Pressemitteilung

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Wortlaut der Pressemitteilung Holger Schreiber vom September 2011: Ich möchte Sie heute von einem wichtigen und zu erheblichen Missdeutungen geeigneten Vorgang in Kenntnis setzen, der mich persönlich betrifft. Der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Herr Joachim Stein, hat mich vor wenigen Wochen darüber informiert, dass ihm von Amts wegen vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) Auszüge einer mich betreffenden Stasi-Akte zugestellt worden seien. Ich habe am 30. August gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden aus der Gemeindevertretung erstmals Gelegenheit erhalten, in diese Unterlagen Einblick zu nehmen. Aus den eingesehenen Unterlagen geht hervor, dass ich vor 30 Jahren, also während der Zeit der Ableistung meines Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen 1981/82, seitens des MfS als sogenannter „Gesellschaftlicher Mitarbeiter“ geführt worden bin. Gesellschaftliche Mitarbeiter waren im Unterschied zu den sogenannten „IMs“ in den unterschiedlichen Kategorien des MfS offen und systemloyal auftretende Mitarbeiter in Betrieben sowie Angehörige der Verwaltung oder auch der Armee, die nicht in sogenannte operative Vorgänge, das heißt die gezielte Beobachtung einzelner Personen und die Berichterstattung darüber, eingebunden waren. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass ich eine Verschwiegenheitserklärung und eine Verpflichtungserklärung vor Beginn meines Grundwehrdienstes abgegeben habe. Es handelt sich hierbei um handschriftlich abgefasste Erklärungen, die mir nach meiner Erinnerung von Angehörigen der NVA textlich vorgegeben wurden. In der Verpflichtungserklärung ist meine Bereitschaft bekundet, gegenüber Mitarbeitern des MfS zu Vorgängen innerhalb meiner Einheit bei der Armee zu berichten. Aus den Unterlagen geht weiterhin hervor, dass ich in der Zeit meines Wehrdienstes mehrere Gespräche mit Mitarbeitern des MfS über meinen Dienst bei den Grenztruppen geführt habe. Es geht daraus hervor, dass ich nicht in sogenannte operative Vorgänge, den klassischen Aufgabenbereich Inoffizieller Mitarbeiter,


eingebunden war. Ausweislich der Akten habe ich dabei auch nicht in irgendeiner Art und Weise negativ über Drittpersonen berichtet oder ihnen auf eine andere Art Schaden zugefügt. Der Abschlussbericht des Grenzkommandos zum Ende meiner Wehrdienstzeit bescheinigt kritisch die Unmöglichkeit, mit mir auf inoffizieller Ebene zusammenarbeiten zu können, da ich erteilten Aufträgen nicht gerecht geworden sei. Schließlich belegt das meine Person betreffende Aktenmaterial, dass seitens des MfS versucht wurde, mich als sogenannten IMK (Inoffiziellen Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration) zu gewinnen, was ich abgelehnt habe. Meine StasiAkte schließt mit dem Ende meiner Grundwehrdienst-Zeit. Im Anschluss an meine Armeezeit wurde durch die Dienststellen des MfS festgestellt, dass ich die weitere Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit ablehnte und daher nicht weiter versucht werden sollte, mich als Inoffiziellen Mitarbeiter/IMK zu gewinnen. Danach gibt es keine weiteren Vorgänge und es wurde seitens des MfS nie wieder versucht, an mich heranzutreten. Zu den jetzt vorliegenden Informationen nehme ich wie folgt Stellung: Vor Beginn der Ableistung meiner Wehrpflicht wurde durch die Wehrersatzbehörden auf mich sehr starker Druck ausgeübt, mich für eine längere Dienstzeit bei der NVA zu verpflichten. Da ich dies aus privaten Gründen insbesondere mit Rücksicht auf die Beziehung zu meiner Frau und den ausgeübten Beruf nicht wollte, wurde mir damit gedroht, erst sehr spät – nach einigen Jahren der Berufsausübung - zum Wehrdienst einberufen zu werden, wenn ich nicht wenigstens ein bisschen Wohlverhalten zeigen würde. Dies hätte damals meine gesamte Lebensplanung erheblich umgeworfen. Daher erklärte ich mich bereit, mit Vorgesetzten und anderen Vertretern der Sicherheitsorgane Auswertegespräche über dienstliche Belange meiner Einheit zu führen. Dass ich in diesem Zusammenhang eine Verschwiegenheitserklärung in Bezug auf Informationen während meiner Armeezeit unterzeichnet hatte, war mir nicht eindeutig bewusst. Dass ich zeitgleich auch eine sogenannte Verpflichtungserklärung als „Gesellschaftlicher Mitarbeiter des MfS“ unterschrieben habe, war mir jedoch seit vielen Jahren nicht mehr erinnerlich.


Ich stelle fest, dass ich in den Gesprächen mit Vorgesetzten aus meiner Einheit (darunter auch Mitarbeiter des MfS) niemals irgendwelche belastenden Äußerungen gegenüber Kameraden und anderen Drittpersonen gemacht habe. Ich stelle weiter fest, dass eine Anwerbung als Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration/IMK unmittelbar nach Beendigung meines Wehrdienstes von mir abgelehnt wurde, und zwar erfolgreich abgelehnt wurde, weil das MfS die Versuche zur Anwerbung bereits kurze Zeit nach Beendigung meines Wehrdienstes als aussichtslos eingestellt hat. Aus diesem Grund habe ich mich bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht als Inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit betrachtet. Ausweislich der vorliegenden Akte bin ich allerdings jetzt mit der Tatsache konfrontiert, als Mitarbeiter des MfS in der Kategorie „Gesellschaftlicher Mitarbeiter“ geführt worden zu sein. Vor diesem Hintergrund bedauere ich, dass mir diese 30 Jahre zurückliegenden Vorgänge nicht mehr so präsent waren, dass ich mich bis vor kürzester Zeit an die Abgabe einer Verpflichtungserklärung vor Beginn meines Wehrdienstes, die ich zeitgleich mit der Verschwiegenheitsverpflichtung unterzeichnet hatte, erinnert habe. Erinnerlich war mir immer, dass ich im Rahmen von in meiner Wehrdienstzeit geführten Gesprächen über Kameraden niemals etwas Belastendes mitgeteilt und eine offizielle Anwerbung durch das MfS nach Abschluss meines Wehrdienstes abgelehnt habe. Ich habe meine Stasi-Akte bis zum vergangenen Monat nicht eingesehen, weil ich zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen bin, dass irgendetwas Belastendes über mich darin enthalten sein könnte. Das hätte ich vor Bewerbung um das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Wustermark und im Wahlkampf öffentlich abgegebener Erklärungen, nicht offizieller oder inoffizieller Mitarbeiter des MfS gewesen zu sein, tun sollen. Dieses Versäumnis werfe ich mir vor und bitte dafür in aller Form um Entschuldigung.


Ich habe vor 30 Jahren als Jugendlicher der DDR positiv gegenübergestanden. Ich war systemloyal und habe damals als junger Erwachsener meine Zukunft in der Gesellschaft der DDR gesehen – politisches Engagement eingeschlossen. Das gebe ich an dieser Stelle gern zu. Die mir damals abgenötigte Bereitschaft zur Weitergabe von Informationen während meiner Wehrdienstzeit habe ich als systembedingten Bestandteil meines Dienstes bei der NVA akzeptiert und seitdem auch immer mit meinem Wehrdienst bei der NVA, nicht aber im Zusammenhang mit dem MfS, in Verbindung gebracht. Ich habe aber nachweislich niemals, und das betone ich nochmals ausdrücklich, über Drittpersonen abfällig oder negativ berichtet, weder schriftlich noch mündlich, weder gegenüber Vorgesetzten aus der NVA noch gegenüber Mitarbeitern des MfS, die vom äußeren Erscheinungsbild von Offizieren der NVA regelmäßig nicht zu unterscheiden waren. Und aus diesem Grund bin ich auch niemals davon ausgegangen, bei den Dienststellen der Staatssicherheit als Mitarbeiter geführt worden zu sein. Ich weiß, wie ich damals im Zusammenhang mit meinem Wehrdienst unter Druck gesetzt worden bin, ich weiß um meine Ablehnung zur Werbung durch das MfS als IMK, und auch deshalb kam mir nie der Gedanke mich aufgrund der Vorgänge während des Wehrdienstes als „Stasi-Mitarbeiter“ zu sehen. Zum weiteren Vorgehen: Die Einsichtnahme in meine Akte ist am 7. September geschehen. Ich habe alles, was in der Akte steht, gründlich bewertet, dies ist die Grundlage meiner Stellungnahme. Ich habe nichts von dem gemacht, was man gemeinhin mit der Tätigkeit eines IM verbindet. Ich stelle mich meiner Verantwortung und werde meinem Dienstvorgesetzten, der Gemeindevertretung, Rechenschaft ablegen. Dass ich mich vor Einsichtnahme in meine Akte nicht mehr an alle Vorgänge erinnert habe, die 30 Jahre zurückliegen, tut mir aufrichtig leid. Ich stelle mich hinsichtlich meiner nicht vollständigen Erinnerung wie auch dem Inhalt meiner Stasi-Akte der Öffentlichkeit – und ich wähle ganz bewusst den Weg, die Öffentlichkeit jetzt selbst zu informieren!


Es ist nun an der Gemeindevertretung, den Sachverhalt zu bewerten – und auch dem werde ich mich stellen. Ich bin selbstverständlich bereit, mich entsprechend den Leitlinien der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur zur Überprüfung von Angehörigen kommunaler Vertretungskörperschaften und von kommunalen Wahlbeamten vom 15.09.2010 durch ein von der Gemeindevertretung zu bildendes Gremium einer solchen Überprüfung zu unterziehen. Meine Tätigkeit als Bürgermeister und mein Einsatz für die Gemeinde Wustermark werden hierdurch nicht beeinträchtigt.


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