MEISTER & KAMMERKONZERTE INNSBRUCK
PUBLICUM MUSIKMAGAZIN NR 02 · 2017/18
IGOR LEVIT
VIRTUOSE POESIE INNIGE LIEBE
HOHE SCHULE
EMOTIONALER KL ANG
BAIBA SKRIDE
HENSCHEL QUARTE T T
EBONIT SA XOPHONE QUARTE T
INHALT GOLDENE GITARRE.......................... 3
MENDELSSOHN UND WAGNER
DAVIDE GIOVANNI TOMASI
INNIGE LIEBE.................................. 4 BAIBA SKRIDE
HOHE SCHULE................................. 6 HENSCHEL QUARTETT
VIRTUOSE POESIE............................ 8 IGOR LEVIT
EMOTIONALER KL ANG.. ..................
10
EBONIT SAXOPHONE QUARTET
KARTEN Einzelkarten sind nach Verfügbarkeit für jedes Konzert erhältlich: www.meisterkammerkonzerte.at Tiroler Landestheater, Rennweg 2, 6020 Innsbruck Mo–Fr 10.00 –19.00 Uhr und Sa 10.00 –18.30 Uhr T +43 512 52074-4, kassa@landestheater.at Innsbruck Information, Burggraben 3, 6020 Innsbruck Mo–Fr 09.00 –18.00 Uhr, Sa 09.00 –12.30 Uhr T +43 512 5356-0, ticket@innsbruck.info
ONLINE Website Besuchen Sie unsere Website: Ob am Desktop, Handy oder Tablet, wir freuen uns auf Sie. www.meisterkammerkonzerte.at
Newsletter Immer auf dem Laufenden mit dem Newsletter der Meister&Kammerkonzerte. Anmeldung auf www.meisterkammerkonzerte.at
Gefällt mir! News, Wissenswertes und Aktuelles finden Sie auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.com/meisterkammerkonzerte
UNSER PARTNER BEIM THEMA HÖREN
2
In den Meister&Kammerkonzerten der erstenMonate 2018 rücken zwei Welten der Romantikin den Mittelpunkt, die kontrastierender nicht sein könnten: Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy und von Richard Wagner. Der um vier Jahre jüngere, gebürtige Leipziger Wagner sah in dem in Leipzig als Direktor der Gewandhauskonzerte und Gründer des ersten deutschen Musik konservatoriums wirkenden und international schon etablierten Mendelssohn einen starken Konkurrenten. Von Wagner sind nicht nur kritische Bemerkungen über Mendelssohns Musik überliefert, sondern in seiner Schrift über das „Judentum in der Musik“ steht auch zu lesen, „dass ein Jude von reichster spezifischer Talentfülle“ wie Mendelssohn „ohne durch die Hilfe aller dieser Vorzügees je ermöglichen“ könne, „auch nur ein einziges Mal die tiefe, Herz und Seele ergreifende Wirkung auf uns hervorzubringen, welche wir von der Kunst erwarten.“ Ein knappes Jahrhundert später verschwand dann Mendelssohns Kunst während der Herrschaft der Nationalsozialisten aus allen Konzertsälen und KonservatorienDeutschlands, sein Denkmal in Leipzig wurde zerstört. Ein beim Publikum so beliebtes Werk wie das Violinkonzert existierte plötzlich nicht mehr. Längst aber ist es zurückgekehrt in unser Musikleben und wir dürfen uns darauf freuen, dass die lettische Geigerin Baiba Skride und das Orchestre Philharmonique du Luxembourg Mendelssohns Violinkonzert am 24. Jänner im Meisterkonzert aufführen werden. Da prallen übrigens Mendelssohnund Wagner direkt aufeinander, denn eröffnet wird der Abend mit der Ouvertüre und dem Bacchanalaus „Tannhäuser“, jener Oper, in der Wagner seinen überwältigenden musikdramatischen Stil gefunden hat. Mendelssohn ist aber keinesfalls an dieser Musik erstickt, auch wenn Wagner laut einer Tagebucheintragung seiner Frau Cosima über Mendelssohn andeutete, „wie der Eindruck des Tannhäuser’s ihn wohl hätte würgen können“ und er „nicht lange darauf gestorben“ sei. Sowohl im „Tannhäuser“ als auch im „Parsifal“ hat Wagnerjenes alte kirchenmusikalische Motiv des „DresdnerAmens“ verwendet, das auch Mendelssohn schon in seiner „Reformationssymphonie“ zitierte. Es gibt also doch eine Gemeinsamkeitin der Musik der beiden. Das Motiv wird am 28. Februar im Meisterkonzert mit Igor Levit zu hören sein, der den „Feierlichen Marsch zum Heiligen Gral“ aus Wagners „Parsifal“ in der KlaviertranskriptionLiszts spielt. Eine Woche davor führt im Kammerkonzertdas Henschel Quartett das a-MollStreichquartett Mendelssohns auf, das er als tief empfundenen Nachruf auf den von ihm – und in gleichem Maße von Wagner – bewunderten Beethoven komponierte. Zumindest eine freundliche Aussage Wagners über Mendelssohn ist überliefert, als er ihn angesichts seiner Ouvertürenals „erstklassigen Landschaftsmaler“ bezeichnete. Eines dieser Gemälde Mendelssohns, „Meeresstille und glückliche Fahrt“, wird im Meisterkonzert am 18. April vom Berner Symphonieorchester „ausgestellt“.
4. KAMMERKONZERT / MO 22. JÄN 2018 / TIROLER L ANDESKONSERVATORIUM / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
GOLDENE GITARRE
NG ACHTU E R TKO N Z RUNG ÄNDE
Die Gitarre löste in der klassischen Epoche die Laute als bevorzugtes Zupfinstrument ab und erfreute sich fortan in der Hausmusikund Kammermusik großer Beliebtheit. Bei den Innsbrucker Kammer konzerten hat die Gitarre im Jänner einen Solo-Auftritt, besser gesagtder junge Gitarrist Davide Giovanni Tomasi, der anstelle des erkranktenThibault Cauvin im Konservatoriumssaal spielen wird.
DAVIDE GIOVANNI TOMASI GITARRE ANTONIO JOSÉ
Sonata HEITOR VILLA-LOBOS
5 Prelúdio MARIO CASTELNUOVO-TEDESCO
Nr. 18 und 24 aus: 24 Caprichos De Goya op. 195 GIULIO REGONDI
Nr. 2 und 4 aus: 10 Studi Introduction and Caprice op. 23 BENJAMIN BRITTEN
Nocturnal after John Dowland op. 70
komponierten Gitarrensonate die farbenreiche harmonische Sprache des spanischen Impressionisten zum Blühen bringen. Die Gitarre verbreitete sich von Spanien aus über ganz Europa. Zentren der klassischen Gitarre waren Paris und Wien. Komponisten wie Héctor Berlioz, Niccolò Paganini und Franz Schubert spielten auch leidenschaftlich Gitarre. Paganinis Gitarrenwerke gerieten aber gegenüber seinen Violinwerken in Vergessenheit. 1830 konzertierte Paganini in Paris gemeinsam mit dem siebenjährigen Giulio Regondi, einem musikalischen Wunderkind auf der Gitarre . Später etablierte sich der Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters als Gitarrenvirtuose und Komponist in London. Mehrere von Regondis exquisiten Gitarrestücken hat Davide Giovanni Tomasi in seinem Innsbrucker Programm. Im 20. Jahrhundert brach für die klassische Gitarre dank Virtuosen wie dem Spanier Andrés Segovia und dem Engländer Julian Bream ein goldenes Zeitalter an. Für beide Großmeister auf der Gitarre schrieben viele Komponisten neue Werke. Drei davon wird Tomasi in Innsbruck zu Gehör bringen. Als der italienische Komponist Mario Castelnuovo-Tedesco in Venedig Andrés Segovia kennenlernte, schloss er eine Freundschaft mit dem spanischen Musiker und komponierte eine Fülle von Gitarrenwerken für ihn, darunter 24 Caprichos nach den berühmten Zeichnungen Goyas. Zwei dieser Caprichos hat Tomasifür sein Innsbrucker Programm ausgewählt. Der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos wurde von Segovia, den er in Paris spielen hörte, zu mehreren Gitarrestücken inspiriert, darunter jene nun von Tomasi ins Programm genommenen fünf Préludios, die VillaLobos als Hommage an verschiedene Volksgruppen in Brasilien und an sein musikalisches Idol Johann Sebastian Bach schrieb. Ebenfalls an einen bedeutenden Komponisten der Vergangenheit, den englischen Re-
naissance-Lautenisten John Dowland, erinnerte Benjamin Britten, als er für seinen Landsmann Julian Bream „Reflections“ über Dowlands Lautenlied „Come, heavy sleep“ komponierte. Bream spielte 1964 bei Brittens Aldeburgh Festivaldie erste Aufführung von „Nocturnal after John Dowland“. Tomasi trägt nun diese zauberhafte Musik, in der Lauten- und Gitarrenkunst verschmilzt, nach Innsbruck. Vor seinem Erfolg beim ARD-Wettbewerb hat Tomasi bereits 25 Preise bei weiteren internationalen Wettbewerben errungen. Beim „Concorso internazionale di chitarra classica“ in Alessandria/Piemont erhielt er 2016 als „Entdeckung des Jahres“ die „Goldene Gitarre“.
DAVIDE GIOVANNI TOMASI
Es scheint so, dass die von der populären E- Gitarre verdrängte klassische Gitarre seit einigen Jahren wieder Terrain gutmacht. Darauf könnte auch der jüngste ARD-Wettbewerb in München ein Hinweis sein, wo 2017 erstmals seit einem Vierteljahrhundert auch im Fach Gitarre wieder ein Preisspiel stattfand. Dabei erlangte der 26-jährige Davide Giovanni Tomasi aus dem italienischen Pavia ex aequo mit dem Chinesen Junhong Kuang den zweiten Preis, nachdem die Jury keinen ersten Preis vergeben hatte. Das beeindruckende Final-Konzert Tomasis mit dem berühmten „Concierto de Aranjuez“ für Gitarre und Orchester des Spaniers Joaquín Rodrigoist auf YouTube zu hören und sehen. Auch in seinem Innsbrucker Solo-Programm wird Tomasi Musik aus dem GitarreMutterland Spanien spielen: eine Sonate des genialen Ravel-Schülers Antonio José. Sein Lehrer prophezeite ihm, der bedeutendste Komponist Spaniens im 20. Jahrhundert zu werden. Doch dann traten die Falangisten auf den Plan. Der 34-jährige Antonio José, Musiklehrer an der Jesuitenschule in Burgos, wurde ein Opfer der Exekutionender Franco-Faschisten. Tomasi wird mit der drei Jahre vor Josés Ermordung
3
4. MEISTERKONZERT / MI 24. JÄN 2018 / CONGRESS INNSBRUCK, SA AL TIROL / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
INNIGE LIEBE Baiba Skride spielt seit ihrem vierten Lebensjahr Geige. Das populäre Mendelssohn-Violinkonzert, mit dem sie im Jänner nach Innsbruck kommt, führte sie erstmals mit zwölf auf. Heute zählt sie zu den bedeutendsten Geigerinnender Welt. Sie liebt Entdeckungen und jedes Werk, das sie spielt. IM GESPR ÄCH
BAIBA SKRIDE
PUBLICUM: Sie kommen mit einem der populärsten Violinkonzerte nach Innsbruck. Wenn man Ihre beeindruckende Diskographie durchforstet, findet man die berühmten Konzerte von Brahms, Tschaikowski und Sibelius und auch viele nicht so prominente Konzertewie von Nielsen und Frank Martin. Aber das MendelssohnViolinkonzertist nicht dabei. Hat das einen besonderen Grund? BAIBA SKRIDE: Mir ist es immer sehr wichtig, auch viele unbekannteWerke auf CD einzuspielen. Aber ich nehme auch nach und nach die bekanntenWerke auf. Mendelssohns Konzert ist sich bis jetzt aus organisatorischen Gründen nicht ausgegangen. Aber eine Aufnahme davon wird bestimmt noch passieren. Ich spiele das Werk regelmäßig
4
in Konzerten, allerdings halte ich damit Maß, denn es gibt so viele Geiger, die dieses Konzert so oft auf das Programm setzen. Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das Mendelssohn-Konzert zum ersten Mal gespielt haben? Ich war zwölf Jahre alt und durfte das Konzertmit einem Symphonieorchester aus Estland aufführen. Es war sehr aufregend und überhaupt das erste Mal, dass ich als Solistin mit einem großen Orchester auftreten durfte. Ein einprägsames Erlebnis. Ein vielgespieltes Werk wie das MendelssohnKonzert hat eine sehr differenzierte und vielfältige Aufführungstradition. Hören Sie es sich auch mit anderen Geigern an? Natürlich. Es macht Freude, die Ideen von anderen Musikern zu hören. Das kann auch anregendfür die eigenen Überlegungen zu einemWerk sein. Aber es gibt dann einen Punkt, wo man das alles vergessen und sich darauf konzentrieren muss, was einem selber wichtig ist. Trotz der „Sommernachtstraum“-Musik, der „Italienischen Symphonie“ und dem Oratorium „Elias“ wird Mendelssohns Name auf Anhieb zuvorderst mit seinem Violinkonzert in Beziehung gebracht. Was macht für Sie die herausragende Stellung diesesWerkes aus? Mendelssohns Musik ist für die Zuhörer und Musiker eine sehr emotionale, aber auch zugängliche Welt, von der die Menschen sofort berührt werden. Man fühlt sich wohl und ist keinen extremen Gefühlsschwankungen ausgesetzt. Je mehr man das Violinkonzert hört, desto öfter will man es wieder hören. Aber ich muss doch sagen, wenn man es 20 Mal hintereinander spielt, ist es zu viel! Denn da ist es dann auch schwer, das Glück, das dieses Werk in sich trägt, frisch zu halten. Deshalb mache ich immerwieder Aufführungspausen bei diesemund auch anderen großen Konzerten. Die größte Herausforderung ist, dass man bei viel gespielten Werken nicht in Routine und bestimmte Traditionenverfällt, die man kennt. Vielmehr soll man immer wieder wie ein Kind an die Musikherangehen. Wann haben Sie mit dem Violinspiel begonnen? Ich bin mit drei Jahren in Lettland in die Musikschule gekommen. Und mit der Geige durfte ich offiziell mit vier anfangen. Ich wollte
4. MEISTERKONZERT / MI 24. JÄN 2018 / CONGRESS INNSBRUCK, SA AL TIROL / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
ja unbedingt Geige spielen, so wie meine ältere Schwester. Ich fand das einfach cool. Es gab damals keine Handys und so Zeug, in Lettland auch kein Fernsehen. Gar nichts. Da war Geige spielen eine reizvolle Beschäftigung und etwas Besonderes. Wann haben Sie erstmals die Noten von einem richtigen Solokonzert bekommen und einstudiert? Wissen Sie noch, welches Werk es war? Ein kleines barockes Konzert. Das habe ich mit sechs Jahren gespielt. Ich wollte aber unbedingtschon Mozarts D-Dur-Konzert spielen, die Noten habe ich in unserer riesigen Musikbibliothekzu Hause gefunden. Meine Lehrerinsagte aber: Das geht noch nicht. Wir sind immer vor der ersten Seite gesessen und nicht weitergekommen. Doch einige Jahre spätergehörte diesesKonzert dann zum strikten Ausbildungsplan. Haben sie mittlerweile alle fünf MozartKonzerteim Repertoire? Ja, und noch ein weiteres Konzert, von dem man aber nicht genau weiß, ob es von Mozart ist. Jedenfalls eine Musik, die mit Mozart sehr gut befreundet ist. Sie spielen neben Solokonzerten und der Sololiteratur für Violine auch viel Kammermusik, zum Teil mit Ihrer Schwester, der Pianistin Lauma Skride. Das kammermusikalische Repertoire ist so wichtig für das Verständnis jedes Komponisten. Man kann doch die Konzerte von Mendelssohn oder Brahms nicht spielen, ohne dass man Kammermusikvon ihnen gelernt hat. Von Mendelssohnspiele ich Klaviertrios, Sonaten und ganz oft das Streichoktett. Kammermusik ist auch so wichtig, um zu lernen, aufeinander zu hören. Sie pflegen ein äußerst großes Repertoire und wechseln auch oft zwischen den Werken. Wie baut man zu ihnen immer wieder aufs Neue Nähe auf? Man braucht ein Werk nicht zu spielen, wenn nicht eine innige Liebe dazu besteht. Die muss bei jedem Werk, das man aufführt, da sein! Ich liebe sehr viele Werke und ich möchte den Zuhörern meine Liebe zu diesen Werken mit-
ORCHESTRE PHILHARMONIQUE DU LUXEMBOURG GUSTAVO GIMENO DIRIGENT BAIBA SKRIDE VIOLINE RICHARD WAGNER
Ouvertüre und Bacchanal aus der Oper „Tannhäuser“ WWV 70 FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 MWV O 14 CLAUDE DEBUSSY
„Ibéria“. Nr. 2 aus „Images“ für Orchester „La Mer“. Trois esquisses symphoniques pour orchestre
teilen. Dabei liegt mir nicht sofort jedes Werk, das ich kennenlerne. Aber da muss man dann offen sein und die Liebe entstehen und wachsen lassen. Zum Beispiel hat es vieleJahre gedauert, zum Violinkonzert von Alban Berg eine Beziehung aufzubauen. Ich fand das Werk, als ich es erstmals hörte, schrecklich. Jahre später habe ich mich dann mehr damit beschäftigt und meine Beziehung hat sich ins Gegenteil verändert. Da sie gerne zwischen den Werken wechseln: Welche anderen Konzerte spielen Sie nun im Umfelddes Mendelssohn-Konzertes? Bergs Konzert in Leipzig, Tschaikowskis Konzert in New York, das zweite Konzert Schostakowitschs in Berlin, außerdem KorngoldsViolinkonzert und viel verschiedene Kammermusik. Im Grunde genommen spiele ich jede Woche etwas anderes.
„Ich wollte als kleines Kind unbedingt Geige spielen. Ich fand das einfach cool. Es gab damals keine Handys und so Zeug. Da war Geige spielen eine reizvolle Beschäftigung.“ — Baiba Skride —
Nicht nur jedes Musikwerk trägt eine Seele in sich, auch Instrumenten spricht man eine Seele zu. Sie haben in den vergangenen Jahren mehrfach das Instrument gewechselt. Welche Geige spielen Sie zur Zeit? Und wie kommt man einem Instrument nahe und erforscht seine Besonderheiten? Ich spiele seit eineinhalb Jahren eine Stradivari , die dem bedeutenden Geiger und PädagogenYfra Neaman gehörte. Es ist eine großzügige Leihgabe der Familie Neaman auf Vermittlung der Beares International Violin Society . Davor spielte ich mehrere Jahre auf einerStradivari, die mir Gidon Kremer geliehen hat. Sie war sehr farbenreich und luftig. Dem gegenüber ist die Stradivari von Yfra Neaman brillanter und im Klang fokussierter. Ich gehe meine Beziehung zu Instrumenten genauso an wie zu Musikstücken. Ich lerne von jedemInstrument , bin offen und versuche, die individuellenQualitätenherauszufinden. Man muss sich kennenlernen, das dauert seine Zeit. Man soll auf das Instrument eingehen, ihm seinenCharakterlassen und nicht nur auf seineneigenen Vorstellungen bestehen. Sie kommen aus einer Musikerfamilie und haben nun selbst Kinder. Musizieren die auch schon? Mein erstgeborener Sohn ist zehn Jahre alt, er spielt sehr gerne Gitarre, sowohl E-Gitarre als auch akustische. Mein jüngerer Sohn ist fünfeinhalb und übt schon Geige. Aber er hatte keine Ahnung, dass das auch Arbeit bedeutet. Das Gespräch führ te Rainer Lepuschitz
DIE MELODIE SEINES LEBENS
Ein eigenes Kapitel widmet Rosemarie Marschner in ihrem neuen Roman „Good Morning, Mr. Mendelssohn“ seinem Violinkonzert. Die österreichische Schriftstellerin leitet aus dem Charakter der Musik die mögliche Inspiration für das Werk ab, dessen Entstehung in Bad Soden im Taunus während einer Sommerfrische des überarbeiteten Komponisten und Dirigenten angenommen wird. Dort hörte er sie wieder, die „wunderbareMelodie“, die in den zurückliegenden Jahren immer wieder aufgetaucht war. Jetzt war sie „nur noch aufzuschreibenund an die Welt weiterzugeben.“ „E-Moll, dachte er ... Zärtliche Töne von fast naiver Einfachheit. Nachdenkliches Forschen. ... Rasche Triolen ... So viel Sehnsucht, leidenschaftlich, drängend und voller Liebe. Auch Freude, leichtfüßig und ganz unerwartet ... Danach die Rückkehr zum Drama, vermischt jedoch mit dem wunderbaren Nachklang des Vorangegangenen. ... Nun wusste er, dass das Instrument für das Lied seines Lebens die Geige war.“ Dieses ganze Leben erzählt Marschner mit großem Einfühlungsvermögen: das Aufwachsen des Wunderknaben im vorrevolutionären Berlin in der Großbürgerfamilie der Nachfahren des Philosophen Moses Mendelssohn, die einzigartige Karriere Felix’, seine innige Beziehung zu seiner kom ponierendenSchwester Fanny, seine vielen Reisen, seine Begegnungen mit den gekrönten Häuptern in Sachsen, Preußen und England – und alles immer aus dem Geist der Musik und der Künstlernatur Mendelssohns. Good Morning, Mr. Mendelssohn Roman von Rosemarie Marschner in deutscher Sprache dt v premium, München, 2017
5
5. KAMMERKONZERT / FR 16. FEB 2018 / TIROLER L ANDESKONSERVATORIUM / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
HOHE SCHULE Mit dem Henschel Quartett kommt eines der renommiertesten Streichquartettenach zehn Jahren wieder zu den Innsbrucker Kammer konzerten. Das Münchner Ensemble besteht seit mittlerweileeinem Vierteljahrhundert. Cellist Mathias Beyer-Karlshøj über die Konstanz im Quartettspiel und über monumentaleErscheinungen der Quartettmusik. IM GESPR ÄCH
HENSCHEL QUARTET T: M. HENSCHEL, M. BEYER-K ARLSHØJ, C. DESAGA, C. HENSCHEL ( V. L.)
PUBLICUM: Das Henschel Quartett besteht seit fast einem Vierteljahrhundert. Was muss man vor allem tun, um in dieser diffizilen Besetzungsform kontinuierlich bestehen zu können? MATHIAS BEYER-KARLSHØJ: Es gibt natürlich kein verlässliches Rezept. Eine gute Voraussetzung sind der Wille und Wunsch, sich zu entwickeln und mit diesen enormen Meisterwerken der Gattung ein Leben zu verbringen. Zum Gelingengehört auch Glück und Gnade. Wenn man über einen so langen Zeitraum so viel Streichquartett spielt, gibt es wohl nicht nur eine durchgängige Entwicklung, sondern auch ständig neue Schübe.
6
Man muss sich immer wieder neu erfinden als Quartett. Das ist Teil des künstlerischen Prozessesund generiert sich aus dem Zusammenwirken von inneren wie äußeren Gegebenheiten und Einflüssen. Es ist letztlich die tägliche Arbeit mit der Musik, welche diesen Prozess für uns am Leben erhält. Aber es ist eine sehr fragile Angelegenheit. Drei Mitglieder aus der Gründungsbesetzung – der erste Geiger, die Bratschistin und der Cellist – spielen heute noch, das ist eine enorme Konstanz, auch im internationalen Quartettvergleich. Wie gelingt es euch, über einen so langen Zeitraum Kreativität und Konstruktivität zu bewahren? Das Streichquartettspiel ist in vielerlei Hinsicht eine hohe Schule. Kreativität ist
sicherlichdas Potenzial von individueller Veranlagung und Entwicklung, welches zu einer sich verändernden Bindung in einem Ensemble führt. Die Konstruktivitätwächst aus meiner Sicht mit Erfahrungund Reife. Personelle Wechsel gab es bei eurem Quartett bisher – drei Mal – nur auf der Position der zweiten Violine, wo nun Catalin Desaga spielt. Wie kann sich ein Musiker in ein so langebestehendes Kollektiveinfügen und gleichzeitig einbringen? Wir sind sehr froh und dankbar, Catalin gefunden zu haben. Die berühmte Nadel im Heuhaufenoder eben Fügung. Interessanterweise ist Catalin durch eine ähnliche Schule gegangen wie wir. Besonders geprägt durch seinen Lehrer, den Primarius des Voces
5. KAMMERKONZERT / FR 16. FEB 2018 / TIROLER L ANDESKONSERVATORIUM / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
Quartett. Zudemwar er, so wie wir, eng verbunden mit dem DirigentenSergiu Celibidache und dem Amadeus Quartett. Darüber hinaus spielt natürlich Charakter eine tragende Rolle Der Katalogvon passenden Eigenschaften , die für eine Positionin einem Streichquartett über das rein instrumentale und musikalische Könnenhinausgehen, wäre noch zu erstellen und sicherlich sehr lang. Politisch gefragt: Bildet ein Streichquartett ein demokratisches Forum von vier gleichwertigen eigenständigen Kräften? Das Streichquartett ist aus sich selbst her aus eine Koalition. Und eine Kunst des Zusammenspiels. Die Herausforderung besteht für jedes Mitglied in der Provokation durch die anderen bei gleichzeitiger Stimulanz des Eigenen. Die Möglichkeiten einer solchen Formation liegenim ständigen Regulativ.
„Wir haben das Gefühl, dass wir beim wirklichen Verständnisvon Beethovens später Quartettmusik relativ am Anfang stehen.“ — Cellist Mathias Beyer-Karlshøj vom Henschel Quartett —
Ihr werdet in Innsbruck Beethovens monumentalem Opus 131 Werke von Schulhoff und Mendelssohn vorausschicken. Mendelssohn haftet bis heute Robert Schumanns Diktum an, der „Mozartdes 19. Jahrhunderts“ zu sein. Das trifft für einige Aspekte von Mendelssohns Musik sehr wohl zu, aber hat er nicht gerade als Streichquartettschöpfer auch viel mit Beethoven zu tun? Kaum ein Komponist ist an Beethoven vorbeigekommen. SchumannsWort wiederum zielt, glaube ich, besonders auf die Leichtigkeit im Geiste, die Mendelssohns Musikohne Zweifel mit Mozart verbindet. Nur auch hier darf man nicht vorschnell sein. Die Unbeschwertheitist bei beiden Komponisten oft durch harte Arbeit am Material hervorgerufen. Man schaue sich nur so manches Autograph an, das wiedergibt, wie gerungen wurde ... In Innsbruck spielt ihr Mendelssohns a-MollQuartett, das in Beethovens Todesjahr 1827 entstand. Welche Beethoven-Bezüge sind in dem Werk auszumachen? Übergeordnet ist Mendelssohns Werk eine Verneigung vor dem Meister. Das zeigt sich an vielen formalen Merkmalen und Anspielungenauf das Gesamtwerk Beethovens. Im Besonderengibt es den deutlichen Bezugzu BeethovensQuartett op. 132 nicht nur in der Wahl der Tonart, sondern auch der Thematik undeiner ganzerReihe formaler Besonderheiten. Des Weiteren findet man
auch Beethovens 7. Sinfonie sowiedie Klaviersonate „Les Adieux“ zitiert. Von Mendelssohn selber stammt die Geschichte, dass bei der Aufführung seines Quartettsop.13 in Paris ein Zuhörer, der neben ihm saß, ihn anstupste und deutlich machte, dass er das gerade vorgetragene Werk für ein Stück von Beethoven hielt. So war offenbar die Wirkung 1830. Ihr führt immer wieder Beethovens Streichquartette, auch in Gesamtzyklen, auf. Habt ihr dabei das Gefühl, dass er seiner Zeit vorauskomponierte, ja bis heute Wege zeigt? Beethovens monumentale Erscheinung in der Musikgeschichte ist allein schon durch die Wirkung bis in unsere Zeit ohne wirklich einschätzbare Dimension. Inwieweit er für heutige Komponisten als Quelle der Inspiration gilt, vermagich nicht zu beurteilen. Ein Werk wie Opus 131, das wir in Innsbruck spielen, würde ich eindeutig als weit in die Zukunft weisend bezeichnen. Wir haben das Gefühl, dass wir beim wirklichen Verständnis dieser Musik relativam Anfang stehen. Beginnen werdet ihr in Innsbruck mit fünf Streichquartettstücken des Prager Komponisten Erwin Schulhoff, dessen junges Leben in einem Internierungslagerder Nationalsozialisten ge endethat. Für ihn habt ihr Pionierarbeit geleistet und leidenschaftlich mitgeholfen, sein Quartettschaffen der Vergessenheit zu entreißen. Welche Besonderheiten entdeckt ihr in seiner Quartett musik? Hat er mehr an die Traditionangeknüpft oder revolutionärgewirkt? Erwin Schulhoff ist sicher eine der herausragenden Musikerpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vielleicht war sein Schaffen weniger revolutionär als eher innovativ. Durch seine unbändige Neugier und Aufgeschlossenheit hat er sich immer neuen Ideen und Stilen verschrieben, die sein Werk prägen. Zum Beispiel war er einer der Ersten, der Elemente des Jazz in die E-Musik integrierte. SeineMusik ist packend, prägnant und mit einer starken Atmosphäre, der sich unserer Erfahrung nach kaum jemand entziehen kann. Wir freuen uns, diese Musik in Innsbruck zu spielen, überhaupt freuen wir uns sehr auf das Konzert! Das Gespräch führte Rainer Lepuschitz
HENSCHEL QUARTETT ERWIN SCHULHOFF
Fünf Stücke für Streichquartett FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY
Streichquartett Nr. 2 a-Moll op. 13
NEUER QUARTETT-KOSMOS
Mit Track 1 dieser CD fegt eine neue Epoche der Streichquartettmusik durch die HiFi-Boxen, wenn das Münchner Henschel Quartett die geballte Ladung von Erwin Schulhoffs erstem Quartettsatz zündet. Darin ist alles an greller Harmonik, entfesselter Rhythmik, neuen Klangwirkungen und extremen Spieltechniken enthalten, was die aufbrechende Moderne im frühen 20. Jahrhundert zu bieten hatte. Das Henschel Quartett holt den bis heute fast vergessenen Prager Schulhoff mit einer dynamischen, virtuosen und alle Schattierungen brillant aushorchendenInterpretation des 1. Streichquartettsaus dem Schatten seines viel berühmterenZeitgenossen Béla Bartók. Das Münchner Ensemble entlockt Schulhoffs Musik ihre Klangmagie, wie im gespenstischen und gespanntenFinalsatz, und spielt mitreißend dieVorliebe des Komponisten für urtümliche volksmusikalische Tanzformen aus. 17 Minuten dauert Schulhoffs 1. Quartett, aber nach dem Hören dieser Aufnahme hat man das Gefühl, einen Ausflug in einen unendlichen kammermusikalischen Kosmos gemacht zu haben. Noch weitere faszinierende Spielarten frühmoderner Quartettmusik entfacht das Henschel Quartett mit dieser CD farbenreich und fulminant: die hochexpressive lyrische Kammermusiksprache des finnischen Symphonikers Jean Sibelius im Quartett „Voces intimae“ und die spannende Musikdramatik des mährischen Sprachmelodikers Leoš Janácˇek auf 16 Saiten im 1. Streichquartett, das von TolstoisPsychothriller „Kreutzersonate“ entzündet wurde.
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Streichquartett Nr. 14 cis-Moll op. 131
Schulhoff/Sibelius/Janácˇek: Streichquartette Henschel Quartett (NEOS Music)
7
5. MEISTERKONZERT / MI 28. FEB 2018 / CONGRESS INNSBRUCK, SA AL TIROL / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
VIRTUOSE POESIE
IGOR LEVIT
Präludium, Fuge, Parsifal, Prophet – der PianistIgor Levit vereint in seinem Innsbrucker Soloprogrammgroßartige Vertonungen alter musikalischer Formenmit großen Opernfiguren ersehnterund selbst ernannter Erlöser. „Ein großerneuer Pianist ist angekommen“, wurdeLevit von der „New York Times“ nach einem Konzert in der Carnegie Hall als eine Art Messiasder Musik angepriesen. Es handle sich bei ihm um einen Künstler, „der zum Bleiben bestimmt ist“ („The Guardian“).
8
5. MEISTERKONZERT / MI 28. FEB 2018 / CONGRESS INNSBRUCK, SA AL TIROL / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
Ohrenzeugen berichten stets von einem außergewöhnlichenMusiker und beurteilen Igor Levitals Ausnahmeerscheinung. „Wo er spielt, hinterlässt er Verblüffte“, stellte ein Musikjournalist in der Wochenzeitung „Die Zeit“ über den in Nischni Nowgorod (ehemals Gorki) geborenen und im Alter von acht Jahren mit seinerFamilie nach Deutschland übersiedelten Pianisten fest . Als er 2010 in Hannover zum Studien abschluss sein Konzertexamen spielte, erhielt er die höchstePunktezahl in der Geschichte der Hochschule für Musik, Theater und Medien. Als Abschlussstückhatte Levit Beethovens fast einstündige „Diabelli-Variationen“ gewählt. In Beethovens Wirkungsort Wien beschrieb die Tageszeitung„Die Presse“ Levit als einen „Künstler, der mit Bravour alle technischen Kniffligkeiten löst. Bei aller Virtuosität macht Levit jedoch immer voll Poesie Musik.“
REVOLUTIONÄRE VARIATIONEN Beides, Virtuosität und Poesie, kommt in seinen bisherigen CD-Einspielungen eindrucksvoll zur Geltung und kann sich auch zu poetischer Virtuositätvermischen, wie in den „Diabelli Variationen“. Er geht sie „kräftig, fast aggressiv funkelnd, mit treibendem Beat an. Was ihn nicht abhält, instrumental zu singen, Strukturen nicht nur bloßzulegen, sondern mit großbogiger Emphaseaufblühen zu lassen : Gleich darauf geht die wilde Jagd weiter.“ So beurteilte der Rezensentder deutschen Tageszeitung„Die Welt“ LevitsAufnahme. Der junge Pianist wagte es gleich auch, seine Interpretationenvon zwei weiteren grandiosen Variationszyklen digital festzuhalten: von Bachs „Goldberg-Variationen“ und den beinahe als unspielbar geltenden Variationen „The People United Will never Be Defeated !“ von dem US-amerikanischen Komponisten und PianistenFrederic Anthony Rzewski über das chilenische Revolutionslied „El pueblounido“. Levit spieltealle drei Kräfte raubendenVariationszyklenmittlerweile auch live, unter anderemin der Philharmonie seiner neuenWahlheimat Berlin. Betreten hat Levit den schillernden internationalen CD-Markt mit nichts Geringerem als dem Vermächtnis von Beethovens letzten drei Klaviersonaten. Darüber nochmals „Die Zeit“: „Levit realisiert die ,Ich-Verlassenheit‘, die ThomasMann im ,Dr. Faustus‘ dem späten Beethoven zuschrieb.“ Da ist sie wieder erwähnt: die Poesie, die über dem Ego des Virtuosen steht. Sein musikalisches Lieblingswerk konnte und kann Levit aber nicht in der Originalgestalt aufnehmen und am Klavier spielen: Beethovens „Missa solemnis“. Vorsorglich fertigte er allerdings schon als 14-Jähriger einen Klavierauszug von der Chor-Orchester-Messe an... Von Beethoven stammte auch das aller ersteWerk, das Igor Levit öffentlich spielte: eine „Ecossaise“, die er im Alter von vier Jahren in seiner Geburtsstadt vortrug. Damals unterrichtete ihn seine Mutter, eine Klavierlehrerin. Später,
in Hannover, war einer der bedeutendsten und überaus inspirierenden Klavierpädagogendes 20. und frühen 21. Jahrhunderts sein Lehrer: Karl-Heinz Kämmerling. Auch bei einem weiteren legendären Klavierprofessor, Hans Leygraf, hatte Levit – am Salzburger Mozarteum in der Klavierklasse für „internationale Spitzenbegabungen“ – Unterricht. Levit gewann nicht nur die Silbermedaille beim renommierten ArthurRubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv, sondern dort – als jüngster Teilnehmer – auch den Sonderpreis für Kammermusik, den Publikumspreis und den Sonderpreis für die beste Aufführung des zeitgenössischen Pflichtstücks. Bereits im Alter von 13 Jahren hatte Levit in Europa und den USA zu konzertieren begonnen. Im Jahr seinesStudienabschlusses bescheinigte ihm dann eine Musikkritikerin der „Frankfurter AllgemeinenZeitung“: „Dieser junge Mann hat nicht nur das Zeug, einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts zu werden. Er ist es schon!“ „Der faszinierendste junge Pianist der heutigen Klassikszene“ („Süddeutsche Zeitung“) sucht immer wieder besondere Repertoirewege. Überraschte er die internationale Musikszene schon mit der Aufnahme der „revolutionären“ Variationen, an denen er jahrelang wie besessen übte, so bringt er gleich mehrere Raritäten zu seinem Solo-Recital nach Innsbruck mit. JohannesBrahms’ faszinierende Klavierbearbeitung der Violin-ChaconneJohann Sebastian Bachs hat zumindest noch einen gewissen Bekanntheitsgrad, wenn sie auch eher selten im Konzert zu hörenist. Levit wird sein Programm mit barocken Formenfortsetzen, allerdings in der Musiksprache des 20. Jahrhunderts: So trifft
IGOR LEVIT KLAVIER JOHANN SEBASTIAN BACH
Chaconne aus der Partita für Violine solo Nr. 2 BWV 1004 (Transkription für Klavier von Johannes Brahms)
DMITRI SCHOSTAKOWITSCH
Aus den Präludien und Fugen für Klavier op. 87 I c-Moll – II As-Dur – III f-Moll – IV A-Dur – V gis-Moll ROBERT SCHUMANN
Thema mit Variationen Es-Dur für Klavier WoO 24 „Geistervariationen“ RICHARD WAGNER
„Feierlicher Marsch zum Heiligen Gral“ aus der Oper „Parsifal“ (Transkription für Klavier von Franz Liszt)
FRANZ LISZT
Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad salutarem undam“ aus Meyerbeers Oper „Le Prophète“ für Orgel (Transkription für Klavier von Ferruccio Busoni)
er eine Auswahl aus den „Präludien und Fugen“ für Klavier Dmitri Schostakowitschs, zu denen der sowjetische Komponist durch einen Besuch in der Bach-Stadt Leipzig inspiriert worden war. In eine dramatische Lebens- und Komponierphase Robert Schumanns führt Igor Levit mit den „Geister-Variationen“, der letzten abgeschlossenen Komposition des romantischen Künstlers, der während der Arbeit daran einen
„Es ist ein atemberaubendes Erlebnis, Levit zuzuhören.“ — Neue Zürcher Zeitung —
Selbstmordversuch unternahm und nach seiner Rettung das Werk abschloss, bevor er in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wurde. Zu dem Titel „Geister-Variationen“ kam es durch eine Tagebucheintragung der Ehefrau des Kom ponisten, der Pianistin Clara Schumann: „In der Nacht ... stand Robert immer wieder auf und schrieb ein Thema, welches ihm die Geister Schuberts und Mendelssohns vorsangen, und über welches er für mich ebenso rührende wie ergreifende Variationen machte.“
GEWALTIGE WELLE Auch für die letzten beiden Werke seines Innsbrucker Programms bleibt Igor Levit in der romantischen Epoche. Eine von Franz Liszts grandiosen Transkriptionen für Klavier galt dem „Feierlichen Marsch zum Heiligen Gral“ aus der Oper „Parsifal“ seines Schwiegersohnes Richard Wagner. Darin transzendierte der virtuoseste Pianist des 19. Jahrhunderts die Leitmotive aus dem letzten Werk des deutschen Opernkom ponisten zu monumentalen Akkordfolgen. Doch Levit ist damit in seinem Konzert noch nicht am Ziel, denn auf die Gralsmusik lässt er eine weitere „heilige“ Musik folgen: den Choral der Wiedertäufer aus der Oper „Le Prophète“ Giacomo Meyerbeers. Der deutsche Komponist stellte in seinem Bühnenwerk den Anführer der revolutionären Wiedertäufer in deutschen Landen, Johann von Leyden, in den Mittelpunkt des Geschehens. Von seinen Anhängern wurde Leydenals Wiederkehr König Davids verehrt. Meyerbeer ging es mit seinem Werk um die EntlarvungLeydens als falschen Propheten. Franz Liszt griff auch aus dieser Oper ein feierliches Thema auf und komponierte für die Orgel eine halbstündige Fantasie und Fuge über den Choral, den die Wiedertäufer singen: „Ad nos, ad salutarem undam iterum venite miseri!“ – „Zu uns, zur heilbringenden Welle kommt wieder , ihr Unglücklichen!“. Igor Levit wird eine gewaltige musikalische Welle auslösen. Er holt Liszts Orgelwerk mit der monumentalen KlaviertranskriptionFerruccio Busonis ans Licht der Konzertöffentlichkeit. 9
6. KAMMERKONZERT / MO 5. MÄRZ 2018 / TIROLER L ANDESKONSERVATORIUM / BEGINN 20.00 UHR, EINFÜHRUNG 19.00 UHR
EMOTIONALER KLANG Vierter Quartettabend in den Innsbrucker Kammerkonzerten nach dem Leipziger, Cremoneser und Henschel Quartett. Aber diesmal kein Streichquartett, sondern ein Saxophonquartett. Das den Streichern dennoch nahe ist, wie Johannes Pfeuffer vom Ebonit Saxophone Quartet erklärt. IM GESPR ÄCH
EBONIT SA XOPHONE QUARTET
PUBLICUM: Das Saxophon wurde in der Blüte der romantischen Epoche im Jahr 1840 erfunden, doch hat es sich erst viel später auch in der klassischen Musik behaupten können. Was für Gründe kann das haben? JOHANNES PFEUFFER: Betrachtet man die Entwicklung anderer Instrumente, erkenntman, dass oft Virtuosen die großen Komponistenbeeinflusst haben oder selbst für ihr Instrument schrieben: Joseph Joachim, Liszt, Chopin, Paganini. Solche Musiker gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dann auch für das Saxophon. Den Franzosen Marcel Mule und die Amerikanerin Eliza Hall. Marcel Mule war Professoram Conservatoire National in Paris und ein Virtuose, dessen Qualitäten und Aufnahmen heute noch als Maßstab gelten. Er konnte Komponisten wie Françaix, Rivier, Glasunowund Ibert dazu inspirieren, für das Saxophon zu komponieren. Eliza Hall wiederum gab zu Beginn des 20. Jahrhunderts Saxophonkonzerte bei Komponisten wie Claude Debussy, Florent Schmitt und Vincent d’Indy in Auftrag. Aber erst durch den Jazz fand das Saxophon eine große Verbreitung. Diesen Siegeszug des Saxophonsdurch die Welt der Musik konnte der Erfinderdes Instruments, Adolphe Sax, nicht mehr erleben. Spielen Sie mit dem Ebonit Saxophone Quartet mehr Jazz oder Klassik? Wir spielen klassisches Repertoire. Das liegt an un-
10
serer Ausbildung: Wir haben alle bei dem klassischen Saxophonisten Arno Bornkamp in Amsterdam studiert und danach unsere Ausbildung an der niederländischen Streichquartett-Akademie fortgesetzt. Komplettierthaben wir unsere Ausbildung in Rahmenvon Meister klassen bei bedeutenden Streichquartettenwie Artemis, Belcea, Casals, Ébène, Kronos. So kommt es also nicht von ungefähr, wenn Sie und Ihre Kolleginnen in Innsbruck eine Bearbeitung von Dvorˇáks „Amerikanischem“ Streichquartett spielen. Ist die Familie der Saxophonegut dafür geeignet, Streichermusik in Bläsermusik zu verwandeln? Das kommt ganz auf das Repertoire an. Auf unserer Debüt-CD haben wir zum Beispiel Musik von Haydn, Webern, Sibelius und Schostakowitschaufgenommen, die sich wunderbar für unser Instrument eignet. Aber es gibt auch Grenzen, vor allem was technische Besonderheiten wie Doppelgriffe, Pizzicato, Con Sordinoangeht. So haben wir festgestellt, dass sich Mozart-Musik sehr gut für das Saxophon bearbeiten lässt, Beethoven-Musik jedoch nicht. In Dvorˇáks Streichquartett schwingt ja bereitsder frühe Jazz und Blues mit, was unserenInstrumentensehr gelegen kommt. Deswegen halten wir dieses Werk für besonders geeignet, es auf vier Saxophonen zu spielen. Das Quartett von Glasunow, das Sie nach Innsbruck mitbringen, ist original für Saxophone komponiert. Hat der Russe die Charakteristik von Saxophonen gut erfasst? Glasunow nutzt die Möglichkeiten des Instruments perfekt aus: Gesanglichkeit gepaart mit Virtuosität, außer-
EBONIT SAXOPHONE QUARTET ˇ ÁK ANTONÍN DVOR
Streichquartett Nr. 12 F-Dur op. 96 „Amerikanisches Quartett“ (Bearbeitung für 4 Saxophone vom Ebonit Saxophone Quartet)
TRISTAN KEURIS
Music for Saxophones ALEXANDER GLASUNOW
Saxophonquartett B-Dur op. 109 JEAN RIVIER
„Grave et Presto“ für Saxophonquartett
dem die klanglichen Facetten. Manchmal klingt das Quartett wie eine Orgelkantate und dann wieder wie ein ganzes Orchester . Glasunow „instrumentiert“ sehr geschickt und hat uns ein echtes Meisterwerk geschenkt. Weitere Originalwerke für Saxophone haben Sie von Jean Rivier und Tristan Keuris im Pro gramm. Was für eine Musik darf das Publikum in Innsbruck erwarten? Die Entstehung der Werke von Rivier und Keuris ist zwar zeitlich durch mehrere Jahrzehnte getrennt, dennoch verbindet sie ein ähnlicher Charakter. Beide Stücke sind sehr impulsiv und expressiv zugleich und verlangen von den Interpretenein hohes Maß an Virtuositätsowie an musikalischem Einfühlungsvermögen. Was hat es mit dem Namen „Ebonit“ auf sich? Ebonit ist das Material, aus dem die Mundstückefür Saxophone hergestellt werden. Wie und wo würden Sie den Klang des Saxophonsim Vergleich zu anderen Blasinstrumenten einordnen? Bereits Héctor Berlioz sagte , dass das Saxophon eine Mischungzwischen Bläsern, Streichern und der menschlichen Stimmesei. Ich würde es als musikalisches Chamäleonbezeichnen, das in der Lage ist, jede menschliche Emotion in Klang zu verwandeln.
Didone
La Musica notturna
Das goldene Zeitalter
10./12./ 14.08.
11.08.
17.08.
Tiroler Landestheater
Schloss Ambras Innsbruck, Spanischer Saal
Hofburg, Riesensaal
Belcanto-Oper von Saverio Mercadante
Luigi Boccherinis ÂŤspanischeÂť Kammermusik
Klassische Streichquartette auf Stainer-Instrumenten
Alle Veranstaltungen & Tickets: www.altemusik.at +43 512 53 56 0
MEISTER & K AMMERKONZERTE INNSBRUCK
VORSCHAU MEISTERKONZERTE 2017/18
KAMMERKONZERTE 2017/18
Congress Innsbruck, Saal Tirol, Einführungsgespräche 19.00 Uhr
Tiroler Landeskonservatorium, Einführungsgespräche 19.00 Uhr
4. MEISTERKONZERT, MI 24. JÄNNER 2018, 20.00 UHR
4. K AMMERKONZERT, MO 22. JÄNNER 2018, 20.00 UHR
ORCHESTRE PHILHARMONIQUE DU LUXEMBOURG GUSTAVO GIMENO DIRIGENT · BAIBA SKRIDE VIOLINE
DAVIDE GIOVANNI TOMASI GITARRE
Richard Wagner, Felix Mendelssohn Bartholdy, Claude Debussy
Antonio José, Heitor Villa-Lobos, Mario Castelnuovo-Tedesco, Giulio Regondi, Benjamin Britten
5. MEISTERKONZERT, MI 28. FEBRUAR 2018, 20.00 UHR
5. K AMMERKONZERT, FR 16. FEBRUAR 2018, 20.00 UHR
IGOR LEVIT KLAVIER
HENSCHEL QUARTETT
Johann Sebastian Bach, Dmitri Schostakowitsch, Robert Schumann, Richard Wagner, Franz Liszt
Erwin Schulhoff, Felix Mendelssohn Bartholdy, Ludwig van Beethoven
NG ACHTU E R TKO N Z RUNG ÄNDE
6. K AMMERKONZERT, MO 5. MÄRZ 2018, 20.00 UHR 6. MEISTERKONZERT, MI 18. APRIL 2018, 20.00 UHR
EBONIT SAXOPHONE QUARTET
BERNER SYMPHONIEORCHESTER MARIO VENZAGO DIRIGENT · SEBASTIAN MANZ KLARINETTE
Antonín Dvorˇák, Tristan Keuris, Alexander Glasunow, Jean Rivier
Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Maria von Weber, Arthur Honegger, Ludwig van Beethoven
7. K AMMERKONZERT, DI 24. APRIL 2018, 20.00 UHR
PIOTR ANDERSZEWSKI KLAVIER 7. MEISTERKONZERT, DO 17. MAI 2018, 20.00 UHR
Wolfgang Amadeus Mozart, Leoš Janácˇek, Frédéric Chopin
ROYAL SCOTTISH NATIONAL ORCHESTRA PETER OUNDJIAN DIRIGENT · MARTIN STADTFELD KLAVIER NICOLA BENEDETTI VIOLINE · JAN VOGLER VIOLONCELLO
8. K AMMERKONZERT, DO 3. MAI 2018, 20.00 UHR
Benjamin Britten, Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms
Benjamin Britten, Wolfgang Amadeus Mozart, Leoš Janácˇek
Sebastian Manz
Piotr Anderszewski
Martin Stadtfeld
QUATUOR VOCE
Nicola Benedetti
Jan Vogler
Quatuor Voce
Meisterkonzerte finden im Congress Innsbruck, Saal Tirol und Kammerkonzerte im Konzertsaal des Tiroler Landeskonservatoriums statt. Einzelkarten auf www.meisterkammerkonzerte.at, bei der Innsbruck Information und im Tiroler Landestheater. Stehplatzkarten für Meisterkonzerte um € 7 jeweils an der Abendkassa. Bei Interesse an einem Abonnement der Meister&Kammerkonzerte: tickets@altemusik.at oder T +43 512 571032-13 (Mo – Fr 09.00 –12.30 Uhr)
Impressum: Meister&Kammerkonzerte, Innsbrucker Festwochen der Alten Musik GmbH, Herzog-Friedrich-Straße 21/1, 6020 Innsbruck; E-Mail: meisterkammer@altemusik.at; Tel.: +43 512 571032; Für den Inhalt v erantwortlich: Dr. Markus Lutz, Eva-Maria Sens; Redaktion, Texte & Interviews: Rainer Lepuschitz; © Fotos: Felix Broede (S. 1), Alexander Wenzel (S. 3), Marco Borggreve (S. 4, 6, 10, 12), Robbie Lawrence (S. 8), Simon Fowler/Warner Classics (S. 12), Yvonne Zemke – Sony Classical (S. 12), Simon Fowler (S. 12), Jim Rakete (S. 12), Sophie Pawlak (S. 12); Konzeption & Design: Citygrafic Designoffice, citygrafic.at, Innsbruck; Druck: Alpina, Innsbruck; Druck- und Satzfehler sowie Besetzungs- und Programmänderungen vorbehalten. Offenlegung gemäß §25, Medieng esetz: Die Broschüre gibt Auskunft über die Veranstaltungen der Meister&Kammerkonzerte, Innsbrucker Festwochen der Alten Musik GmbH.
Österreichische Post AG MZ07Z037231M Herzog-Friedrich-Straße 21, 6020 Innsbruck