Meiningers Weinwelt - Ausgabe 01/2017

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WEIN_GRUSS AUS DEM KELLER

KEINE SORGE: Hier geht es nicht um Politik. Wir bleiben beim Wein, genauer gesagt beim Rotwein, denn hier gibt es – zumindest aus Deutschland – nicht nur die meisten Neuigkeiten, sondern auch die erfreulichsten: Deutscher Rotwein hat nicht nur quantitativ (inzwischen 35 Prozent der Rebfläche!), sondern auch qualitativ kräftig zugelegt! Bei Meiningers Rotweinpreis konnten sich die Verkoster davon überzeugen: knapp 1 100 Proben, exklusiv dem deutschen Rotwein gewidmet, standen da auf den Tischen; alles was Rang und Namen hat oder nicht, alle möglichen Rebsorten, Jahrgänge und Preisklassen (die Sieger ab Seite 94).

Michael Hornickel

Deutschland wird Rot

Ganz klar, dass die deutsche Renommiersorte Spätburgunder (immerhin ein Drittel der roten Anbaufläche) beinahe die Hälfte der Proben stellte. Überraschender war dann schon, dass an zweiter Stelle nicht ein weiterer Rebsortenwein folgte, sondern: Cuvées. Ja, die internationale Praktik des Rebsorten-Verschnitts ist in Deutschland angekommen. Beim Rotweinpreis war beinahe jede fünfte(!) Probe eine Cuvée, wobei alle erdenklichen Kombinationen geboten wurden. Eine gereifte Cuvée bordelaiser Rebsorten erzielte sogar eine der höchsten Bewertungen überhaupt (93 Punkte für die 2007er Cuvée Wilhelm von Wageck Pfaffmann). Verständlicherweise seltener cuvetiert werden die Superstars, der Spätburgunder und der württembergische Klassiker Lemberger, die beide fast allein die Top-Bewertungen unter sich ausmachten. Dabei zeigte der Lemberger, dass er inzwischen in der Spitze mit dem österreichischen Blaufränkisch gut mithalten kann, in der ­Breite noch nicht so ganz, was allein aus klimatischen Gründen wohl auch in Zukunft schwer werden dürfte. Dennoch: Hut ab vor diesen kompletten Rotweinen mit Schliff und Tiefe, wie sie heute in der Spitze aus dem Ländle ­geboten werden. So schafften es acht Lemberger unter die 23 am höchsten bewerteten Weine (ab 92 Punkte aufwärts) überhaupt. Die vor allem württembergische Spezialität gehört demnach nicht nur zur Elite deutscher Rotweine, sondern zur internationalen Spitzenklasse! Beim Spätburgunder wissen wir das ja schon länger. Auch in diesem Jahr ging die höchste Bewertung an einen Vertreter dieser Sorte (94 Punkte für Julian Hubers Bienenberg) und die beste Kollektion wurde zudem von einem auf Spätburgunder spezialisierten AhrWeingut gewonnen (Meyer-Näkel). Insgesamt tummelten sich unter den 23 ab 92 Punkte aufwärts bewerteten Weinen allein 13 Spätburgunder.

»Cuvées sind

längst in Deutschland etabliert«

Bei all diesen ehrgeizigen Rotweinen ist natürlich der Barrique-Ausbau Trumpf (zwei Drittel der Anstellungen), aber das gute alte, traditionelle große Holzfass ist zurück (immerhin ein Viertel der Proben). Auch dem Naturkorken schenken die Erzeuger wieder ihr Vertrauen (drei Viertel der Weine), während der Kunststoff korken zumindest in Premium-Segment out ist (gerade mal ein Prozent).

All die Mühen der Qualitätsorientierung haben natürlich ihren Preis. Gut die Hälfte der Anstellungen lag irgendwo zwischen zehn und 25 Euro, jeder fünfte Wein sogar darüber. So kam ein Durchschnittspreis von höchst erstaunlichen 18,24 Euro zustande. Auch da stößt Rotwein „Made in Germany“ in internationale Dimensionen vor. Und die Freude über einen klasse Rotwein hält schließlich länger an als die über einen günstigen Preis.

Michael Hornickel, Wein-Autor und MUNDUS VINI-Vorstand, ist einer der Pioniere der professionellen Weinverkostung in Deutschland.

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