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30 | Migros-Magazin 43, 19. Oktober 2009

Ueli Maurer, Sie sind nun bald ein Jahr im Bundesrat. Wie gefällt es Ihnen in Bern?

Ich bin daran, mich an Bern zu gewöhnen. Der Mentalitätsunterschied zu Zürich ist sehr gross. Das mag mit der Verwaltung zusammenhängen. Ich fühle mich noch nicht wirklich wohl. Wie äussert sich das?

Die Berner sind in der Regel weniger direkt als die Zürcher. Bern ist gemächlicher. Das ist weder gut noch schlecht, aber gewöhnungsbedürftig. Gut gefällt es mir in meinem Departement. Können Sie Ihre Art der Führung in Ihr Departement einbringen?

Es spielt immer eine Rolle, wie hoch man die Erwartungen setzt. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich mit den drei Stichworten offen, ehrlich und transparent arbeiten will, also ohne grosse Leitbilder. Da sind wir auf gutem Weg, denn inzwischen teilen mir die Mitarbeiter gemachte Fehler mit. Wir haben eine Diskussionskultur, die es vorher so offenbar nicht gegeben hat. Ich muss versuchen, bei den 12 500 Festangestellten des VBS und den jährlich 150 000 WK-Soldaten für eine positive Grundstimmung zu sorgen. Wie wollen Sie das umsetzen?

Ich besuche die Truppen relativ häufig und rede mit den Soldaten und den Kadern. Dabei habe ich von Anfang an versucht, die Vision von der besten Armee der Welt rüberzubringen. Ich weiss, darüber lachen die einen. Wie soll denn die beste Armee der Welt aussehen, wenn man gleichzeitig sparen muss?

Es beginnt im Kopf: Man muss sich mental darauf einstellen, dass man die Besten sein will – genauso wie beim Skifahren. Vergangene Woche ist durchgesickert, dass Sie gar keine Kampfjets wollen. Stimmt das?

In der Bundesratssitzung vom vergangenen Mittwoch haben wir dazu noch nichts entschieden.

Tatsache ist, dass die Tiger das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Die Luftwaffe braucht einen Teilersatz. Was kostet uns dieser? Die ursprünglich geplanten 22 Flugzeuge sollen laut «Sonntag» sieben Milliarden Franken verschlingen.

Ich weiss nicht, woher die Zeitung diese Zahl hat. Die Beschaffung würde 2,2 Milliarden Franken kosten. Rechnet man die Lebensdauer der Flieger dazu, sind es nach derzeitigem Kenntnisstand aber wohl noch mehr als die sieben Milliarden Franken.

Sie sagen, dass das VBS beim Sparen die Schmerzgrenze überschritten hat.

Ja, nur schon um unseren Materialbestand zu halten, benötigen wir mittelfristig jährlich eine halbe Milliarde Franken mehr als

heute. Voll ausgerüstet ist gegenwärtig nur ein Drittel der Armee. Ein Beispiel: Wenn wir das WEF in Davos sichern, kommt sämtliches Übermittlungsmaterial der Armee zum Einsatz. Durch die diversen Sparübungen zog man uns in den letzten zehn Jahren dreieinhalb Milliarden Franken ab, während grosse Nationen aufgerüstet haben.

Bewusstsein der Bevölkerung ist. Wir müssen eine Krisenkommunikation aufbauen, um zu zeigen, was die Folgen des Sparkurses sein könnten. Und wir müssen gleichzeitig unsere Leistungen sichtbarer machen: Ohne die Armee können wir keinen Grossanlass durchführen. Sie hilft bei Katastrophen, bewacht Botschaften, unterstützt die Polizei bei Staatsbesuchen.

Und woher soll die Schweiz diese halbe Milliarde nehmen?

Braucht es Auslandeinsätze?

Sie entspricht 0,8 Prozent der Bundesausgaben, so viel müsste uns die Sicherheit wert sein.

Sie vertreten das relativ leidenschaftslos, als ob Sie mit jedem Entscheid problemlos leben könnten.

Ich kämpfe schon (lacht und zögert dann). Wir benötigen das Geld. Darüber spreche ich täglich. Aber es braucht drei, vier Jahre, bis das im

Sie sind Teil unseres Verfassungsauftrags. Allerdings hat das Parlament widersprüchlich reagiert, den Ausland-WK, Atalanta und die Änderung des Militärgesetzes abgelehnt. Das hat zu einer Orientierungslosigkeit geführt. Die Diskussion im Parlament hat gezeigt, dass es solidarisch sein will, aber mehr im humanitären Bereich und nicht mit Waffen. Ich versuche nun, einen breiten Konsens zu schaffen.

«Bei uns fliegt es, rattert es, schiesst es» Nach bald einem Jahr im Bundesrat zieht Ueli Maurer Bilanz: Der Sport- und Verteidigungsminister sagt, warum die Armee am Anschlag ist, was seine SVP falsch macht und warum er neun Velos im Keller stehen hat.


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