6_4 Literatur Merger Fallstudie Aventis

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Müller-Stewens * Der Kampf um Aventis * Seite 12

25.03.2004: Relativ starker Kursanstieg der Novartis-Aktie An der Schweizer Börse steigt die Novartis-Aktie heute um 3,3% ungewöhnlich stark an. Man muss dies wohl so interpretieren, dass der Kapitalmarkt offensichtlich am Erfolg eines Novartis-Angebots zweifelt, d.h. die erwarteten finanziellen Belastungen aus einer Akquisition (die aufgrund der Kursrückgänge in den vergangenen Tagen im Kurs bereits beinhaltet waren) wegfallen würden. 25.03.2004: Aventis-Chef Igor Landau sucht Premierminister Raffarin auf Die durch die Einmischung der französischen Regierung erwirkte Abschreckung von Novartis veranlasste Igor Landau dem Premierminister einen Besuch abzustatten. Ziel seines Besuches wird es wohl gewesen sein, seinen Widerstand gegen die Sanofi-Übernahme nochmals zu unterstreichen und sich wieder etwas mehr unternehmerische Unabhängigkeit zu verschaffen. Bedenkt man, dass es die Aufgabe von Landau ist, den besten Preis für seine Aktionäre im Falle eines Verkaufs sicherzustellen, dann kann man vielleicht sagen, dass dieser Besuch relativ spät erfolgt. Über das Ergebnis der Gespräche wird nichts bekannt. 26.03.2004: In den Aventis-Aktionärskreisen formiert sich Widerstand Mit ihrer Einmischung verärgert die französische Regierung zunehmend die internationalen Kapitalmärkte. In den Aktionärskreisen von Aventis organisiert sich inzwischen der Widerstand. Man befürchtet, zum Billigtarif in eine nachteilige Fusion mit Sanofi gezwungen zu werden. Durch die Behinderung einer regelkonformen Preisbildung käme es zu einer Schädigung der Aventis-Aktionäre. So wurde die Präsidentin des Verbandes zum Schutz der Aktionärsinteressen (ADAM), Colette Neuville, von Vertretern grosser Fonds gebeten, hier aktiv zu werden. Sie schreibt dann auch einen Brief an die französische Börsenaufsicht AMF und fordert diese auf, sie solle dafür Sorge zu tragen, dass die Regeln für eine faire Übernahmeauseinandersetzung und eine Gleichbehandlung der Offerten eingehalten würden. Auch solle die AMF die französische Regierung zu einer Klarstellung ihrer Position auffordern. Man könne nicht zuerst Rhône-Poulenc privatisieren und dann die Kontrolle über Aventis behalten wollen. Sie droht mit einer Sammelklage, die man in den USA einreichen werde. Auch wurde bekannt, dass Investoren aus dem US-amerikanischen Aktionariat von Aventis (z. B. der Kapitalfonds Tweedy Brown) eine "class action" gegen die französische Regierung erwägen, die im Erfolgsfall zu Kompensationszahlungen an alle Aventis-Aktionäre führen würde. 26.03.2004: EU-Kommission kann nur nach einem konkreten Angebot handeln Es wird auch diskutiert ob nicht die EU-Kommission allfällige Massnahmen Frankreichs zur Blockierung einer Fusion von Aventis und Novartis auf die Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen zu prüfen habe. Seitens der EU-Kommission ist zu hören, dass für die Genehmigung von Fusionen dieser Grössenklasse grundsätzlich die EU - und nicht die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedsstaaten - zuständig sei. Zudem verbietet Art. 56 EG-Vertrag Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs sowohl innerhalb der EU als auch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern. Beschränkungen des Kapitalverkehrs, die jedoch bereits vor dem 31.12.1993 galten, können laut EU-Vertrag weiterhin angewandt werden. Die EU-Kommission kann jedoch erst dann aktiv werden, wenn Novartis eine konkrete Offerte eingereicht hat. Hintertür ist hier allerdings, dass Art. 21 der EU-Fusionskontrollverordnung einem Mitgliedstaat "geeignete Massnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen" wie zum Beispiel der "öffentlichen Sicherheit" gestattet. Dies könnte auch erklären, warum die französische Regierung mit dem "nationalen Interesse" und der "Bioterrorgefahr" argumentiert hat. 26.03.2004: Zweifel an der "Heiratswilligkeit" von Aventis kommen auf Angesicht der immer wieder gezielt gestreuten Gerüchte, deren Herkunft meist recht nebulös bleibt ("Händlerkreise" etc.), die aber alle darauf hinauslaufen, dass sie den Aktienkurs von Aventis stärken, kommt Aventis seinem Ziel "Kurssteigerung" näher. Seit Mitte Januar hat sich der Aventis-Kurs um 17% erhöht. Der Kurs von Novartis hat sich dagegen um 6% verringert. Es stellt sich die Frage, ob hier Novartis in seiner Rolle als "weisser Ritter" auch instrumentalisiert wird?


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