Marburger Magazin Express 27/2020

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Das BSL Lahnber labore z Deutsch

„Sensationell schnelle Forschung“ Virologe Stephan Becker im Interview

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r gehört zu den wichtigsten Virologen Deutschlands: Prof. Stephan Becker forscht über die gefährlichsten und rätselhaftesten Viren der Welt. Seit 2007 ist er Leiter des Marburger Uni-Instituts für Virologie, zu dem ein Hochsicherheitslabor der höchsten Sicherheitsstufe gehört. Er war maßgeblich an der Entdekkung des Sars-Virus beteiligt, hat den Impfstoff gegen die Schweinegrippe mitentwickelt und einen Impfstoff gegen Ebola mitinitiiert. Im Interview mit dem Express spricht er über sensationell schnelle Forschung, den Hype um die Virologen und das Vektorprinzip. Express: Virologen gelten als die neuen Popstars der Wissenschaft. Auch Sie sind als Berater und Interviewpartner gefragt wie nie zuvor. Tut das gut oder ist das vor allem anstrengend?

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Stephan Becker: Das ist beides. Auf einen Seite streichelt es das Selbstbewusstsein. Auf der anderen Seite ist es ziemlich anstrengend. Das liegt auch daran, dass sich die gestellten Fragen oftmals gar nicht beantworten lassen. Wir wissen noch relativ wenig über das neue Coronavirus. Trotzdem sollen Fragen beantwortet werden, die dann Konsequenzen für unser tägliches Leben haben. Außerdem kann dieser Hype um die Virologen sehr schnell in Aggression umschlagen. Da muss man sich seiner Rolle als Wissenschaftler sehr bewusst sein. Wir können tatsächlich nur versuchen, die wissenschaftlichen Fakten zusammenzutragen und daraus Schlüsse zu ziehen. Die Entscheidungen muss die Politik treffen. Was hat sich für Ihr Team seit dem Ausbruch von Corona verändert?

Wir hatten schon vorher Projekte zu anderen Coronaviren. Wir haben dann aber wirklich in Windeseile unser Forschungsprogramm umgestellt und arbeiten jetzt mit 20 Forscherinnen und Forschern daran. Wir machen auch sehr viel Diagnostik – anfangs haben wir fast deutschlandweit Verdachtsfälle untersucht, inzwischen testen wir vor allem für Patienten aus dem mittelhessischen Universitätsklinikum, Krankenhäusern und Altenheimen aus der Region. Überall da, wo sich Infektketten entwickeln, sind wir dabei, diese nachzuweisen. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und auch die Forschung geht oft bis in die Nacht hinein. Sie arbeiten an einem Impfstoff. Wie weit sind Sie? Wir haben zusammen mit Arbeitsgruppen aus München und Ham-

burg im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung einen Impfstoffkandidaten entwickelt, der momentan an Tieren getestet wird. Die ersten klinischen Tests an Menschen sind für September geplant. Wann könnte der Impfstoff kommen? Er kann frühestens Mitte nächsten Jahres zugelassen werden. Aber schon im Rahmen der Phase-3Studie, die hoffentlich zur Jahreswende möglich sein wird, kann man sehr viele Menschen immunisieren, um die Wirksamkeit des Impfstoffes zu testen. Sie entwickeln Vektor-Impfstoffe. Wie funktioniert das? Wir haben die Strategie dieser Vektorimpfstoffe seit 2011 im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung mitentwickelt. Wir profitieren dabei von unseren Er-


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