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reportage
TEENAGERELTERN
Migros-Magazin 6, 2. Februar 2009
«Mein Freund wünscht sich noch ein Baby», sagt Julia. Die junge Mutter möchte aber erst eine Ausbildung machen.
«Wir suchen eine Wohnung» Julia Gloor (18) mit Tochter Chanaey (8 Monate)
Das Temperament hat sie eindeutig vom Vater geerbt», sagt Julia Gloor (18), deren acht Monate alte Tochter Chanaey sie ganz schön auf Trab hält. «Die Kleine ist ein Wirbelwind und benötigt ständig Unterhaltung.» Julia war erst 17, als sie ungewollt schwanger wurde. Es war nicht ihre erste Schwangerschaft. Schon mit 16 hatte sie einen Abbruch in der dritten Woche. Als sie kurz darauf wieder schwanger wurde, liess sie sich von der Stiftung Mütterhilfe beraten, weil sie nicht wusste, wie sie mit einem Baby finanziell über die Runden kommen sollte. Einen Beruf hat sie nicht, der 21-jährige Vater verfügt ebenfalls über kein festes Einkommen, solange er die Diplomausbildung als Tänzer an
einer Ballettschule absolviert. Und von ihrer Mutter kann Julia auch keine finanzielle Unterstützung erwarten, da diese arbeitslos ist. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Start in die Mutterschaft, aber Julia hat ihre Entscheidung nicht bereut – auch wenn sie überzeugt ist, 17 Jahre sei zu jung. «Mit 13? So wie Ramona? Da hätte ich einen Abbruch gemacht», sagt sie.
Vater Willy ist sehr stolz auf seine Tochter Mit ihrem Baby und zwei jüngeren Geschwistern lebt Julia noch immer in der Vierzimmerwohnung ihrer Mutter in Dietikon ZH. Jeden Tag kommt auch ihr Freund, der Vater von Chanaey, zu Besuch. Willy stammt aus Kamerun und ist sehr stolz auf seine Tochter. Am liebsten hätte er sofort noch ein Kind. Aber das
hat Julia ihm erst mal aus dem Kopf geschlagen. «Bevor Chanaey ein Brüderchen oder Schwesterchen bekommt, will ich eine Ausbildung machen, eigenes Geld verdienen und mit Willy und unserem Baby eine eigene Wohnung haben», sagt sie. Denn bei ihrer Mutter ist es definitiv zu eng geworden. Doch die Wohnungssuche gestaltet sich als sehr schwierig. «Wir haben schon viele Absagen bekommen, weil Willy dunkelhäutig ist», sagt Julia. Die Finanzierung wäre geregelt. «Das Sozialamt zahlt.» Mit 14 brach Julia die Schule ab. Eigentlich wollte sie Kosmetikerin oder Verkäuferin werden, aber daraus wird vorerst nichts, weil das einen Schulabschluss voraussetzt. «Mit Chanaey kann ich die Schule nicht besuchen. Sie braucht mich rund um die Uhr.» Stattdessen strebt Julia eine Aus-
bildung zur Nageldesignerin an. «In Zürich kann ich für 290 Franken eine eintägige Ausbildung machen. Dann möchte ich bei einem Freund arbeiten, der ein Nagelstudio führt», sagt sie. Für sich und Chanaey erhält Julia zwei Jahre lang monatlich 2000 Franken Kleinkinderbetreuungsbeiträge von der Stadt Dietikon. «Davon zahle ich 170 Franken Krankenkasse, mit dem Rest muss ich gut haushalten, was mir nicht immer gelingt.»
Texte Anette Wolffram Eugster Bilder Esther Michel
www.migrosmagazin.ch Leben wie eine normale Familie? Die Diskussion zu Teenagereltern und ihrem Umfeld.