8 | Migros-Magazin 27, 5. Juli 2010
MM 26: «Den Lebenssinn gefunden», Artikel über pensionierte Frauen, die sich in der Entwicklungshilfe engagieren.
Inspiration für meine Pension Elizabeth Neuenschwander und Vreni Frauenfelder sind eine Inspiration für meine Pläne im dritten Lebensabschnitt. Ich wünschte, mehr Leute würden sich so engagieren wie diese beiden Frauen. Sie zeigen mir, dass man auch, oder vielleicht eben gerade, nach der Pensionierung sehr Sinnvolles und Hilfreiches leisten kann. Ich finde es eindrücklich, dass dank dem motivierten Engagement von Vreni Frauenfelder 2500 Mädchen zur Schule gehen können.
Isabelle Richter 4059 Basel
MM 25: «Kinder ohne Kindheit», Artikel über die Verdingkinder in der Schweiz.
Hat der Staat bis heute nichts gelernt?
Auch mein Vater wurde als Kind verdingt. Er wurde als fünfjähriger Bub vom Schweizer Staat regelrecht verkauft und von den Bauersleuten als Arbeitssklave gehalten. Vor zwei Jahren habe ich herausgefunden, dass mein Vater als junger Mann sein ganzes Martyrium in Tagebüchern festgehalten hat. Eines liegt im Archiv in der Klinik St. Pirminsberg SG, zusammen mit persönlichen Briefen und Fotos, und eines liegt ebenso mit persönlichen Briefen und Fotos in der Klinik Königsfelden AG im Archiv. Der Staat hat sich
geweigert, mir die Tagebücher, die privaten Fotos und Briefe herauszugeben. Per Anwalt habe ich die Herausgabe des Tagebuchs in St. Pirminsberg erstreiten müssen. Aus den Unterlagen habe ich unter all dem Grauen, das mein Vater erleben musste, lesen können, dass ich noch mehrere Geschwister haben muss. Als ich die Rechtsdienste der Kantone St. Gallen und Aargau darauf angesprochen und betont habe, dass ich wissen möchte, wer und wo meine Halbgeschwister seien, hiess es, dies ginge mich nichts an. Der Kanton Aargau hat sich bis heute geweigert, mir die persönlichen Sachen meines Vaters herauszugeben. Der Schweizer Staat hat offenbar immer noch nichts aus der Vergangenheit gelernt! Edith Zellweger 9465 Salez
«Meine Eltern haben unter der Lieblosigkeit in ihrer Kindheit schwer gelitten.» Carmela Facineroso, per Mail
Bravo, die Schweiz schafft es, über eines der dunkelsten Kapitel zu reden: Verdingkinder in der ganzen Welt. Auch meine Eltern waren Verdingkinder, in Süditalien. Noch heute sind meine Grosseltern überzeugt, sie hätten das Richtige getan. Süditalien redet über alles, nur nicht über das. Die Leidtragenden sind Leute wie meine Eltern. Noch heute prägt sie eine tiefe Unsicherheit, weil ihnen unter anderem die Schulbildung verwehrt worden ist. Meine Eltern haben unter der Lieblosigkeit, die sie in der Kindheit erfahren haben, schwer gelitten. Mein Vater musste Schafe hüten, und durfe nicht im Haus schlafen. Für ihn war der Hühnerstall gut genug. Als Dank wurde ihm das Ohrläppchen abgerissen, und niemand kümmerte sich darum. Noch heute, mit 66 Jahren, hängt das Ohrläppchen herunter. Bitte schreibt weiter solche Berichte. Damit Leute wie meine Eltern merken: Wir sind nicht allein. Ich fühle mit jedem einzelnen Verdingkind mit.
Carmela Facineroso, per Mail
Immer wieder hört man von den schlechten Bedingungen, die Verdingkinder erleben mussten. Es gibt aber auch Positives zu erzählen. Meine Grossmutter wurde zusammen mit ihrem Zwillingsbruder und weiteren drei Geschwistern mit sieben Jahren Vollwaise. Alle Kinder wurden auseinandergerissen und in verschiedene Familien verteilt. Grossmutter kam in eine Bauernfamilie mit einem Zimmereibetrieb. Dort wurde sie sehr gut aufgenommen und wie ein weiteres, eigenes Kind behandelt. Ihr Zwillingsbruder wurde von ihr getrennt. Dieser konnte die Trennung nicht verkraften und hatte sehr viel Sehnsucht nach seiner Schwester. Die Pflegefamilie zeigte ein grosses Herz und nahm den Knaben auch noch auf. Sicher mussten die Kinder mithelfen, aber sie hatten es gut. Zeit ihres Lebens pflegte meine Grossmutter die Verbindung zu den «Mitgeschwistern». Einer der Nachkommen ist sogar mein Götti geworden. Cornelia Schippert 8766 Matt
Bild Keiko Saile
Elizabeth Neuenschwander (links) und Vreni Frauenfelder wurden für ihre unkomplizierte und langjährige Hilfe in der Dritten Welt ausgezeichnet.