Migros magazin 43 2017 d bl

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MM43, 23.10.2017 | DANKE

«Wir verdanken unsere

Begegnung

einer Verwechslung» Der Holocaust-Überlebende Shlomo Graber dankt seiner Partnerin Myrtha Hunziker, dass er sie kennenlernen durfte.

Shlomo Graber (91) und Myrtha Hunziker (75) sitzen in ihrer Galerie Spalentor an der Missionsstrasse 24 in Basel und denken über ihr gemeinsames Leben nach. Myrtha Hunziker (M.H.): «Ich bin in St. Gallen aufgewachsen, mit 20 nach Basel gezogen, habe geheiratet, drei Kinder bekommen, bin mit 46 Jahren Witwe geworden – und dann kam die grosse Katastrophe.» ( lacht) Shlomo Graber (S.G.): «Ach so, dann bin ich also die Katastrophe? ( lacht) Nun, dich kennengelernt zu haben, war das Schönste, das ich nach dem Holocaust erlebte. Du kümmerst dich so liebevoll um mich. Selbstverständlich passe ich auch auf dich auf.» M.H.: «Eigentlich verdanken wir unsere Begegnung einer Verwechslung: Als mein damaliger Ehegatte vor über 30 Jahren erkrankte, wurde er von einem Professor betreut, der ein Auge auf mich geworfen hatte. Er wollte mich nach Verona einladen, aber ich sagte ab, weil ich jeden Tag damit rechnen musste, dass mein Mann sterben könnte. Dann passierte es tatsächlich, und ich war mit meinen Kindern allein. Eines Tages kam jemand im Radiogeschäft vorbei – ich dachte fälschlicherweise, es sei der Professor und informierte ihn, dass mein Mann gestorben war.»

S.G.: «Worauf ich Myrtha zum Kaffee einlud und ihr dann verkündete: ‹Ich bin Shlomo Graber aus Israel. Abends gehen wir essen.› Ich war damals Handelsreisender und vertrat Schweizer Firmen in Israel, Ungarn und Österreich. Als Myrtha von meiner Vergangenheit hörte, befürchtete sie, dass ich dadurch auf ewig traumatisiert worden sein musste. Doch am Tag, an dem ich aus Auschwitz befreit worden war, hatte ich mir geschworen, kein Mitleid auszulösen und wie jeder andere Mensch zu leben.» M.H.: «Unsere erste gemeinsame Zeit war hart. Du warst von deiner Frau frisch geschieden, und wir waren nicht auf Rosen gebettet. 1989 warst du von Israel nach Basel gezügelt. Später fingst du an, deine Geschichte und die deiner Familie von 1859 bis 2008 aufzuzeichnen – das MigrosKulturprozent finanzierte die Übersetzung. Während du zu Hause geschrieben hast, arbeitete ich in einem Radio- und TVGeschäft, kam abends müde nach Hause und war dankbar dafür, dass du für die Kinder gekocht hattest.» S.G.: «Drei Jahre dauerte es, bis ich mein erstes Buch geschrieben hatte. Dafür all die Erlebnisse von damals nochmals gedanklich durchzugehen, belastete mich stark, sodass ich pro Tag jeweils nicht mehr als eine halbe Stunde schreiben konnte. Jeden Abend,

nachdem Myrtha von der Arbeit nach Hause gekommen war, las ich ihr meine Zeilen vor. Aus Auschwitz gibt es ein Bild, das ich nie vergessen werde: Ich sehe meine Mutter, meine Grossmutter, meine drei Brüder und meine Schwester – sie stehen in einer anderen Reihe als ich und lösen sich in meiner Erinnerung wie eine Staubwolke auf. Sie wurden alle ermordet, und ich hatte mich nicht mal von ihnen verabschieden können.» M.H.: «Als ich kurz vor der Pensionierung stand, beschloss ich, eine Galerie zu eröffnen. Und so fuhren wir mit dem Auto nach


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