Magazin No 3

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VI.

hung hindurchgegangen sein würde, verschwinde damit der Gegensatz zwischen Aberglaube und Aufklärung. Dieser sei also nicht in der Welt, wie sie ist, angelegt, sondern Produkt der Geschichte, das einen Anfang und daher auch ein Ende hat. Soweit, so schön – aber niemals Sarastros neue Welt. Dagegen die letzte Dialektik der Zauberflöte in einem nicht auskomponierten weiteren Drehpunkt besteht. Bevor das Ganze in einem Propagandachor unbefriedigend verklingt (Heil Isis und Osiris etc.), dürfen die Verdammten der Erde ankündigen, schon bald die Bastille ein weiteres Mal zu stürmen. Die drei Damen und der Mohr Monostatos, der inzwischen die Fronten gewechselt hat, schwören, „die Frömmler [zu] tilgen von der Erd / Mit Feuersglut und mächtigem Schwert!“ – „Dir, große Königin der Nacht, / Sei unser Rache Opfer gebracht!“ Noch einmal hebt die musikalische Bewegung an, wie um anzudeuten, daß sowohl Gustav Mahler und die proletarischen Erhebungen, als auch die mit Schönberg anhebende wirkliche Synthese noch ausstehen, wenn auch vorübergehend der Haufen um Sarastro triumphiert. Sarastros bürgerliche Herrschaft kennt keine Rache für erlittenes Unrecht, nur Bestrafung aus Vernunft – Stockhiebe für Monostatos, weil diese Schwarzhaut eine Frau begehrte. Kein ewiger Frieden, nur weil in seinem Reich das noch kindisch dargestellte Proletariat (Papageno) integriert und einigen Frauen der Zugang zu Kommandobrücken der Herrschaft erlaubt wurde. (Pamina verrät ihr Geschlecht wie Medea und bleibt daher bis zu ihrer noch ausstehenden Rache

Nun also die Vereinigung der beiden Helden nur dadurch gelingt, daß die schöne Pamina beschließt, ihrerseits am großen Vorhaben der Illuminaten teilzuhaben. Nachdem sie sich zwischenzeitlich – von der Idee niedergeschlagen – das Leben nehmen will, wird sie von drei Knaben – besser drei Schwestern – animiert, lieber ihrerseits den zunächst dornigen Weg der Aufklärung zu begehen. So eilt sie nicht nur, wie schon gesehen, ihrem Tamino zur Hilfe, sondern nimmt den Narziß bei der Hand und erklärt ihm, besser die Zauberflöte zu spielen, denn mit gezogenem Schwert die Prüfung zu bestehen. (Ironie des Schicksals dabei: die von der Königin der Nacht vergebene Flöte wird gegen sie verwand, die Natur durch ihre eigene Macht verbannt.) Dies alles nimmt Assmann zum Anlaß, das Finale der Oper als gelungene Versöhnung zu hören. Allerdings fällt es ihm nicht ganz leicht, den sich zum radikalen Dualismus steigernden Antagonismus zwischen den beiden Sphären der Königin der Nacht und des Sarastro als ‚Synthese’ zu begreifen. Wir dürften aber nicht vergessen, daß ja auch Sarastro mit seiner männerbündischen Priesterwelt überwunden würde. Mit dem neuem Paar breche ein neues Zeitalter an. Die Ordensherrschaft selbst würde so nicht als eine ideale Herrschaftsform dargestellt; auch sie wäre dazu bestimmt, überwunden zu werden und ihr Schwachpunkt sei die männerbündlerische Misogynie. Wenn aber das Volk durch Bildung und Erzie61


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