Magazin XXX #1

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as Défilé, es lässt das Herz des Designers höher schlagen. Denn bei der Modenschau präsentiert er die aufwändige Arbeit vieler Monate oder Jahre. Wer sich hier auf eine fabelhafte Art und Weise präsentiert, gewinnt Presse, Händler und Käufer für sich und dies sagt monetär erfolgreiche Monate voraus. Aber nicht nur für die Designer ist dies ein atemberaubendes Moment, die Modenschau bezierzt seit mehr als einem Jahrhundert Jene die sich der Mode verschrieben haben und Jene die Wert auf Inszenierung, Szenografie und Performance legen. Hier erst entwickelt sich die Idee des textilen Designs und geht eine Symbiose mit Körper, Licht, Musik und Performance ein – ein mitreißender Augenblick. Vor gut 100 Jahren erkannte dies bereits L. Roger Milés und schreibt im Vorwort seines Buches: „Les Créateurs de la Mode - Dessins et Documents de Jungbluth“: „…Wenn im Februar die Sommermode und im August die Wintermode präsentiert wird, werden die Salons der großen Courtiers von einer Menschenmenge gestürmt. Und es ist ein herrliches Schauspiel, selbst für die blasiertesten Blicke, die Kollektionen über den Laufsteg defilieren zu sehen. Diese Modenschauen haben etwas Beglückendes und Traumhaftes. Und damit meine ich nicht die technische Ausstattung der Kleider, ich meine alleine diesen Anblick und den kaleidoskopischen Eindruck, den er auf der Netzhaut hinterlässt. Denken wir nur an den üppigen Rosenblätterteppich bei Givenchy (Frühjahr/Sommer 2009), prunkvolle, illuminierende Kristall-Leuchter und einen Catwalk als unendlich lange Tafel bei Dries Van Noten (F/S 2005), John Gallianos inszenierten nebeligen barocken Friedhof für Dior (Herbst/ Winter 2005/6) oder die Performance Hussein Chalayan‘s in der Models ihren Kolleginnen die aus Zuckermasse gefertigten Kleider abschlugen – ich kann und möchte mit Sicherheit sagen, dass dies Inszenierungen waren die einen Nachhaltigen Eindruck auf der Netzhaut hinterlassen haben und die dem textilem Kunstwerk Leben einhauchen. Wie Marc Jacobs schon sagte: „Ich mag den Gedanken, Kleider könnten nach Ende der Show ein Leben haben.“ Aber woher kommt der Begriff „Défilé“ überhaupt? Défilé ist französisch und bedeutet so viel wie Vorbeimarsch, filé bedeutet Faden, Schlange. Es ist Begriff aus dem Militärwortschatz des 18. Jahrhunderts, kam die Truppe in einen

Engpass, mussten sich die Soldaten, Mann für Mann in einer Schlange aufstellen um diesen zu passieren, ein ähnliches Bild der Formatierung wie bei unseren heutigen Schauen. Aber machen wir einen Sprung zurück, einen großen Sprung zurück und schauen in eine Zeit, in der es weder Courtiers, Designer, Modehäuser, Pret a Porter oder Haute Couture gegeben hat. Beginnen wir im 14. Jahrhundert. Zu dieser Zeit gab den Beruf des Schneiders, der sich ausschließlich um die Gewandung des Herren kümmerte und die Schneiderin welche für die weibliche Kundschaft zuständig war. Erst im 14. Jahrhundert konnte man eine Nähnadel aus Stahl herstellen, zuvor wurde aus Gräten oder Knochen eine Nadel gebastelt. Die Tätigkeit beschränkte sich auf das Fertigen der Kleidung, über Schnitt, Stoff und Design entschied die Kundin – dies sollte sich auch bis ins 19. Jahrhundert nicht ändern. Was sich jedoch ändern sollte war die Form der Verbreitung der neuesten höfischen Moden. Königshäuser schmückten sich mit exquisiter Schneiderkunst, schon in der Renaissance galt: „Kleider machen Leute“. Nun soll es sich zugetragen haben, dass Elisabeth von Bayern, Frau des französischen Königs Karl VI, dem Hofscheider anwies Puppen zu fertigen und gleich mit Puppenkleider im höfischen Stil. Diese sollten der Königin von England übersandt werden um sie zu erfreuen. 1396 entstanden also die ersten Mannequins welche bis ins 18. Jahrhundert am Hofe üblich wurden und zuletzt auch in die Provinzen geschickt wurden. Die „pupées de mode“ waren die Werbebotinnen des jeweiligen Hofes und der Adelshäuser, in dieser Zeit überzeugte übrigens besonders Paris mit seiner Schneiderkunst. Die Form des Mannequins, der Schaufensterpuppe, veränderte über die Jahrhunderte, soll es noch zu Beginn eher ein zweidimensionales Holzgerüst gewesen sein, fertigte man im 18. Jahrhundert weibliche Puppen mit Kopf und Körper. Mit diesen noch statischen Modellen führte man im Ausland seine Mode vor. Durch die neuesten Erfindungen im Druckbereich, wie etwa die Möglichkeit des Kunstdrucks und der Illustration von 1837 und der Erfindung der Rollen-Rotationsdruckmaschine, die Massenauflagen von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften mit kurzfristigem Erscheinungstermin ermöglichte, entwickelten sich bis Ende des 19. Jahrhunderts verschiedenste Modemagazine und lösten die Modepuppen ab.

Hier erst entwickelt sich die Idee des textilen Designs und geht eine Symbiose mit Körper, Licht, Musik und Performance ein – ein mitreißender Augenblick.

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