MR-6-15 Themen.qxp_MR-Themen 6-11.qxd 17.11.20 16:32 Seite 6
Auch in der Marburger Uniklinik gibt es einen Mangel an PïŹegekrĂ€ften im Bereich der Intensivmedizin. Foto: Gesa Coordes
Die Kurve ïŹacht ab Prof. Harald Renz ĂŒber die Corona-Lage am Uniklinikum
I
n Deutschland ist die Zahl der aktiven Infektionen Anfang der Woche erstmals seit eineinhalb Monaten wieder leicht gesunken. Doch wie sieht es in den Kliniken aus, wo sich das aktuelle Infektionsgeschehen erst mit deutlicher Verzögerung auswirkt? Prof. Harald Renz, der Ărztliche GeschĂ€ftsfĂŒhrer des UniversitĂ€tsklinikums in Marburg, berichtet im Express-Interview, wie sich die Situation in dem Krankenhaus auf den Lahnbergen in den letzten Wochen verĂ€ndert hat und wie belastend die Pandemie fĂŒr Mitarbeiter des Gesundheitswesens ist. Express: Wie ist die Lage am UniversitĂ€tsklinikum? Prof. Harald Renz: Wir haben im UniversitĂ€tsklinikum in Marburg rund 20 Patienten auf Normalstation und 14 Patienten auf der Intensivstation, wobei der ĂŒberwiegende Teil der Intensivpatienten auch beatmet werden muss. Wie hat sich die Situation in den vergangenen Wochen entwickelt? Wenn man die InfektionsverlĂ€ufe der letzten Wochen rekapituliert,
6
dann haben wir anfangs einen deutlichen Anstieg gesehen und damit auch den Anstieg der stationĂ€ren Aufnahmen im UniversitĂ€tsklinikum. Jetzt sehen wir eine AbïŹachung der Kurve, hier bei uns im Landkreis sogar einen leichten RĂŒckgang und so wĂŒrden wir das jetzt auch weiter fĂŒr die stationĂ€ren FĂ€lle prognostizieren. Dabei muss man immer bedenken, dass die stationĂ€ren Aufnahmen den Infektionszahlen etwa zehn, elf Tage hinterher hinken. Wenn wir morgens im Radio hören, wie viele Infektionen von den GesundheitsĂ€mtern gemeldet worden sind, dann sind das alles Infektionen, die vor etwa zehn bis 14 Tage stattgefunden haben. Wenn wir jetzt nochmal zehn, elf Tage weiter rechnen, dann können wir etwa abschĂ€tzen, was das fĂŒr uns, fĂŒr die stationĂ€re Aufnahme bedeutet. Das heiĂt, Sie sehen die Lage im Krankenhaus jetzt etwas entspannter als vor mehreren Wochen? Wir beobachten die Entwicklung natĂŒrlich mit allerhöchster Aufmerksamkeit und reagieren tĂ€glich darauf. Aber es ist bei uns in
Mittelhessen nicht so, dass wir eine dramatische Zunahme insbesondere an Intensivpatienten in der letzten Woche erlebt hĂ€tten und dies erwarten wir auch fĂŒr die nĂ€chsten Wochen nicht. Aber das ist eine Momentaufnahme, die sich sehr schnell Ă€ndern kann, wenn wir zum Beispiel in einem Altenheim einen neuen Ausbruch haben. Wie ist die Altersstruktur ihrer Patienten? Hat sie sich seit FrĂŒhjahr verĂ€ndert? Was sich verĂ€ndert hat, ist die Ausbreitung des Virus in der FlĂ€che, in der Bevölkerung und hier insbesondere im Bereich der jungen Menschen. Das können wir ja auch bundesweit beobachten und ist sicherlich darauf zurĂŒckzufĂŒhren, dass es seit dem Sommer lockerer zuging, Partys gefeiert wurden, etc. Die Virus-Ausbreitung ist auch auf den Schulbeginn nach dem Sommer zurĂŒckzufĂŒhren und darauf, dass in den Schulen die SchutzmaĂnahmen teilweise relaxt gehandhabt werden - Stichwort MaskenpïŹicht in Schulen, die es immer noch nicht ïŹĂ€chendeckend
fĂŒr alle Altersklassen gibt. Dann sind da die fehlenden Abstandsmöglichlichkeiten, etwa in den SchulgĂ€ngen oder Pausenhöfen. Dazu kommt leider das VersĂ€umnis der Politik, geeignete MaĂnahmen fĂŒr den Unterricht insgesamt zu treffen. Was wir dringend brĂ€uchten ist eine Halbierung der Schulklassen, die dann beispielsweise im Wechsel unterrichtet werden könnten, auĂerdem eine MaskenpïŹicht und strenge Einhaltung der Abstandsgebote - und zwar durch alle Jahrgangsstufen hindurch. Die Schule ist sicherlich eine der groĂen Quellen, ĂŒber die sich das Virus aktuell ausbreitet, in die Familien und damit natĂŒrlich auch in die Ă€ltere Bevölkerung hinein. Da
âWas die Versorgung der Patienten anbelangt sind wir im grĂŒn-gelben Bereichâ, sagt der Ărztliche GeschĂ€ftsfĂŒhrer des UniversitĂ€tsklinikums Prof. Harald Renz. Foto: Reinhold Eckstein