ausgebildet. Die Kathedrale von Sens, als Beispiel eines frühgotischen Bauwerks, beruht auf dem System der sechsteiligen Kreuzrippengewölbe als Gebundenes System. Die frühgotische Teilung der Kappen folgt in diesem Punkt der romanischen Bautraditon. Sens wird durch einen ausgeprägten Stützen- und Vorlagenwechsel im Doppelrhythmus unterstreicht. Durch die Kappenkurvatur und Profilierung der Gurte und Rippen unterstützen die Gewölbe die beabsichtigte Wirkung.35 Gegen Ende des 12. Jhd. kehrten die Baumeister von der Konzeption der sechsteiligen Rippengewölbe ab. Gründe dafür, könnten einerseits ein Bestreben sein die Arkadenpfeiler einheitlich auszubilden oder die allmähliche Erkenntnis, dass die Longitudinalkraft an den Ecken der Diagonalen bei einem sechsteiligen Rippenfeld die doppelte Kraft aufwies als dies bei den Kreuzgraten zweier querrechteckiger Felder gleicher Fläche der Fall war. Unmittelbare Auswirkung hatte das vierteilige Kreuzrippengewölbe auf den Raumeindruck. Die Fenster der Schildkappen können dank den offeneren Winkel einen besser beleuchtete und gleichmässigeren Lichteinfall gewähren.36
Abb. 19. Kräfteparallelogramm im vierteiligen und sechsteiligen Gewölbe nach Taylor und Mark. Im vierteiligen Gewölbe weisen die Schubkräfte auf die Pfeiler die Hälfte auf.
35 vgl. Nussbaum 1999, S. 69 36 ebd. S. 72-73 37 vgl. Wikipedia Gotik
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Mit den grossen Kathedralen Chartres (ab 1194), Reims (ab 1211) und Amiens (ab 1218) läutet die Hochgotik den klassischen Grundriss aus Basilika mit dreischiffigem Langhaus und ausladendem Querhaus, Doppelturmfassade sowie Chorumgang mit Kappelenkranz ein. Einen anderen Weg begeht die Kathedrale von Bourges mit ihrem fünfschiffigen Aufbau als Allraum, die auf dem Schema der Notré-Dame de Paris baut und neuartige Raumgestalt darstellt. Trotz ihrer Grösse vermochte sie gegenüber der Kathedrale von Chartres für kommende Bauten kein richtungsweisender Sakralbau zu werden. In der Hochgotik verschmelzen die Bündelpfeiler mit den Diensten und den Rippen vollends. Mit der Auflösung des Kapitells weicht die gotische Architektur nun endgültig von Formenrepertoire der antiken Baukunst ab. Es galt in der Hochgotik ebenso die in der Frühgotik auf vielfältige Weise praktizierten Detaillösungen allmählich zu normen, Grundtypen gegenüberzustellen die durch die steitige Verbesserung den stetig steigenden Anforderungen der grösser werdenden Kathedralen gerecht zu werden.37