Der Kompaktblock - Verdichtetes Wohnen im urbanen Raum

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„Miethshaus“ oder „Miethskaserne“? Der schon öfter in diesem Kapitel genannte Begriff der Mietskaserne kommt Mitte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts erstmals in der Literatur der Wohnungsreformer als „Miethskaserne“ auf. Aber was genau ist denn nun die Mietskaserne, die vorher auch als „casernenartige Gebäude“ oder Häuser nach dem „Casernen-System“ bezeichnet wurden? Dieser Begriff bezeichnet alle, zur Zeit seiner Erfindung, mehrgeschossigen städtischen Wohnhäuser, in denen mehrere Familien leben. Aber nicht jedes Mehrfamilienhaus ist automatisch eine Mietskaserne. Hier gibt es noch einmal die Unterscheidung zwischen Mietshaus und -kaserne. In Mietskasernen reihen sich die Wohnungen in langen Fluren aneinander, sie ist also ein horizontal orientierter Typus. Im Mietshaus gruppieren sich die Wohneinheiten direkt um die Treppenhäuser, die klassische Spännererschließung mit vertikaler Ausrichtung. Somit kann man festhalten, dass die interne Erschließung das entscheidende Kriterium zwischen diesen beiden Wohnhaustypen darstellt.18 Drastischer in seiner Formulierung geht hier 1907 Rudolf Eberstadt, Nationalökonom an der Berliner Universität, vor. Die „Kaserne“

hebt jegliche Individualität auf, sowohl die des Wohnraums, als auch die der Bewohner und unterwirft das Gebäude seinem eigenen Zweck. Aus diesem Grund konnte man für diese Typologie keinen passenderen Begriff als „Mietskaserne“ finden.19

Abb. 28 Beispiel eines Mietskasernenblock mit Hinterhöfen, 1902


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