16 Sonntag, 27. Jänner 2013
WANN & WO
„Lebensbedingungen hinterfragen!“
Bernhard Amann, Ex & Hopp: „Die Ursache des kleiner werdenden IQ liegt in den Lebensbedingungen der Befragten und begründet sich nicht durch Cannabiskonsum. Bessere Bildung, Ernährung, Gesundheit und Umweltbedingungen führen dazu, dass Menschen intelligenter werden.“
„Auf den Hausverstand hören“
Gebhard Heinzle, Anwalt für Cannabisdelikte: „Dass chronisches Hardcore-Kiffen nicht gesund ist, sagt mir der Hausverstand. Wissenschaftlich definitiv erwiesen sind jedoch die negativen Auswirkungen von Alkohol auf das Gehirn. Hier sollte man eher ansetzen.“
Macht Cannabiskonsum dumm? Symbolfoto: MiK, VOL.AT, handout/Blaas, Heinzle
Die Fachwelt streitet sich derzeit über die Auswirkungen von langjährigem Cannabiskonsum auf die Intelligenz. WANN & WO hat mit Dr. Kurt Blaas, Arbeitsgemeinschaft „Cannabis als Medizin“ (CAM), über das Thema gesprochen. WANN & WO: Derzeit liest man vielerorts darüber, dass häufiger Konsum von Cannabis der Intelligenz schade. Wie sehen Sie diese Angelegenheit? Dr. Kurt Blaas: Auslöser dieser Diskussion war eine Studie aus Neuseeland aus dem vergangenen Jahr. Offenbar wurden hierfür über mehrere Jahrzehnte Personen untersucht, die Cannabis konsumierten. Ich halte diese Studie aber für fragwürdig bis tendenziös. Unter anderem wurde darin nicht die soziale Intelligenz gemessen. Diese war – im Vergleich zu heute – auch noch gar nicht Teil derartiger Untersuchungen. Auch wurde keine exakte Krankheitsgeschichte, ob etwa neurologische Schädigungen vorliegen etc., der einzelnen Personen erstellt.
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Je früher man Drogen nimmt, desto schwieriger wird es, sich ‚normal‘ zu entwickeln. Dr. Kurt Blaas Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin
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WANN & WO: Cannabis macht in Ihren Augen also nicht dumm?
Dr. Kurt Blaas: Sagen wir es einmal so: Auch wenn der IQ bei langzeitigem Konsum von hohen Dosen wirklich um ein paar Prozentpunkte sinken sollte, machen das Dinge wie Kreativität, Bildung, soziales Umfeld, Fantasie und Kommunikation in meinen Augen wieder wett. Man denke nur an das Weiterreichen eines Joints in einer geselligen
Deppert g’raucht? Einer Studie aus dem Jahr 2012 zufolge, lässt langjähriger Cannabiskonsum den IQ von Kiffern sinken. „Stimmt so nicht“, sagen andere, „nicht alleine Cannabis ist dafür verantwortlich. Auch soziale Stellung, Bildung, psychische Vorbelastung oder auch Kreativität und Fantasie der Konsumenten tragen ihren Teil bei.“ Runde. Auch das hat eine soziale Wirkung auf die Konsumenten. WANN & WO: Wem raten Sie auf jeden Fall von Cannabis ab? Dr. Kurt Blaas: Jugendschutz steht hier an allererster Stelle: Jugendliche müssen geschützt werden. Oft verstehen junge Menschen nicht, warum man sie vor Substanzen wie Cannabis bewahren will. Es ist aber so: Umso früher jemand mit Drogen – egal welcher Art – beginnt, und sein Leben danach ausrichtet, desto schwieriger wird es für diese Person, sich „normal“ zu entwickeln. Das kann natürlich auch zu Defiziten in der Intelligenzleistung führen. Natürlich trifft dies auch für Personen mit auffälliger, psychischer Vergangenheit – Stichwort (drogeninduzierte) Psychose – zu. WANN & WO: Sie behandeln Patienten – auch aus Vorarlberg – mit Dronabinol, synthetisch hergestelltem THC. Birgt dieses auch Gefahren? Inwiefern unterscheidet sich diese Substanz von pflanzlichem Cannabis? Dr. Kurt Blaas: Dronabinol ist ein sogenanntes Mono-Cannabinoid, das rein den Wirkstoff THC (genau: Delta-9-Tetrahydrocannabinol) beinhaltet. Medizinisches Indoor-Can-
nabis verfügt im Gegensatz dazu über 50 bis 60 Cannabinoide. Medizinisches Cannabis kommt immer mehr zur Anwendung. Es hat sich gezeigt, dass Cannabinoide großen positiven Einfluss auf das Immunsystem haben und sich beispielsweise Metastasen bei Abdominaltumoren zurück entwickeln oder gar ganz verschwinden. In Österreich fehlt zu diesem Thema eine vernünftige Aufklärung. Und bitte verstehen sie mich nicht falsch, ich bin kein „Pot-Doc“. Meine Patienten, auch die Vorarlberger, müssen zu mir nach Wien kommen und sich bei mir einem anderthalbstündigen Interview unterziehen. Bei mir gibt es keine Drogen auf Rezept, mir geht es rein um die Einführung
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Bei täglichem Konsum von hohen Dosen können Schädigungen nicht ausgeschlossen werden! Dr. Kurt Blaas Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin
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und Verwendung von medizinischen Cannabinoiden in Österreich. Was mich sehr positiv stimmt, ist das die Krankenkassen bereits jetzt einen Gutteil der Behandlungskosten übernehmen.
WANN & WO: Sie schließen also gesundheitliche Schäden durch Cannabis aus? Dr. Kurt Blaas: Das habe ich nicht gesagt. Aber sie sind sehr schwer zu belegen. Auch das Thema Abhängigkeit ist sehr heikel: Bei täglichem Konsum von hohen Dosen können Schädigungen nicht ausgeschlossen werden! WANN & WO: Wie sehen Sie die Cannabis-Diskussion in Österreich allgemein? Dr. Kurt Blaas: Ich denke, man sollte sich in Österreich an der Schweiz orientieren. Die Eidgenossen handhaben diese Thematik sehr vorbildlich und vernünftig. Das erst kürzlich eingeführte Bußgeldsystem spült Geld in die Staatskassen, was heutzutage sicher nicht das Schlechteste ist. Die aktuelle Cannabispolitik halte ich für nicht mehr zeitgemäß, bedenkt man die Kosten für Bürokratie, Justiz, Gerichte etc. Konsumenten sollten entkriminalisiert werden und Patienten sollten sich sowieso nicht vor einer Kriminalisierung fürchten müssen.
HARALD KÜNG harald.kueng@wannundwo.at