Migros Magazin 45 2009 d OS

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18 | Migros-Magazin 45, 2. November 2009

PS, Hubraum, Diktatoren Nicht nur Kinder fahren darauf ab. Auch erwachsene Buben und Mädchen begeistern sich für Quartettkarten. Einige so sehr, dass sie jedes Jahr eine nicht ganz bierernste Weltmeisterschaft organisieren. Der Vielfalt der Karten sind dabei keine Grenzen gesetzt.

S

amstag, später Nachmittag im Gemeindehaus des Dörfchens Freienstein im Zürcher Unterland. Aufgereiht wie Perlschnüre sitzen etwa siebzig Menschen in Zweiergruppen an langen Tischreihen und führen seltsame Dialoge: «9000 Umdrehungen» ¬ Antwort: «Chasch ha». Oder: «480 PS.» – «Was, das isch doch kein Panzer! Ich han 1250 du Pfiife.» Zimperlich sind sie nicht, die Teilnehmer der 15. Quartettweltmeisterschaft. Wozu auch? Zwei Drittel der rund 200 Anwesenden sind ohnehin miteinander verwandt, bekannt oder verschwägert. Förmlichkeiten sind überflüssig, Ehrgeiz erwünscht. Der Champion bekommt einen Pokal sowie Ruhm, Ehre und herzliche Schulterklopfer. 1995 vom Kumpanenklub, einer lockeren Vereinigung von Jugendfreunden aus der Region Embrach/Bülach, ins Leben gerufen, nannte sich bereits die erste Austragung Weltmeisterschaft. Trotz mickriger Teilnehmerzahl von 21 Personen, wovon einer nebenamtlich noch die Bar betrieb. Man denkt gross, im kleinen Freienstein: «Wir dachten, wenn schon, denn schon», sagt Daniel Riedweg (43) Grafiker aus Embrach, Gründungsmitglied und zweimaliger Weltmeister. «Schon als Schulbuben spielten wir mit Leidenschaft Quartett.» Heute frönen sie dieser Leidenschaft mit dem ironischen Hang zu Nostalgie, der Nabholz-

Trainer und Ovo zum neuen Trend erhob sowie Aromat auf dem Butterbrot guthiess. Riedwegs Geheimrezept für einen sicheren Sieg: «Nach jeder Runde ein Bier, dann ist man spätestens im Final die Ruhe selbst.» Die Regeln sind simpel: Wer den höheren Wert in einer Rubrik hat, gewinnt die Karte. Nach zehn Minuten ist die Runde vorbei ¬ oder wenn einer alle Karten verloren hat. Gespielt wird in mehreren Gruppen. Wer nicht grad am Tisch sitzt, plaudert an der Bar oder schlendert durch die Tischreihen, schaut den Aktiven über die Schulter und merkt sich dabei das eine oder andere Blatt.

Ein 12-Jähriger schlägt den Weltmeister

Der 12-jährige Schüler Jan Studer aus Embrach ist nervös. Er muss gegen einen ehemaligen Weltmeister antreten. Mit einem Quartett über schnelle Cabrios. Zehn Minuten später hat Jan haushoch gewonnen und weiss auch, warum: «Als er die Zylinderzahl ansagte, merkte ich gleich, er hat schlechte Karten.» Das aufstrebende Jungtalent wird den Abend mit dem ausgezeichneten 16. Schlussrang beenden. Ein Flair für Zahlen sowie ein gutes Gedächtnis sind Grundvoraussetzungen für einen Topspieler. Und er braucht einen gewissen Killerinstinkt, um den Schwachpunkt im Blatt des Kontrahenten zu erahnen. Frauen sind dabei

Über die Schultern schauen ist an der Quartett-WM im zürcherischen

nicht zwingend im Nachteil, auch ohne grosse Ahnung von Motorenstärke und Beschleunigungszeit. «Man merkt schnell, ob und bei welchen Fahrzeugen sechs Zylinder viel sind», sagt Miriam Zillig

Quartettkarten mit Angaben zu den Teilnehmern: Mit 140 Kilo unschlagbar in der Rubrik «Gewicht» — Loris Morini (l.). So weit reist sonst keiner an — Weltmeister Joel Hentschel. aus Duisburg (D).

(27), Kleinkindererzieherin aus Stäfa. An der WM wird indes keineswegs nur mit Werten von Autos, Töffs oder Kriegsschiffen jongliert. Zum Einsatz kommen auch Quartette zum Thema Küssen, mit


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