MEININIGERS SOMMELIER - Ausgabe 01/2017

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PANORAMA ahr

DIE AHR VON OST NACH WEST

Auf nur 22 Kilometern erstrecken sich die Weinberge der Ahr

MICHAEL FIEBRICH bewirtschaftet seine 1,2 Hektar biologisch. Was bei Erzeugern anderer deutscher Anbaugebiete maximal eine Randnotiz wäre, bleibt an der Ahr die Ausnahme: „Besonders die manuelle Unterstockpflege in den Steillagen ist wahnsinnig aufwendig“, erklärt Fiebrich. Nicht viele Winzer an der Ahr, schon gar nicht die größeren Betriebe (Ausnahme Maibachfarm mit 9,5 ha Biofläche), lassen sich daher auf eine Biozertifizierung ein. Meike Näkel, die inzwischen gemeinsam mit ihrer Schwester Dörte voll ins elterliche Weingut Meyer-Näkel integriert ist, beschreibt: „Wir setzen den Bio-Gedanken um, so gut wir können, verzichten auf Herbizide und mineralische Dünger.“ Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Alexander Stodden vom Weingut Jean Stodden. Er hat sich bewusst gegen die Biozertifizierung entschieden: „Ich möchte mir nicht die Möglichkeit nehmen lassen, im richtigen Moment das zu tun, was für meine Weinberge richtig ist. Wenn ich mich zertifizieren lasse, gibt es nur noch schwarz oder weiß, keine Graustufen mehr. Ich will mir keine Scheuklappen anlegen lassen.“ Statt einer Ökozertifizierung haben sich die Weingüter Meyer-Näkel und Jean Stodden den Nachhaltigkeits-Prinzipien von Fair ’N Green verpflichtet. NEBEN IMMENSEM ARBEITSAUFWAND erschweren den Biowinzern an der

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Ahr die vielen kleinen Parzellen das Leben. Diese sind Folge des napoleonischen Erbrechts. Aller Besitz wurde, entsprechend dem Prinzip der Realteilung, gerecht unter den Nachkommen aufgeteilt. Zusammenhängende Rebflächen zerfielen dadurch zu Flickenteppichen, teilweise wurden sogar einzelne Rebzeilen getrennt und gingen an unterschiedliche Besitzer. Für die Biowinzer heute ein Problem. Erst 2016 kam es zu heftigen Diskussionen, als auf Bioflächen eine erhöhte Konzentration konventioneller Spritzmittel nachgewiesen wurde. Vermutlich durch Verwehungen hatten diese den Weg in die Bioweinberge gefunden. Angesichts der extrem starken Parzellierung scheint die klare Abgrenzung zwischen biound konventionellen Weinbergsflächen selbst bei Spritzungen per Hand schwierig. Von den im Ahrtal üblichen Hubschrauber-Spritzungen ganz zu schweigen. „Wenn irgendwie möglich, übernehme ich zusammenhängende Rebflächen oder versuche Flächen zu tauschen, um an größere, geschlossene Flächen zu kommen“, sagt Julia Bertram aus diesem Grund. 2014 hat sie ihren ersten kompletten eigenen Jahrgang ausgebaut und wurde dafür prompt vom Gault Millau als „Entdeckung des Jahres“ gefeiert. Noch erzeugt Julia Bertram ihre Weine konventionell, die Bio-Umstellung ist aber bereits in Planung.

DIE STREUUNG von oft mehreren hundert Parzellen über das gesamte Anbaugebiet ist aber nicht nur für die Biowinzer eine Herausforderung. Alle Erzeuger müssen viel Zeit darauf verwenden, Arbeiter und Geräte von einem Weinberg zum nächsten zu schaffen. Andererseits ermöglichen die zahlreichen kleinen Parzellen den Winzern, die vielfältigen Mikroklimata und Bodenarten an der Ahr voll auszunutzen. „Wenn vom Anbau­ gebiet Ahr gesprochen wird, ist häufig nur von Schiefer die Rede. Dabei gibt es große Unterschiede, was die Böden anbelangt. Und diese Unterschiede merkt man den Weinen auch an“, meint Julia Bertram. Im oberen Anbaugebiet, zwischen Altenahr und Marienthal, herrschen in den nach Süden ausgerichteten Steil- und Steilstlagen Schieferverwitterungsböden vor. Der Untergrund ist hier teilweise so karg, dass er selbst der Reblaus zu unwirtlich war. Es gibt noch Parzellen mit wurzelechten Stöcken. Aus solchen wird beispielsweise das Große Gewächs Altenahrer Eck vom Weingut Deutzerhof gekeltert. Die Reben sind tief im Schiefer verwurzelt, die Trauben sehr klein. Der Ertrag liegt bei lediglich bei 25 Hektolitern/Hektar. Wirkt der Wein zu früh getrunken spröde, fast abweisend, präsentiert er sich nach einigen Jahren Flaschenreife fein und elegant. Ein anderer herausragender 01-2017 meiningers sommelier


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