1 | Autorenschaft Das Centre Pompidou wäre ohne die fruchtbare Zusammenarbeit der Architekten Renzo Piano und Richard Rogers mit den Ingenieuren Peter Rice und Tom Barker nicht in dieser Form denkbar gewesen. Das lag in erster Linie am innovativen aber bis dahin weitgehend unerprobten Konzept des „Umstülpens“, was unter anderem auch die wesentlichen Teile der Tragstruktur nach aussen verschob. Diese neuartigen Anforderungen und die gewaltigen Ausmasse des Gebäudes erforderten gerade auch von den Ingenieuren bereits in der Entwurfsphase weitreichende Überlegungen. 2 | Konstruktion Wie bereits erwähnt basieren sowohl das räumliche wie auch das konstruktive Prinzip des Centre Pompidou auf dem Gedanken des „Umstülpens“. So mussten teils enorme Spannweiten von bis zu 48m mit 3m hohen Fachwerkträgern überbrückt werden. Sowohl Lastabtragung wie auch Aussteifung erfolgen in einem mehrere Meter tiefen Gerüst, welches der eigentlichen Fassade vorgelagert ist. Dieses weist eine Vielzahl unterschiedlicher Elemente auf, von welchen jedes eine ganz bestimmte Funktion zu erfüllen hat. Die einzelnen Teile dieses Gesamtsystems wurden also genau nach ihren Anforderungen entwickelt und dimensioniert. Als anschauliches Beispiel können in diesem Zusammenhang die gusseisernen „Gerberetten“ genannt werden, welche die inneren Lasten aus den Fachwerkträgern in das statische Gerüst vor der Fassade leiten. Ganzheitlich gesehen entsteht durch diesen differenzierten Umgang mit den konstruktiven Elementen des Gebäudes eine direkte Ablesbarkeit der Kraftflüsse - die Konstruktion wird auf didaktische Weise regelrecht inszeniert.39 3 | Wirkung
| vgl. Flury 2012, S.47 | Renzo Piano beschreibt die Wirkung des Centre Pompidou folgendermassen: „Das Beaubourg ist in doppelter Hinsicht eine Provokation: zum einen eine Herausforderung für die gängige Architekturlehre, zum anderen eine Parodie auf die technischen Spinnereien unserer Zeit. Es als Hightech zu beschreiben ist ein Missverständnis.“ Aus: Jodidio 2012, S.12 41 | Jodidio 2012, S.23 39
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Die grundlegende Idee des Umstülpens evoziert also in erster Linie eine Reihe ausserordentlicher technischer Lösungen. Dies hat eine regelrechte Zurschaustellung der Technik zur Folge und lässt das Centre Pompidou wie eine „alleinstehende Maschine“ wirken.40 Unterstrichen wird dieser Eindruck von seinen gewaltigen Ausmassen und der grossen Massstabsdifferenz zum umliegenden Kontext. Mittlerweile längst zur Ikone der Architekturgeschichte geworden, ist das Centre Pompidou aufgrund dieser Radikalität nicht nur ein Publikumsmagnet, sondern gewissermassen ein gebautes Manifest, „die Erfüllung zahlreicher Technikträume des 20. Jahrhunderts.“41
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