BESSER LEBEN TIERE
Migros-Magazin 36, 6. September 2010
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Tierquälerei ist ein Warnsignal
Neigen Kinder, die Tiere quälen, später zu Gewalt? Ja, sagt eine Studie, welche mit über 3600 Schweizer Schülerinnen und Schülern durchgeführt worden ist.
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er Tiere quält, ist unbeseelt, und Gottes guter Geist ihm fehlt. Mag noch so vornehm drein er schaun, man sollte niemals ihm vertraun!» So sah es bereits Altmeister Goethe. Der Zürcher Strafrechtsprofessor Martin Killias hat zusammen mit Sonia Lucia von der Universität Genf in einer schriftlichen Umfrage 3648 Schülerinnen und Schüler in 7. bis 9. Klassen aus der ganzen Schweiz zu diesem Thema befragt. Die Wissenschafter wollten herausfinden, ob man bei Tierquälern eine Vorhersage machen kann, dass sie auch gegen Menschen eher gewaltbereit sind.
Selbsteinschätzung der Jugendlichen überlassen. Dreimal oder gar noch häufiger gaben 5 Prozent der Jungen und 1,5 Prozent der Mädchen an, Tiere gequält zu haben. Auf die Zusatzfrage, um welches Tier es sich gehandelt habe, nennen 58 Prozent der Jugendlichen Fische, Eidechsen oder Frösche, 29 Prozent Katzen oder Hunde und 11 Prozent Vögel.
Schläger finden, die Tiere hätten es verdient
Bild Getty Images/Barbara Peacock
Gewalt gegen Menschen ist nur eine weitere Eskalation
Martin Killias: «Gemäss Lerntheorie muss Gewalt gegen Tiere und Menschen eingeübt werden. Wer andere grausam behandelt, muss Hemmungen überwinden und anschliessend mit Schuldgefühlen fertig werden.» Aus dieser Warte stelle die Gewalt gegen Menschen, sofern Grausamkeit gegen Tiere vorausging, nur eine weitere Stufe in einer Gewalteskalation dar.» Von den befragten Schweizer Schülern haben 17 Prozent der Jungen und 8 Prozent der Mädchen zugegeben, schon einmal ein Tier absichtlich gequält zu haben. Was als Tierquälerei gilt, war der
Spiel oder Quälerei? Das Tier signalisiert, wo die Grenze ist.
LIEBLING DER WOCHE
«Die Nasen aneinander reiben kitzelt so schön — die weisse Eselin Lilo und Pudel Armano können sich gut riechen.» Bild von Hannelore Mueller, 4115 Mariastein.
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Interessant ist die Auswertung der Antworten auf die Frage: «Was hältst du von Leuten, die Tiere quälen?» Bei den Jugendlichen, die kleinere Gewaltdelikte wie Schlägerei oder Waffentragen zugaben, fanden rund zwölf Prozent, dass sie das traurig mache. Doppelt so viele fanden, das mache Spass oder die Tiere hätten es verdient. Bei Jugendlichen, die schwerere Gewalttaten wie Raub und Körperverletzung zugaben, fanden viermal so viele, das mache Spass oder die Tiere hätten es verdient. «Man sieht, wie wichtig das Verhalten gegenüber Tieren für die Erklärung späterer Gewalt gegenüber Menschen ist», kommentiert Martin Killias. In den USA hat man den Zusammenhang erkannt: Bei Tierquälerei wird routinemässig das Jugendamt eingeschaltet, falls im gleichen Haushalt Kinder leben. Dagmar Steinemann