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Migros-Magazin 40, 4. Oktober 2010

Eine WG voller Energie Geduscht wird im Dunkeln, als Fusswärmer dient Hündin Ondra: Die Umweltnaturwissenschafts-Studentin Manuela Schwarz und der Psychologie-Doktorand Reto Zanolari leben in einer energiezertifizierten WG.

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ie Fenster in der Siedlung aus den 1970er-Jahren, nahe des Spitals Wetzikon, sind an diesem finsteren Septemberabend grösstenteils hell beleuchtet. Nur in einem Wohnzimmerfenster im zweiten Stockwerk ist ein schwaches, flackerndes Licht zu erkennen. In der Wohnung lebt die 24-jährige Manuela Schwarz, ETH-Studentin der Umweltnaturwissenschaften, und der 26-jährige Reto Zanolari*, Uni-Doktorand in Psychologie. Sie essen Spaghetti bei Kerzenlicht. «Wir zünden häufig Kerzen an, damit wir kein elektrisches Licht brauchen», sagt Manuela. Gemeinsam mit ihrem Mitbewohner führt sie einen von schweizweit rund 600 Haushalten, die in den letzten drei Jahren mit dem «Energie WG»-Label zertifiziert wurden. 86 von möglichen 100 Punkten haben sie bei der Zertifizierung erreicht. Abzüge mussten sie hinnehmen, weil sie sich keinen ökologischeren Strommix leisten, weil die alte Spülmaschine über kein Ökoprogramm verfügt oder weil sie die Heizung nicht so weit zurückdrehen können, wie sie gerne würden. Doch wer sich den Fragebogen anschaut, der für die Zertifizierung ausgefüllt werden muss, ahnt: Manuela und Reto sind Energiesparer mit Leib und Seele. Das flackernde Kerzenlicht markiert bloss den abendlichen Schlusspunkt einer Reihe von Energiesparmassnahmen, die Manuela und Reto durch den Tag begleiten: Das Wasser für den Tee

und andere Kocharbeiten wird mit dem Wasserkocher erhitzt. «Das geht schneller und ist energieeffizienter», erklärt Reto. Beim morgendlichen Duschen wechseln die Energiesparer zwischen lauwarmem und kaltem Wasser. Dabei stehen sie im Halbdunkel. Die Duschbrause produziert durch den Wasserfluss Strom für ein eingebautes Licht. «Es wechselt sanft zwischen Grün, Blau und Rot. Das ist so schön, dass es mir gar nicht in den Sinn käme, dasLichteinzuschalten»,schwärmt Manuela. Zum Einseifen fliesst kein Wasser. Angezogen werden danach Kleider, die meist nicht vom Tumbler oder im Trocknungsraum getrocknet wurden. «Der Tumbler ist jedoch an schlechten Tagen meine Sünde», gesteht er.

Energiesparend durch den ganzen Tag

Bevor sie die Wohnung verlassen, machen sie einen Rundgang: Sind alle Energiesparlampen gelöscht? Sind alle Geräte per Stromleiste definitiv ausgeschaltet? Sind alle Fenster wieder geschlossen, die zuvor kurz zum Lüften geöffnet wurden? Parallel dazu überlegen sich Manuela und Reto, welche Produkte aus dem Tiefkühler sie abends oder am nächsten Tag brauchen. «Wir nehmen die Produkte frühzeitig aus dem Tiefkühler und legen sie zum Abtauen in den Kühlschrank, wo sie helfen, ihn abzukühlen», erklärt Manuela. Um aus dem Haus zu kommen, führt der Weg über die Treppe

Energiezertifiziertes Zusammenleben: Manuela Schwarz und Reto Zanolari sparen in ihrer WG Strom, wo sie können.

vorbei am Lift. Den Weg zur Universität oder zur ETH in Zürich legen sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, genauso wie jenen in die Ferien. «Ich bleibe in der Schweiz», sagt Manuela. Eine solche Grenze setzt sich Reto nicht. «Ich bin mit dem Zug schon in 35 Stunden nach Skandinavien gefahren», erzählt er. Unterwegs schalten beide ihre Handys nur bei Gebrauch ein. Gleiches gilt daheim für jedes elektrische Gerät. Von zu Hause aus telefonieren sie über ein betagtes Telefon, das nur einen Telefonnetz-, aber keinen Stroman-

schluss hat. Ein Fernsehgerät gibt es nicht. Beim Kochen werden selbstredend Pfannendeckel und wann immer möglich der Dampfkochtopf verwendet. Aus dem Dampfabzug erstrahlt nur ein Lämpchen, obwohl es zwei gäbe. FürOtto-«Zuviel»-Verbraucher klingt das Verhalten von Manuela und Reto nach Dauerstress und Konfliktpotenzial. Tatsächlich gibt Manuela an, dass es sie manchmal ärgere, wenn Reto will, dass sie ein Licht löscht, wo sie doch gerade so gemütlich im dicken Wollpullover auf dem Sofa sitzt und Hündin Ondra ihre Füsse wärmt.


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