22 | Migros-Magazin 41, 11. Oktober 2010
Das Stricklabel Hohgant stellt nicht nur Babykleider, sondern auch Teddybären her.
Wolllust im Emmental
Was haben gemütliche Emmentaler Bäuerinnen und trendige Grossstadt-Mütter miteinander zu tun? Nichts, ausser der Liebe zu qualitativ hochstehenden Babykleidern des Hohgant-Labels. Und die werden im Emmental gestrickt. Von gemütlichen Bäuerinnen.
G
rün ist das Emmental im Herzen der Schweiz. Einladend seine Bauernhäuser mit den weit ausladenden Dächern. Mystisch die Tannenwälder auf den sanften Hügeln. Der Käse mit den Löchern, der Emmentaler, machte die Region im Ausland weltberühmt. Und lange Zeit florierte in Gotthelfs Heimat auch die Textilindustrie. Heute jedoch gehört das Emmental wirtschaftlich zu den Randregionen. Innovative Geschäftsideen sind darum gefragter denn je.
Gestrickte Erdbeeren für kleine Babyköpfe
Hannah Strøm (66), gebürtige Dänin, wohnhaft in Basel und seit gut 15 Jahren dank einer Dépendance auch mit dem Emmental verbunden, hat so eine innovative Idee in die Region getragen. Die Initialzündung gab vor ungefähr sieben Jahren – ungewollt – eine süsse, unschuldige rote «Erdbeer-Mütze». Damit nahm die Erfolgsgeschichte des Stricklabels Hohgant ihren Lauf. Erdbeeren für die Babys zu stricken war zuvor in Strøms Familie seit über 30 Jahren Tradi-
tion. «Was danach kam, war schlichtweg überwältigend», sagt die Hohgant-Gründerin mit der markanten schwarzen Brille sichtbar gerührt im Strickraum in Langnau BE. Es sei etwas vom Besten, was ihr in ihrem Leben widerfahren sei. Da das kecke Käppchen auch ausserhalb der Familie für Furore sorgte, strickte die ehemalige Fachbereichsleiterin der Schule für Gestaltung in Basel immer öfter nicht mehr nur für Verwandte. Endgültig zu viele Beeren-Babykappen wurden es jedoch, als eine Bekannte sie überredete, ein paar süsse TextilFrüchtchen für ihre Kunst- und Designboutique in Basel zu stricken. Eine Freundin aus dem Emmental eilte der Designerin spontan zu Hilfe. Hannah Strøm sagt, sie habe nie Marketing betrieben. Als es die Beeren-Babykappen dank einer Freundin an die Art Basel schafften und dort von einem Händler aus Berlin und einer Journalistin des deutschen Magazins «Stern» entdeckt wurden, stieg die Nachfrage rasant. Noch mehr geübte Emmentalerinnen
legten Hand an: Bäuerinnen, Hauswirtschaftslehrerinnen, Mütter, Freundinnen der Freundin, deren Schwägerinnen und Nachbarinnen. Und die unschuldige Erdbeere fristete nicht lange ein alleiniges Dasein. Fröhlich-bunte Zebrajäckchen, weiche Wollhöschen, drollige Teddybären und unwiderstehliche Teufelskäppchen gesellten sich dazu. Jedes Stück in bester Qualität, aus Merino, Bio-Baumwolle oder Seide – und natürlich handgestrickt.
Die ganze Welt steht auf Emmentaler Strickereien
Das Projekt Hohgant war parat, die Welt zu erobern. Trendboutiquen in Berlin und Kopenhagen, Seattle und Yokohama holten sich die Emmentaler Wolllust à la Grossmutter in den Laden. Eine Mutter in Hollywood outete sich vor einer Kamera des Schweizer Fernsehens als Hohgant-Fan. Eine Japanerin, deren Kind mit einer der besagten Erdbeer-Mützen aus dem dichten Tokioter Passantenstrom heraussticht, schwärmt, wie toll sie diese Handarbeit fände. «Ich
Heile Welt: Jacqueline Nyffeler, Vreni Zürcher, Hannah Strøm, Anita Salzmann mit Sohn Nicolai und Christine Pfister (von links).