01.3 Betrachtung Konstruktionssysteme Die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Struktur und Füllung“ setzt die Erkennung der Konstruktionssysteme voraus, da sich „Struktur und Füllung“ nicht in allen Archetypen der Konstruktion gleich ausformulieren lässt. Andrea Deplazes erläutert in seinem Buch „Architektur konstruieren, vom Rohmaterial zum Bauwerk“ 02 die drei Archetypen der Konstruktion. Diese bilden die Grundlage der Konstruktion und werden im folgenden kurz anhand der Thematik „Struktur und Füllung“ betrachtet. Diese ersten Betrachtungen und die daraus erworbenen Erkenntnisse sind von grosser Wichtigkeit. Sie lassen das Erscheinen des Phänomens erkennen und kategorisieren. Mit diesen Betrachtungen lässt sich klar erkennen, auf welches Konstruktionsprinzip die vorliegende Arbeit gründet. Massivbau Im Konstruktionssystem des Massivbaus treten Formulierungen von Struktur und Füllung auf. Der Palais Stoclet in Brüsell von Josef Hoffmann Abb. 29- 30 aus dem Jahre 1905 veranschaulicht in adäquater Weise die nachfolgende Ausführung. In der Auseinandersetzung der Grundrisse wird der Massivbau als Primärkonstruktionssystem erkannt. Vereinzelt erscheinen Stützen, die sich durch Anzahl und Formulierung jedoch in der Hierarchie der Konstruktion unterordnen. In der Fassade sowie in mehreren Innenräumen, wie im Musik- und Theatersaal, lässt sich das Phänomen von „Struktur und Füllung“ erkennen. Diese Artikulationen gründen, wie mehrere Arbeiten in Kunst, Design und Architektur aufzeigen, in dekorativer, ornamentaler Natur und besitzen keine primäre konstruktive Relevanz. Der Ausschluss solcher Arbeiten nimmt keine Stellungnahme oder moralische Wertung dieser Haltung vor, sondern dient der Klärung, um das Phänomen „Struktur und Füllung“ in der gewünschten Reinheit betrachten zu können. Mischkonstruktion In Mischkonstruktionen, wie Stützen-Plattenkonstruktionen, dem von Le Corbusier entwickelten „Principe Domino“, welche Massivelemente sowie Elemente des Filigranbaus innehalten, offenbart sich das Phänomen „Struktur und Füllung“ an der Fassade sowie im Innenraum an architekturhistorisch wichtigen und ideenreichen Projekten. In diesem Archetyp der Konstruktion erscheinen „Struktur und Füllung“ an dem Anteil des Konstruktionssystem, welcher Filigranbauanteile aufweist, konstrutkiv reduziert auf die Vertikale, der Stütze und dem Bauteil Wand, da die geschossaufspannende Horizontale, das Bauteil Decke, ein Teil des Primärsystems darstellt. In Mischkonstruktionen, wie dem von Adolf Loos entworfenen Haus am Michaelerplatz Abb. 31- 33 in Wien oder Bruno Reichlins Einfamilienhaus Tonini in Torricella Abb. 34- 36, werden „Struktur und Füllung“ in der Horizontalen und in der Vertikalen räumlich akzentuiert ausgearbeitet. Die horizontale Betonung lässt sich auf dekorative Motive zurückführen, sie übernimmt visuelle, jedoch keine konstruktive Primäraufgaben. Mischbauten gelten als Träger dieses Phänomenaspekts der Dekoration und es wird erkennbar, dass „Struktur und Füllung“ an realisierten Mischbauten häufiger in Erscheinung tritt als in anderen Archetypen der Konstruktion. Die folgende Auseinandersetzung fokussiert sich ausschliesslich auf Bauten des Filigranbaus, da dieser Archetyp der Konstruktion in seinem Charakter die Grundlage für die Absolutheit in der Erscheinung des Phänomens „Struktur und Füllung“ darstellt. Primär- und Sekundärsystem treten in drei-
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