstet?

Reuss so beschaulich?

Mit Neoprenanzügen und -schuhen, Schwimmwesten,

Im unteren Abschnitt der Strecke zwischen Amsteg und

Helm, dem Paddel und einer wasserabweisenden Jacke. Die

­Attinghausen, die wir befahren, gibt es einige ganz ruhi-

Ausrüstung wird von uns zur Verfügung gestellt.

ge Abschnitte. Da fliesst die Reuss ruhig dahin, es gibt keine heiklen Stellen, die man umfahren muss, und man kann

Ist Riverraften gefährlich?

die Seele baumeln lassen. Generell zählt die Gotthard-Reuss

Bei Hochwasser sind die Flüsse natürlich tabu. Ein lizenzier-

zu den relativ einfach zu befahrenden Flüssen. Wir spre-

ter Guide ist Pflicht, der in der Lage ist, das Boot auch alleine

chen vom Schwierigkeitsgrad II bis III auf einer sechsstufigen

zu steuern, wenn’s sein muss. Auf den geführten Strecken

­Skala. Wobei Stufe VI als unbefahrbar gilt.

kann nicht viel passieren, solange die Vorschriften eingehalten werden.

Und Stufe III?

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Da geht’s schon einigermassen ab. Es hat Wellen, Felsen und

Und wenn jemand ins Wasser fällt?

eine stattliche Fliessgeschwindigkeit. Sicher nichts für Un-

Dann ziehen wir die Person einfach wieder rein. Das kommt

geübte. Stufe II ist etwas einfacher, aber wer sich nicht aus-

schon mal vor, aber mehr als einen Kälteschauer hat man

kennt, sollte auch da die Finger davon lassen. Gleich beim

­dabei nicht zu befürchten. Die Schwimmweste sorgt für

Einstieg in der Nähe des Zeughauses in Amsteg geht’s mit

Auftrieb, der Kopf bleibt über Wasser, und dank dem Neo-

einigen Stromschnellen los. Da sieht man gleich, wie man

prenanzug wird der Körper nicht unterkühlt. Und nochmals:

als Team funktioniert. Riverrafting macht in der Gruppe am

Die Gewässer, die wir kommerziell befahren, sind bezüglich

meisten Spass.

­Gefahren auf einer so niedrigen Stufe, dass Action und Spass


garantiert sind, das Risiko aber minimiert ist. Schwere Un­

Was reizt Sie als Kapitän eines Rafts?

fälle sind im Riverrafting sehr selten, auf der einfach zu be-

Nun, es gilt der Grundsatz einer defensiven Fahrweise, und

fahrenden Reuss ist mir keiner bekannt. Wir sprechen nicht

dazu muss ich das Wasser lesen, ich muss vorausschauend

umsonst von Fun-Rafting.

fahren, um die Manöver rechtzeitig einleiten zu können. Dann geht es manchmal fast wie von selbst. Und der Fluss ist

Worin liegt denn der Spass?

ja ein dynamisches Gebilde, er verändert sein Gesicht stän-

Es sind vor allem die Wellen, über die wir mit den Booten

dig: Felsblöcke werden verschoben, Kiesbänke entstehen,

schiessen. Das spritzt schon mal gewaltig, die Gischt, das

auch der Mensch beeinflusst mit Renaturierungsmassnah-

Rauschen des Flusses, die gemeinsamen Steueraktionen und

men seinen Lauf.

die Befriedigung, wenn man eine Stromschnelle gemeistert hat. Das macht es für die meisten aus.

Beat Zobrist

Und für Sie?

«Man geht ein Stück eines spektakulären Weges gemeinsam. Das ist emotional immer wieder beeindruckend.»

Ich bin in einer natürlichen Umgebung unterwegs, die mir sonst verschlossen bleibt. Und ich mag das Erlebnis im Team. Man geht ein Stück eines ziemlich spektakulären Weges ­gemeinsam. Das ist auch emotional immer wieder beein-

Gibt es eine Altersgrenze für die Teilnehmer?

druckend.

Wir nehmen alle Erwachsenen mit, Kinder ab einem Alter von zehn Jahren. Und es gilt der Grundsatz: Nur Schwimmer an Bord.

Beat Zobrist ist Prüfungsexperte SOA (Swiss Outdoor

Blickt man auf die Karte, so läuft auf weiten Teilen der Strecke

Association) sowie Leiter Sicherheit und Raftguide bei

die Autobahn parallel zur Reuss. Stört Sie das?

www.wasser-land.ch, einem führenden Anbieter von Ri-

Die nimmt man eigentlich kaum mehr wahr. Das liegt wohl

verrafting- und Kanu Touren auf verschiedenen Alpen-

daran, dass man sich in einem ganz anderen Element bewegt.

flüssen sowie Teambuilding-Aktivitäten in der Natur. Die Gotthard-Reuss wird auf Anfrage in Gruppen von Mai

Wie sieht es am Oberlauf der Gotthard-Reuss fürs Rafting aus?

bis Oktober befahren. In der weiteren Gotthardregion

Das ist nichts mehr für die Rafter, viel zu eng und schnell.

wird auch auf verschiedenen Abschnitten der Rhone ab

Aber die besten Kajakfahrer finden da ihr Eldorado. Einige

Visp und am Vorderrhein ab Ilanz geraftet. Spektakulär ist

meistern sogar Teile der Schöllenenschlucht, auch unter der

das Canyoning in der Chli-Schlieren-Schlucht bei Alpnach.

Teufelsbrücke.

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Aber wahr. Jede Sportlergeneration braucht eine neue Herausforderung.


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Klettertipps vom Fachmann Johnny Müller ist seit 15 Jahren diplomierter Berg- und Skiführer in Andermatt. Müller empfiehlt für alle beschriebenen Routen die Begleitung eines kundigen Bergführers.

Teuflischer Klettersteig «Der Klettersteig Diavolo ist, trotz seines furchterregenden Namens, als eher leicht einzustufen. 700 Meter Kabel sind gelegt, 265 Tritte und 185 Verankerungseisen sorgen für zusätzliche Sicherheit. Auch grössere Kinder schaffen in Begleitung eines Führers den Aufstieg. Er geht los beim SuworowDenkmal und führt über anfänglich gestuftes Gelände durch die Granitfelsen der Schöllenenschlucht. Der Blick in die Tiefe Johnny Müller

«Der Gotthardpass ist ein Boulderparadies, die Dichte attraktiver Felsen ist aussergewöhnlich hoch, und es gibt einige sehr schöne Probleme zu lösen.»

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mit der alten Teufelsbrücke und den modernen Nachfolgerin-

Riesenausrüstung, kommt dennoch voll auf seine sportlichen

nen beeindruckt. Allmählich schrumpfen sie auf Spielzeug-

Kosten. Eine Matte am Boden und ein Helfer genügen zur Si-

format. Durch eine Rinne und über eine senkrechte Leiter ge-

cherung. Der Gotthardpass ist ein wahres Boulderparadies,

langt man nach zwei Stunden zum Ziel, dem Tüfelstalboden.

die Dichte attraktiver Felsen ist aussergewöhnlich hoch, und

Schön ist auch der einstündige Abstieg nach Andermatt, eine

es gibt einige sehr schöne Probleme zu lösen. Bouldern heisst

gemütliche Wanderung durch den Schutzwald Kirchenberg.»

für mich auch spielen; hier kann man bestimmte Probleme immer wieder üben, bis man sie im Griff hat. Die meisten

Klettergarten Luterseeplatten

Felsen lassen sich in wenigen Minuten erreichen. Besonders

«40 Routen in den Schwierigkeitsgraden 3 a bis 7 a finden sich

reizvoll ist der Sektor Dark Side am Lucendro-Stausee – etwas

in diesem gut 30 Meter hohen Klettergarten am Oberalppass

für grosse Könnerinnen und Könner.»

oberhalb des Lutersees. Da kommen sowohl Anfänger als auch ambitionierte Bergsteiger voll auf ihre Kosten. Die Routen sind

Graue Wand

alle mit Bohrhaken ausgestattet, man kann sich also ganz aufs

«In Bergsteigerkreisen ist die Graue Wand im Furkagebiet

Klettern konzentrieren. Vom Gütsch aus kommt man in gemüt-

wegen der montierten Kletterhilfen umstritten. Doch genau

lichen 30 Minuten über eine Bergstrasse zur Wand. Die Struktur

das brauchen wir: gut abgesicherte Routen, die jenen entge-

der ­Felsen ist aussergewöhnlich und wie geschaffen zum Klet-

genkommen, für die nicht einfach die sportliche Höchstleis-

tern. Und wenn an einem schönen Sommertag die Kletterlust

tung, sondern auch der Klettergenuss im Vordergrund steht.

das ­Klettervolk packt – am Klettergarten Luterseeplatten findet

Und der ist auf dieser in gut vier Stunden zu bewältigenden

sich immer eine reizvolle Route.»

Route mit Schwierigkeitsgrad 6 absolut gegeben. Es ist eine anspruchsvolle Tour über 400 Höhenmeter mit zehn Seillän-

Boulderparadies Gotthardpass

gen à 40 bis 50 Meter. Fürs Abseilen rechne ich mit einer wei-

«Das Bouldern, das Erklettern von nur wenigen Metern

teren Stunde. Die Felsqualität ist gut, auch der zweistündi-

­hohen Felsbrocken mit teils immensem Schwierigkeitsgrad,

ge Zustieg ist einfach. Anfänger haben hier dennoch nichts

erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Man braucht keine

verloren, geübte Bergsteiger kommen voll auf ihre Kosten.»


Pizzo Centrale: lohnendes Gipfelziel Der Pizzo Centrale (2999 m ü. M.) liegt im Herzen der Alpen. Er lässt sich in einer herrlichen, recht anspruchsvollen Bergtour erwandern.

Der Pizzo Centrale hat seinen Namen nicht von ungefähr: Er

Nach einer kurzen Rast geht es eine steile Felswand – auf

markiert die Kantonsgrenze zwischen Tessin und Uri, und er

teils abenteuerlich anmutenden, aber sicher zu passieren-

erlaubt dank seiner exponierten Lage eine sensationelle Aus-

dem Weg – hinauf zum Sasso di Paisgion (2468 m ü. M.), ei-

sicht, wie sie sonst nur von weit höheren Gipfeln möglich ist.

nem herrlichen, einfach zu begehenden Höhenplateau. Die

Der Aufstieg von der Gotthardpasshöhe (2056 m ü. M.) ist

Vegetation wird spärlicher und spärlicher, die alpinen Mat-

happig und mit der Kategorie T3, stellenweise T4, ab Sella-

ten wandeln sich in Felsplatten, auf denen sich, einem bun-

Stausee auf blau-weiss markietem Bergweg für ungeübte

ten Teppich gleich, Flechten und, an feuchteren Stellen, Moo-

Berggänger nicht zu empfehlen. Trittsicherheit und Schwin-

se ausbreiten. Fast unbezwingbar mutet der Pizzo Centrale

delfreiheit sind vor allem auf dem letzten, sehr steilen Stück

an, wenn er nach der Querung eines Felsgrates ins Blickfeld

zum Gipfel unabdingbar.

rückt. An seiner steilen Südflanke klammert sich ein schma-

Weit gemütlicher ist der Einstieg in die Wanderung: Auf

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ler Pfad, der hinaufführt zu einem Grat (2925 m ü. M.).

einem Kiessträsschen geht es gemächlich bergan, hinauf

Die letzten 74 Höhenmeter auf dem Südwestgrat des

zum Sella-Stausee (2256 m ü. M.). Das im Sommer randvol-

­Gipfels haben es in sich: Es sind nur Wegspuren vorhanden

le Gewässer wird auf der linken Seite passiert, bis zu einer

im extrem steilen Gelände, das Schlussstück verlangt Kon-

Wegabzweigung ins steile Gelände (blau-weisse Markierung

zentration und Kondition zugleich. Der Gipfel selbst bildet

beachten). In engen Serpentinen geht es über Alpweiden hi-

ein kleines Plateau, auf dem es sich vorzüglich rasten und die

nauf; es gilt, Bergbäche zu queren, zur Linken erhebt sich

fantastische Aussicht geniessen lässt. Die Spalten des obe-

das Gloggentürmli (2675 m ü. M.), zur Rechten der Posme-

ren Schatzfirns sind um diese Jahreszeit gut zu erkennen;

da (2616 m ü. M.), dazwischen ist der Sellapass (2701 m ü.

der Gemsstock, der Hausberg Andermatts, liegt gleich ge-

M.) zu erkennen. Die stattlichen Alphütten an dessen Flanke

genüber und wäre ein lohnendes Wanderziel, liegt für eine

sind Relikte des Kalten Krieges: Es sind getarnte Eingänge in

­Tagesetappe aber doch zu weit weg. So geht es auf gleichem

die Gotthardfestung.

Weg zurück zum Gotthardpass.


Die Bergtour

Die beliebtesten Wanderungen in der Gotthardregion:

Ausrüstung: Gutes Schuhwerk ist unabdingbar, bei schlechtem Wetter sollte auf eine Besteigung verzichtet

Kleine Unteralprunde: Start und Ziel in Andermatt; Schwie-

werden.

rigkeitsgrad einfach; Höhendifferenz 100 m Aufstieg, 100 m

Karte: Landeskarte 1:25 000, Blätter 1231 Urseren und

Abstieg; Wanderzeit ca. 1.5 h; Restaurants in Andermatt

1232 Oberalppass. Unter www.map.geo.admin.ch lassen sich die Kartenausschnitte auch in höchster Auflösung

Zur Rheinquelle: Oberalppass – Tomasee – Oberalppass;

(1:5 000) herunterladen und ausdrucken.

Schwierigkeitsgrad mittel; Höhendifferenz 300 m Aufstieg,

Typ: T 3 (anspruchsvolles Bergwandern), stellenweise T 4

300 m Abstieg; Wanderzeit ca. 3.5 h; Restaurant Oberalp-

­(Alpinwandern, stellenweise müssen die Hände zur Hilfe

pass; An- und Rückreise Bahn

genommen werden). Marschzeit: 5 Stunden 30 Minuten. Höhenmeter: je 780 für Auf- und Abstieg, die Mitnahme

Fünf-Seen-Wanderung:

von Wanderstöcken wird empfohlen.

Schwierigkeitsgrad mittel; ­Höhendifferenz 680 m Aufstieg,

Ideale Wanderzeit: Ab Mitte Juli bis Oktober (sofern

680 m Abstieg; Wanderzeit ca. 4 h; Restaurant Gotthardpass;

schneefrei).

An- und Rückreise Postauto

Gotthardpass

Gotthardpass;

Verpflegung: Auf der Wanderung aus dem Rucksack. Als Wegzehrung seien die leckeren Alpkäse und Würste

Urschner Höhenweg: Andermatt – Tiefenbach; Schwierig-

empfohlen, die am Gotthardpass verkauft werden. Dort

keitsgrad mittel; Höhendifferenz 1000 m Aufstieg, 200 m

auch sehr gutes Restaurant im Ospizio.

­Abstieg; Wanderzeit ca. 6 h; Restaurant in Tiefenbach; Rückreise Postauto (evtl. Bahn ab Realp)


Qualität, Auswahl und Service Die Andermatter Sportfachgeschäfte bieten neben einer reichen Produkteauswahl an Sportgeräten und Bekleidung auch fachkundige Beratung. Drei Andermatter Expertinnen und Experten und ihre ganz persönlichen Tipps:

«Das Bike für den Genussfahrer»

bitionen empfehle ich das Modell Meta AM1 für 4699 Fran-

«Das All Mountain Bike ist das ideale Sportgerät für den Hob-

ken. Es kann für 79 Franken am Tag auch gemietet werden.

bybiker. Es macht im Vergleich zu den Bikes für Spezialisten

Wer es danach kauft, erhält den Mietpreis zurückerstattet.»

oder Profisportler Kompromisse, ist etwas schwerer, hat etwas weniger Federweg und ist gerade deshalb in der Hand-

Adrian Brunner war bis 1998 Wettkampfsportler auf dem

habung viel einfacher, ideal für all jene Bikerinnen und Biker,

Mountainbike. In seinem Geschäft Snowlimit an der Gott-

für die der Genuss beim Fahren im Vordergrund steht.

hardstrasse 21 verkauft er hochwertige Sportfahrräder und

Denn seien wir ehrlich: Beim Bergauf-Biken ist

alles rund ums Bike. Im Winter ist er auf Snowboards spezia-

das eigene Körpergewicht viel entscheidender

lisiert.

als jenes des Fahrrades. Und bergab weiss man den Komfort und die Sicherheit einer Regulierung der Sattelhöhe auf Knopfdruck

«Einlaufen gehört dazu»

und die etwas straffere Federung sehr

«Ein Bergsportschuh will sorgfältig ausgesucht sein. Er muss

zu schätzen. Die aus Andorra stam-

sich gut an die Fussform anpassen. Der eine Fuss ist breiter,

mende Marke Commencal bietet eine

der andere schmaler, manche Berggänger kommen nur mit

schöne Palette von All Mountain Bikes.

ergonomisch ausgefeilten Modellen zurecht, andere wie-

Für Genussfahrer mit sportlichen Am-

derum gar nicht. Eines ist indes bei jedem guten Bergsport-


schuh unabdingbar: Sie müs-

setzt ein ehemalier Snowboarder, Andy Tanner, die Akzente

sen eingelaufen werden, und

mit seinem Brand Alprausch und macht damit die Alters-

mit Blasen muss man in den

gruppen vom Baby bis zur Seniorin glücklich. Er und seine

ersten Stunden schon rech-

Modedesigner verstehen sich prächtig auf die Inszenierung

nen. Die Steigeisentauglich-

kitschiger Motive wie Rehe, Karo-Muster oder alter Postkar-

keit des Schuhs gilt es für

ten, die vermeintlich so abgedroschen sind wie die Schwarz-

Hochtouren zu beachten, wenn man auch mal übers Eis ge-

walduhr. Doch Alprausch macht ein hübsches Spiel

hen muss. Der Trend geht heute zu leichten und wasserdich-

daraus, bringt moderne Schnitte und kombi-

ten Modellen, die Sohlen sind rutschfest. Empfehlenswert

niert sie mit Traditionellem wie Rüschen oder

ist für Männer und Frauen das Modell Scarpa Fiamma GTX;

einer ­Stickerei, etwa beim Top Trixli mit sei-

dank der Verwendung von Kevlar und Kunststoffen ein sehr

nen floralen Mustern, in die in ganz poppi-

leichter, steigeisentauglicher Schuh fürs Hochgebirge, und

gem Rot eine Stickerei integriert wird – und das

mit 379 Franken auch nicht überteuert».

alles in Super-Qualität. Die Baumwolle ist vom Feinsten, gefertigt wird in Europa, und die Namen sind

Liliane Gubser ist Detaihandelsfachfrau bei Alpina Sport an

Programm: ­Landiwiese, Karofurz oder Holzhacker.

der Gotthardstrasse 101 in Andermatt. Das Fachgeschäft wird

Diese Swissness kann sich sehen lassen.»

auch von Bergführern gerne frequentiert. Ursina Portmann führt mit ihrem Mann Urs seit 1995 das Meyers Sportshaus. Den Betrieb gibt es «Swissness, die sich sehen lassen kann»

schon seit einem Jahrhundert, die Vorgängerinnen,

«Wir setzen in unserem Geschäft schon seit einigen Jahren

ein Schwesternpaar, machten es vom Tante-Emma-Laden zum

auf Schweizer Marken, etwa Stöckli-Ski, die sich grosser Be-

Sportartikelgeschäft. Heute ­bietet das Geschäft ein Komplett­

liebtheit erfreuen. Bei der Freizeitbekleidung im Sommer

angebot für Bergsport und Freizeit.

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Whisky statt Martini Guy Hamilton, Regisseur des James-Bond-Klassikers Goldfinger (1964), war bei einem Helikopterflug so vom Urserental begeistert, dass er mit seiner Filmcrew für ein paar Szenen zurückkehrte. Man residierte im Hotel Bergidyll. Barmann Heinrich Holzhauser erinnert sich.

Es ist noch fast wie damals, 1964, das Zimmer 21 im Ho-

Bergidyll für eine ­Woche in Beschlag genommen. Ihnen zu

tel Bergidyll am Dorfeingang von Andermatt. Das Bad ist

Diensten stand auch der Barmann Heinrich Holzhauser,

noch geplättelt wie zu jener Zeit, auch der Wasserhahn ist

den sie schon bald einmal «Henry» zu nennen pflegten, in

nie ersetzt worden, im Zimmer selbst sind Tapete, Bett und

Anspielung auf sein Wirken, das jenem eines Butlers sehr

Nachtkästchen irgendwann ausgetauscht worden, wäh-

nahe kam.

rend die beiden Lehnstühle eher noch älter wirken als die

Holzhauser mixte abends die Drinks (Connery, der

bald 50 ­Jahre, seit hier der Schauspieler Sean Connery alias

Schotte, bevorzugte Whisky, von Martini wollte er nur im

James Bond vom 5. bis 12. Juli 1964 logierte.

28

Film ­wissen), er unterstützte die Musiker der eigens einbe-

Es ging um Dreharbeiten für den Film «Goldfinger»,

stellten Blue Hammonds, die tagsüber auch fürs Catering

den dritten in der bis heute populären Reihe. Ein paar Sze-

zuständig waren. Von den Dreharbeiten bekam Holzhauser

nen auf der Furka-Passstrasse, Verfolgungsjagd inklusi-

kaum ­etwas mit: Der riesige Rolls Royce, auf dem eine Spe-

ve, mussten gedreht werden, eine weitere an der Tank-

zialkamera montiert worden war, um die Aufnahmen der

stelle Aurora in Andermatt. Die ganze Filmcrew hatte das

Verfolgungsjagd aufs Zelluloid zu bannen, ist ihm in Erin-


nerung geblieben, und natürlich der Aston Martin von Geheimagent 007, ein schöner, noch heute modern wirkender Sportwagen, den Holzhauser wohl jederzeit gegen seinen eigenen MG A eingetauscht hätte. Gefeiert wurde ausgiebig nach Feierabend, man sass in gemütlicher Runde bis in die frühen Morgenstunden zusammen, schwang das Tanzbein, und die Stars, allen voran Sean Connery, gaben sich hemdsärmelig. Holzhauser hatte seinen grossen Auftritt, als er seinen monatelang eingeübten Trick, das Zerreissen eines Jasskartenspiels, vor-

Heinrich Holzhauser im Zimmer in dem Sean Connery 1964 logierte. Es wurde praktisch so belassen, wie es «James Bond» bei seinem Besuch vorgefunden hatte.

führte und damit den Leibwächter des Filmbösewichtes, den philippinischen Catcherstar Harold Sakata, herausforderte. Dieser hatte vor einer Gruppe Journalisten den starken Mann markiert und eine Granitplatte mit einem Handkantenschlag entzweigebrochen. Doch an den Jasskarten

James Bond und die Schweiz

scheiterte er – hier war Grips und nicht Kraft gefragt. Holzhauser schmunzelt schelmisch im Lehnstuhl, in

Das Buch zeigt, weshalb die Schweiz eine Haupt-

dem es sich einst Connery bequem gemacht hatte. Eine ei-

rolle in der Saga des Superagenten 007 spielt. Fo-

gene ­Telefonleitung war für ihn eingerichtet worden, da-

tos aus Privatarchiven belegen die verblüffenden

mit er täglich seine Frau anrufen konnte, die in Rom weilte.

Swiss Connections des Agenten 007 – bis und mit

Den Wahrheitsgehalt der Nachricht, das Zimmermädchen

Marc Forster. Gebunden, 304 Seiten, mit über 200

habe nach dessen Abreise im Bett schwarzes Frauenhaar

Abbildungen, ISBN 978-3-905800-20-3. CHF 38.-,

gefunden, das aufs Haar jenem der Hausherrin glich, hat

www.echtzeit.ch

er nie überprüft.


Trockenfleisch, wie es schon die Grosseltern kannten


31 Ferdi Muheim führt seinen Metzgereibetrieb schon in dritter Generation. Seine Spezialität sind Trocken­ würste («Huswürscht»), Schinken («Littli») und Trockenfleisch, was er alles aus Fleisch von Ziegen, Schweinen, Rindern, Hirschen und Yaks herstellt – nach Rezepten, die schon sein Grossvater verwendete.

Mit staatsmännischem Blick geben Wladimir Putin und

nächsten Tag verarbeitet werden. Wer hier zu lange zuwar-

Dmitri Medwedew den Takt an in der Metzgerei Muheim

tet, den bestraft spätestens die Kundschaft: Die Würste wol-

an der Gotthardstrasse 99. Die beiden höchsten russischen

len einfach nicht recht schmecken. Muheims Spezialität sind

Amtsträger zieren eine Wanduhr, gleich daneben hängt ein

getrocknete Rohwürste und Trockenfleisch, die er aus ver-

Foto, das den Metzger Ferdi Muheim und den Staatspräsi-

schiedenen Fleischarten herstellt: Rind, Schaf, Ziege, Hirsch

denten Medwedew beim freundschaftlichen Händedruck

und Yak. Letzteres stammt von einem Betrieb in Andermatt,

zeigt. Für seine Verdienste um das Suworow-Denkmal in

der sich auf Mutterkuhhaltung mit Yaks spezialisiert hat.

der Schöllenenschlucht, um deren Erhalt er sich als frühe-

Das Fleisch wird mit frischem Knoblauch, Pfeffer und Mer-

rer ­Gemeindepräsident engagiert hatte, wurde er mit den

lot verfeinert, gepökelt und in Rinderdärme abgefüllt. Da-

höchsten russischen Orden geehrt.

nach kommen die Würste für einen Tag bei 25 Grad in die

Jahrelang hatte Muheim versucht, den russischen Staats-

Klimakammer, um sie zu entwässern. Die Temperatur wird

präsidenten zur Gedenkfeier, die jeweils am 25. Septem-

auf sieben bis acht Grad abgekühlt. Nach 14 Tagen ist die

ber stattfindet, einzuladen. 2009 sagte Dimitri Medwedew

Trockenwurst konsumreif. Das Rezept hat schon Muheims

schliesslich zu, und der hohe Gast habe sich nicht nur sehr

Grossvater verwendet, der Enkel hat es unverändert über-

freundschaftlich gegeben, sondern auch die Trockenwürste

nommen, schafft aber dank Klimakammer eine gleichmässigere Qualität. Denn Trockenwürste sind heikel, das Tempe-

2009 besuchte der russische Staatspräsident Dimitri Medwedew die Gedenkfeier am Suworow-Denkmal. Dem hohen Gast haben Muheims Trockenwürste sehr geschmeckt.

raturfenster muss exakt eingehalten werden – was in den Estrichen, wo sie einst zum Trocknen hingen, schwer umzusetzen war. Mit zwei bis drei Monaten um einiges länger trocknet, logisch, das Trockenfleisch. Muheims Delikatesse sind die «Littli», Schinken aus Schaf- oder Ziegenfleisch. Sie waren in früheren Generatio-

aus Muheims Metzgerei sehr geschätzt. Der Kontakt ist ge-

nen im Urserental die gängige Methode, um Fleisch für den

blieben, erst im vergangenen Mai weilte Ferdi Muheim in

Winter zu konservieren. Die Tierkörper wurden in grossen

Russland als geladener Staatsgast, wurde mit Orden behängt

Stücken gepökelt, gewürzt und dann luftgetrocknet. Teile

und legte gar ein orthodoxes Glaubensbekenntnis ab – die Be-

der Tiere wurden in Würfel geschnitten und Suppen beige-

dingung, um das Amt als Götti des elfjährigen Andrej antreten

geben – der Bündner Gerstensuppe ähnlich, denn auch im

zu können. Der Bub lebt in Taldom, der russischen Partnerge-

Urserental ­liefert die Gerste die Basis für diese vollwertige

meinde von Andermatt, 300 Kilometer nördlich von Moskau.

Mahlzeit. Im Winter zählt die Geissensuppe aus Muheims

Der 61-jährige Ferdi Muheim, der von der Begegnung mit

Metzgerei zu den begehrten Delikatessen.

einem der mächtigsten Männer der Welt erzählt, wie wenn

Seine Rohwürste und sein Trockenfleisch verkauft er

es das Selbstverständlichste der Welt wäre, führt den Metz-

nicht nur in Andermatt, sondern mit viel Erfolg auch an der

gereibetrieb schon in dritter Generation. Liegt es daran, dass

Autobahnraststätte Gotthard. In seinem Andermatter Ge-

er einen so geerdeten Eindruck macht, ein Mann, der Traditi-

schäft, wo Muheim zwölf Angestellte beschäftigt, kommt

on und Moderne zugleich verkörpert? Sein Vater hatte ihn in

auch viel Laufkundschaft vorbei. Es hat sich herumgespro-

die Ostschweiz geschickt, um das Metzgerhandwerk zu er-

chen, und mancher Kunde nimmt einen rechten Umweg in

lernen, weil die dortigen Metzger die besten Würste herstel-

Kauf, um an die Fleischspezialitäten aus Andermatt heran-

len. Er lernte rasch und vergass nicht. Noch heute macht er

zukommen. Da könnte man schon fast vergessen, dass die

die Kalbsbratwürste so, wie es ihm sein Lehrmeister beige-

Metzgerei Muheim auch das ganz alltägliche Frischfleisch

bracht hatte, und er sei ihm ewig dankbar, dass er ihm stets

im ­Angebot hat – weitere Würste aller Art, Fleischkäse und

mit Rat und Tat zur Seite gestanden habe.

dazu verschiedene Käsespezialitäten aus der Region, Wei-

So schärft sich das Bewusstsein für Qualität, die für Fer-

ne, Tessiner Grappa und andere Delikatessen mehr. Für sei-

di Muheim selbstverständlich schon beim Fleisch anfängt:

ne bekannten Luganighette begrüsst Ferdi Muheim selbst

Es muss frisch von der Schlachtung kommen und gleich am

Kunden aus dem Tessin.


Tagwache um drei Uhr früh Die Andermatter Bauerntochter Carolin Mazzolini-Regli hat sich, nach einigen Jahren im Unterland, für ein Leben als Bäuerin in ihrem Heimatdorf entschieden. Die Sommer verbringt sie mit ihrer Familie auf der Unteralp. Dort produziert sie vier Tonnen Alpkäse – nach Tessiner Art. «Was mir auf der Alp gefällt? Das kann ich gar nicht sagen.

Binntal im Wallis, wo sie eine stattliche Kuhherde betreute,

Es ist einfach so. Ein Teil meines Lebens. Es kribbelt im Bauch,

und nun ist sie schon den vierten Sommer auf der Unteralp,

wenn der Alpsommer naht. Auch das Vieh wird ungeduldig.

die seit Generationen von ihrer Familie bewirtschaftet wird.

Dann sind wir oben. Der Sommer vergeht, es wird herbstlich.

Sie gehört der Korporation Urseren, der grössten Landbesitze-

Und wir freuen uns auf die Rückkehr ins Tal.» Es ist nicht so,

rin im Urserental, die das «Sennentum», so werden die Alpen

dass Carolin Mazzolini-Regli die Worte fehlen, wenn sie vom

hier genannt, in einer Art Pacht an eine Gruppe Bauernfami-

Leben und Arbeiten auf der Unteralp erzählt, die sich, aus-

lien vergibt, die wiederum ihren Sennen benennen. Ein kom-

gehend von Andermatt, am Gemsstock vorbei von 1500 bis

pliziertes Gebilde, entstanden aus der Notwendigkeit heraus,

hinauf auf 2300 m ü. M. zieht. Aber wenn sie gefragt wird,

die Allmende, die gemeinsam genutzten Weiden, gerecht zu

was es denn sei, was es ausmache, wenn man den ganzen

bewirtschaften und im heiklen, für Trittschäden und Überdün-

Sommer auf der Alp verbringt, um hart zu arbeiten, meistens

gung sehr empfindlichen Gelände eine Übernutzung zu ver-

mehr als zwölf Stunden am Tag, wird sie wortkarg. So muss

meiden.

es wohl sein, wenn man mit sich im Reinen ist und es keine grundsätzlichen Fragen des Lebens zu beantworten gibt.

Fünf Bauern waren bis vor Kurzem noch dabei, jetzt sind es noch deren zwei. Das spiegelt die Realität in vielen Bergdör-

Die 32-Jährige fühlt sich nicht berufen, aber sie, die in

fern im Alpenraum: Das Bauernsterben schreitet voran, Höfe

Andermatt aufgewachsen ist, hat sich für die Rückkehr ins

werden aufgegeben und zusammengelegt. Auch die Abwan-

Hochtal entschieden, nach einer kaufmännischen Lehre mit

derung ist gegenwärtig; von Carolin Mazzolini-Reglis Jahr-

Berufsmatur, nach zwei Jahren als Software-Supporterin in

gang 1980 sind von 20 nur noch zwei in Andermatt wohnhaft.

Emmenbrücke, einem Vorort von Luzern. Es zog sie zurück, sie

Die andern sind weg, ins Unterland, wo es Arbeit gibt und sich Berufswünsche erfüllen lassen. In Andermatt, da wird man

Carolin Mazzolini-Regli ist die erste Frau, die in Andermatt einen Hof von ihrem Vater übernimmt, und eine der raren Rückkehrerinnen aus dem Unterland.

Bauer oder ist im Gast- und Baugewerbe tätig. Doch Mazzolini-Regli beobachtet eine erfreuliche Trendwende: Die Jahrgänge nach ihr finden wieder mehr Arbeit und Halt im Dorf. Kein Zuckerschlecken

konnte es nicht richtig fassen oder benennen, sie versuchte

Sie darf sich ein wenig als Pionierin fühlen. Als erste Frau, die

es in Erstfeld, um im Urnerland zu sein, und ging schliesslich

in Andermatt einen Hof von ihrem Vater übernimmt, und

heim nach Andermatt, machte die Prüfung als Landwirtin

als eine der raren Rückkehrerinnen aus dem Unterland. Das

und arbeitet heute auf dem Hof ihrer Eltern. Dem Hof, den

hat nicht zuletzt mit dem Leben und Arbeiten auf der Alp

Carolin Mazzolini-Regi zusammen mit ihrem Mann, einem

zu tun. Es ist kein Zuckerschlecken, 55 Kühe und 100 Rinder

Veltliner, übernehmen wird, wenn der Vater in Pension geht.

zu betreuen, in einem dreiköpfigen Team, sie, ihr Mann und

Sie bewirtschaften die 20 Hektaren Wiesland, die übers gan-

ein Hirte, dazu ihr fünfjähriger Sohn, der seit seinem ersten

ze Urserental verstreut liegen, gemeinsam, kümmern sich

­Lebensjahr mitkommt.

um die 13 Milchkühe und die 22 Stück Jungvieh. Ein stattli-

So sieht der Tagesablauf aus: Um drei Uhr in der Früh beim

cher Bergbauernhof, gross genug, um die Existenz zu sichern.

Licht der Taschenlampe einen Sennenkafi, Incarom mit warmer Milch, schlürfen, dann aufbrechen zum mobilen Melk-

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Trendwende

stand, die Kühe zusammentreiben, melken, mit der Milch

Seit 2004 geht Carolin Mazzolini-Regli auf die Alp, zuerst als

zurück in die Hütte, um zu käsen. Zusammen mit der Milch

Hirtin für drei Sommer im Tessin, danach für zwei Sommer im

vom Vorabend sind es um die 750 Liter, 50 davon kommen


ins Butterfass, der Rest wird verkäst. Am Mittagstisch hat die

Regli hat zweijährige Laibe im Keller, die vorzüglich schme-

junge Frau oft schon sieben Arbeitsstunden hinter sich. Am

cken. Auch die verkäste Milch hinterlässt ihre geschmackli-

Nachmittag gilt es, nach Kühen und Rindern zu sehen, Zäune

chen Spuren. Denn die Zusammensetzung der Kräuter, die

zu kontrollieren und die alltäglichen Dinge des kleinen Haus-

die Kühe fressen, verändert sich im Laufe des Sommer, wenn

haltes in der Alphütte zu erledigen. Am Abend wird nochmals

die Milchkühe allmählich von den frühsommerlichen Wei-

gemolken. Feierabend ist in der Regel, wenn es eindunkelt.

den auf 1500 m ü. M. bis auf die erst im Spätsommer reifen Weiden auf 2000 m ü. M. geführt werden. Dort wachsen die

Spartanisch, aber zweckmässig

besten Kräuter, die «Muttern» (Alpen-Mutterwurz), wie sie

Die Ausrüstung in der Alpkäserei ist spartanisch, aber zweck-

von den Einheimischen genannt werden. Der Ertrag, rund

mässig. Solarzellen und ein Generator liefern die Energie.

vier Tonnen Käse pro Alpsommer, wird unter den Bauern, die

­Carolin Mazzolini-Regli macht als einzige Sennin im Urner-

ihre Kühe auf der Alp gesömmert haben, aufgeteilt.

land den Käse nach Tessiner Art. Er wird nicht täglich eingesalzen, sondern, nach einem Tag im Salzbad, auf dem Holzbrett täglich gewendet. Den Rest besorgt ein Schimmelpilz, der im Käsekeller gedeiht. Die Alpkäserin hatte ge-

Führung auf der Unteralp

hört, dass auf der Unteralp früher der Käse schon auf diese

Am 7.7., 21.7., 30.7., 9.8., 18.8., 29.8. und 9.9.12 bietet die Andermatt-Urseren-

Art gemacht worden sei. So versuchte sie es einfach, hoffte

tal Tourismus GmbH Führungen auf die Unteralp an. Infos unter: Andermatt-

auf den Pilz, und siehe da: Es klappte. Zuerst bilden sich auf

Urserental Tourismus GmbH, Gotthardstrasse 2, 6490 Andermatt, Tel. +41 (0)

der Rinde kleine Fäden, und nach und nach entsteht die ty-

41 888 71 00, Fax +41 (0) 41 888 71 01, www.andermatt.ch

pische weiss-graue Schimmelschicht. Nach zwei Monaten

Alpkäse von Carolin Mazzolini-Regli gibt es bei Bunaluna by Urner Gnuss, Gott-

ist der Käse genussreif und hat dann sein würziges Aroma

hardstrasse 59, Tel. +41 (0)41 887 08 80, zu kaufen.

entwickelt. Er hält aber auch wesentlich länger: Mazzolini-


Gastronomischer Impuls für Andermatt Der «Schwarze Bären» genoss lange Jahre den Status einer Dorfbeiz. Jetzt ist die authentische Küche in den umbenannten «Bären – Restaurant & Rooms» eingezogen. Am Herd steht Guerino Coldesina, einer der besten Köche des Tessins.

«Wir lassen uns von den traditionellen Rezepten inspirieren, interpretieren sie aber für die moderne Küche.» Francesco Coldesina kommt ins Schwärmen, wenn er von der exquisiten Küche seines Vaters Guerino erzählt, die primär auf den lokal erhältlichen Lebensmitteln basiert. Im Restaurant Palazzina in Mezzovico im Tessin zelebriert die Familie diese lokale und zugleich internationale Küche schon in siebter Generation. Schon seit einigen Jahren habe man sich nach einer weiteren Lokalität in alpiner Umgebung umgesehen, erzählt Coldesina. In Andermatt wurde man schliesslich im Schwarzen Bären fündig, einem Betrieb mit langer Tradition in einem der ältesten Gebäude des Dorfes. Den Ausschlag dafür gaben nicht zuletzt die touristischen Perspektiven, die sich hier bieten.

Der «Schwarze Bären» ist ein Betrieb mit langer Tradition in einem der ältesten Gebäude von Andermatt. mie ganz neue Akzente setzt. Nicht nur der auf verschiede-

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Nach einigen Renovationsarbeiten ist der in «Bären – Res-

ne Arten zubereiteten Froschschenkel wegen, die aus einem

taurant & Rooms» umbenannte Betrieb im Dezember 2011

Zuchtbetrieb stammen, sondern auch dank Artischockensa-

wieder eröffnet worden und präsentiert sich neu in schi-

lat, Kaninchenravioli oder Kalbskotelett Mailänder Art.

ckem Ambiente. Unter anderem wurden Teile der Decke im

Man beziehe, was immer erhältlich sei an Rohwaren, von

Erdgeschoss entfernt. Das entspricht dem ursprünglichen

Betrieben im Urserental, betont Gastgeber Francesco Colde­

Zustand, als der Übergang vom Viehstall zum Wohnbereich

sina. Übrigens: Die auf der Sommersaisonkarte figurieren-

quasi fliessend war, nicht zuletzt, um von der Wärme der Tie-

den Kalbsleberli mit Rösti, ein Klassiker der Schweizer Küche,

re zu profitieren. Heute schätzt man das Licht, das aus dem

schmecken köstlich.

Obergeschoss ins mit dunklem Holz ausgekleidete Erdgeschoss dringt. Und man staunt über eine Karte, die in der

Hotel Schwarzer Bären

von bürgerlicher Küche dominierten Andermatter Gastrono-

Gotthardstrasse 137, 6490 Andermatt, Tel. 041 887 10 30


Wir entscheiden über unsere Zukunft

FOTO: CHRIS ISELI / AARGAUER ZEITUNG

Seit 30 Jahren erkunde ich nun die Natur rund um Ander-

Diese Zeiten sind vorbei. Es gibt keine Lorbeeren mehr, auf

matt. Und noch immer ist es wie auf der Schatzsuche: Jede

denen wir uns ausruhen können. Im Gegenteil: Die Abwan-

Bergtour bringt neue Entdeckungen, sei es ein besonders

derung macht uns schwer zu schaffen, auch die Jugend, die

reizvoller Ausblick, eine Pflanze, die unsere Vorfahren noch zu

nicht in Andermatt, sondern in Altdorf, Luzern oder Zürich in

essen pflegten oder eine Begegnung mit den Nachbarn aus

den Ausgang geht und arbeitet, hält es nicht mehr hier.

der Leventina, aus der Surselva oder aus dem Obergoms.

So darf es nicht weitergehen. Wir müssen das Heft ­selber in die Hand nehmen. Und wir müssen unsere eigene Heimat

Bänz Simmen:

wieder neu entdecken, die Natur, die kulturellen Schätze, die

«Wir müssen das Heft selber in die Hand nehmen und unsere eigene Heimat wieder neu entdecken. Denn wir gehören zusammen.»

wechselvolle Geschichte, und unsere Nachbarn in den Tälern südlich, westlich und östlich des Urserentales, die Teil der Gotthardregion sind. Denn wir gehören zusammen, auch wenn wir das teilweise vergessen haben, und wir müssen wieder zusammenwachsen, wenn wir uns als Bergler be-

Es ist diese landschaftliche, sprachliche und kulturelle Viel-

haupten ­wollen. Alleine sind wir zu schwach.

falt, die die Gotthardregion so reizvoll macht, und es ist nicht

Das geht nicht mit kopflastigen Grossprojekten, wie es die

der Rückgriff auf die alten Geschichten von Wilhelm Tell und

Landesausstellung gewesen wäre, sondern mit einer gesun-

den Helden an der Teufelsbrücke, wie sie von manchen Zeit-

den Portion Pragmatismus. Unsere Vorfahren wussten um

genossen noch immer besungen werden. Das bringt uns

die Bedeutung des Gotthards und der anderen Pässe, und

nicht weiter. Andermatt hat Jahrzehnte eines bequemen

sie trugen gemeinsam Sorge zu ihnen. Heute tragen wir die

Daseins als Armeestandort hinter sich. Alles schien selbst-

Verantwortung für eine der schönsten Regionen der Alpen.

verständlich, die Karrieren mancher meiner Alterskollegen

Es ist unsere Generation, die über die Zukunft unserer Nach-

waren schon im Alter von 20 Jahren für den Rest des Lebens

kommen entscheidet. Packen wir es an. Gemeinsam.

vorgezeichnet. Hotellerie und Gastronomie konnten auf einen festen Stamm an Kunden aus der Armee zählen.

Bänz Simmen


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