Struktur – Vermittler zwischen Funktion und Form?

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nische endet, der Raum sich noch einmal grossartig erweitert und so die Bedeutung des Sanktuariums entscheidend hervorhebt.21 Raumwirkung Die Baumeister der karolingischen und romanischen Zeit verstanden die Verwendung von verschiedenen Wölbarten auf einem relativ unmittelbaren praktischen Nutzen. So sah man bei Jochen mit grossen Spannweiten wie Vierungen; aus der Grundrissform herführend komplexen Raumgeometrien, wie Apsiden; oder in Zentralräumen den Einsatz von Kuppeln, Halbkuppeln oder Klostergewölben vor. Dagegen fanden Kreuzgewölbe mit seinem Charakteristika der gleichförmigen Reihung gerade bei klassischen Wegräumen seine Verwendung. Absicht der Architekten war es im Kirchenbau ein höhengestaffeltes Nebeneinander von gerichteten und miteinander kommunizierenden Raumfluchten, den Schiffen herzustellen.22 Das Alternieren der Dimensionen in Höhe und Breite der einzelnen Schiffe rhythmisieren das Langhaus; die Einführung weiterer Kompartimente wie Querhaus, beide im engen Zusammenhang mit der Proportion der Apsis, vollenden den Bau in einer Vielfalt von Raumgeometrien. Führte zuvor der Deckenabschluss des Mittelschiffs als offener Dachstuhl oder als unterseitig geschlossen ausgeführte Holzdecke zu einem vis-à-vis der beiden Seitenschifffassaden, so fasst die stereotome Einwölbung als Tonnengewölbe oder aus Kreuzgratgewölben gebildeten Jochen die beiden Seitenschiffe zu einem homogenen Baukörper zusammen und steigert die Wahrnehmung des Mittelschiffskörpers. Nussbaum erklärt die Wandlung im Raumcharakter durch die Einführung der Kreuzgratgewölbe folgendermassen: Die Umbildung der flachgedeckten Basilika zur kreuzgewölbten bedeutet zugleich die Einführung additiver Prinzipien in die Entwurfspraxis. An die Stelle flächenbegrenzter Langräume traten Folgen gleichartiger, aneinandergereihter Raumintervalle, in denen das Kreuzgewölbe eine Doppelrolle spielt: Zum einen definiert es das Einzeljoch als bogengerahmte Raumzelle, zum anderen schafft es durch rhythmische Formwiederholung Verbindungen über die Intervallgrenzen hinweg und eint Räume divergierender Richtung. Langhäuser, Querhäuser, Chöre verbinden sich durch den Rapport allseitig offener Kompartimente zu einem motivisch harmonisierten Deckenpanorama.23 Der Kirche in Saint-Sernin gelingt es, trotz der drei unterschiedlichen Gewölbetypen, mittels der Betonung der massiven Gurtbögen den Rhythmus der Joche zu bewahren und ein harmonisierendes Deckenmotiv zu vollen-

Abb. 7. Kreuzgratgewölbe mit geradem Stich. Abb. 8. Kreuzgratgewölbe mit Bogenstich Abb. 9. Kreuzgratgewölbe mit Bogenstich und Busung

21 vgl. Wikipedia 2012, Basilika 22 vgl. Nussbaum 1999, S. 14 23 aus Nussbaum 1999, S. 14

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