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In der Goldwerkstatt

Wo Gold in Strömen fliesst

In keinem Land der Welt wird so viel Gold verarbeitet wie in der Schweiz. Warum ist das so? Und was hat es mit schmutzigem Gold auf sich? Die Raffinerie Metalor bei Neuenburg hat uns die Türen geöffnet.

Text: Ralf Kaminski Bilder: Jorma Müller

Die enorme Hitze ist auch mit fünf Metern Abstand noch spürbar. 1200 Grad heiss ist das flüssige Gold, das vor unseren Augen aus einem grossen, glühenden Schmelztigel in zehn Formen gegossen wird.

Die beiden Arbeiter tragen isolierende Schutzanzüge und Visiere, die ihr Gesicht vollständig verdecken. Vorsichtig füllen sie das Gold ab und entfernen am Ende die Formen. Zum Vorschein kommen grosse, golden glänzende Barren, die nun schnell erkalten.

Auf einem Tisch neben der Giesserei ruhen bereits ausgekühlte Barren, etwa 40 Stück, sie sind alle zwischen elf und zwölf Kilo schwer und je rund 600000 Franken wert. Staunend betrachten wir die etwa 24 Millionen Franken, die da so beiläufig liegen, als wären sie lediglich mit Goldfolie umhüllte Schokolade. Aber man braucht schon beide Hände, um einen solchen Barren hochzuheben. Wir befinden uns in den Produktionshallen der Metalor Technologies SA in Marin bei Neuenburg. Metalor ist eine von fünf grossen Goldraffinerien in der Schweiz. Pro Jahr verarbeitet das Unternehmen allein in Marin rund 250 Tonnen Gold, ausserdem noch 300 Tonnen Silber und je etwa zehn Tonnen Platin und Palladium.

Golddrehscheibe Schweiz Neben den grossen Barren produziert Metalor noch vieles mehr: Goldgranulat, das von der lokalen Uhren- und Schmuckindustrie weiterverarbeitet wird, kleine Barren, die man bei den Banken kaufen kann, Salze und Elektrolyte für industrielle Verwendungen, darunter Silberpulver für Sonnenkollektoren.

«Es wird generell unterschätzt, in wie vielen Produkten Edelmetall eine Rolle spielt», sagt Antoine de Montmollin. Der 58-jährige Enkel eines Weinbauern, der in jüngeren Jahren als Rotkreuzdelegierter auch schon in Kriegsgebieten unterwegs war, arbeitet seit 2005 bei Metalor und führt das Unternehmen seit 2019. «Gold findet sich in jedem Smartphone, jedem Auto, jedem TV-Gerät, aber auch in Kosmetik- und Pharmaprodukten.»

Und die Schweiz ist eine riesige Golddrehscheibe – das Material kommt ins Land, wird von einer der fünf grossen Raffinerien veredelt und verlässt das Land wieder. Das meiste jedenfalls. Mit exakten Zahlen ist es schwierig. «Es ändert sich je nach Nachfrage von Quartal zu Quartal», erklärt Montmollin.

Grundsätzlich kommt Gold in zwei Formen in die Schweiz: direkt von Minen, wo es frisch geschürft wurde, oder als bereits raffiniertes Material, das rezykliert oder höherwertig raffiniert werden soll. Dazu gehört auch eine Menge Bankgold, das zwischen der Schweiz und den in London ansässigen Depotbanken hin und her transportiert und regelmässig neu verarbeitet wird, damit es industriell weiterverwendet werden kann. Rund 15 Prozent sämtlichen

1200 Grad heiss ist das flüssige Gold, aus dem Granulat und Barren entstehen.

«Es wird unterschätzt, in wie vielen Produkten Edelmetall eine Rolle spielt.»

Minengolds werde in der Schweiz raffiniert, sagt Montmollin und verweist auf Statistiken der London Bullion Market Association. Und gar 70 bis 80 Prozent des globalen rezyklierten Golds.

Seit 1852 im Geschäft Marc Ummel, beim Hilfswerk Swissaid für Rohstoffe zuständig und ein langjähriger Beobachter der Goldindustrie, schätzt, dass «mehr als 50 Prozent» sämtlichen auf der Welt gehandelten Goldes durch die Schweiz fliesst. Insgesamt zwischen 2100 und 2700 Tonnen pro Jahr. «Das hat einerseits historische Gründe», erklärt Montmollin, «wir sind einfach schon sehr lange in diesem Geschäft.» Metalor wurde bereits 1852 gegründet und gehörte lange Zeit zur heutigen UBS, bis diese die Firma 1998 abstiess. Heute ist das Unternehmen Teil des japanischen TanakaKonzerns, der ebenfalls auf Edelmetalle spezialisiert ist.

Auch die meisten anderen grossen Raffinerien gehören mittlerweile zu ausländischen Konzernen. Und alle befinden sich in der Romandie oder im Tessin – einst dort angesiedelt wegen der Uhrenindustrie in der Westschweiz und der Schmuckindustrie in Norditalien.

Ein weiterer Grund für die Bedeutung der Schweiz sei aber auch die Qualität und die Reputation, sagt der MetalorChef. Eine Besonderheit sind die «vereidigten Edelmetallprüfer», die zwar bei den Raffinerien angestellt sind, aber eine eidgenössisch zertifizierte Qualitätsprüfung des Endprodukts vornehmen. «Das gibt es nur hierzulande, und diesen Leuten droht strafrechtliche Verfolgung, wenn sie absichtlich oder aus Versehen schlampen.»

Das angelieferte Material durchläuft einen über viele Jahre eingespielten Prozess. Alles, was ankommt, wird zunächst auf seinen Edelmetallgehalt geprüft, egal, ob es bereits vorraffinierte Barren aus einer Mine sind, ein Bottich mit altem Silbergeschirr oder Restmetall aus der Uhrenindustrie zur Wiederverwertung. Das Material wird registriert,

Ein Barren ist elf bis zwölf Kilo schwer und rund 600000 Franken wert.

dann mittels diverser Prozesse entweder eingeschmolzen oder chemisch bearbeitet, um seinen Wert einschätzen zu können. Der Lieferant wird noch am selben Tag ausbezahlt.

Als Nächstes wird das Metallgemisch in der Raffinerie weiterbearbeitet, wo die einzelnen Edelmetalle nach und nach voneinander getrennt und schliesslich in möglichst reiner Form neu eingeschmolzen und weiterverarbeitet werden. «Dieser Prozess kann je nach Ausgangsmaterial zwischen 15 und 50 Tage dauern», erklärt Montmollin.

Da Metalor die Lieferanten gleich zu Beginn bezahlt, selbst jedoch erst am Schluss ihr Geld von den Endkunden erhält, muss die Firma jederzeit erhebliche Beträge zur Verfügung haben, was mithilfe von Banken sichergestellt wird.

Metalldetektoren beim Ausgang «Die Konkurrenz ist gross», sagt Montmollin, «weltweit gibt es rund 70 solcher Raffinerien.» Da Metalor aber zusätzlich auch noch eine Weiterverarbeitung der Metalle für industrielle Zwecke anbietet, laufen die Geschäfte gut. Konkrete Zahlen publiziert das Privatunternehmen nicht.

Metalor beschäftigt weltweit an zwölf Standorten 1500 Mitarbeitende, davon 280 in der Schweiz. Und alle sind sorgfältig ausgesucht und müssen hohe Sicherheitsstandards befolgen. Wer in der Raffinerie arbeitet, wird am Ausgang jeweils von Metalldetektoren und Sicherheitsleuten genau durchgecheckt, um sicherzustellen, dass kein Metall aus der Anlage verschwindet.

Das grosse Geschäft mit dem Gold ist allerdings nicht unumstritten. Laut Marc Ummel von Swissaid müssen dem Bergbau oft Wälder weichen, und Gewässer und Natur werden mit hochgiftigen Chemikalien kontaminiert. Hilfsorganisationen beklagen zudem Zwangs und Kinderarbeit, ausbeuterische Arbeitsbedingungen bis hin zu Prostitution und Menschenhandel sowie die Vertreibung lokaler Bevölkerungen.

Letztlich sei entscheidend, aus welchen Quellen das Gold komme, sagt Ummel. Laut World Gold Council waren 73 Prozent allen Golds, das im Jahr 2020 auf den Weltmarkt kam, Minengold und nur 27 Prozent rezykliertes. «Für die Schweiz jedoch ist das Verhältnis genau umgekehrt. Und es ist schwierig bis unmöglich, die Lieferketten von rezykliertem Gold zurückzuverfolgen.»

Gold aus heiklen Quellen? Somit lasse sich kaum sichertellen, dass in der Schweiz nicht auch Gold aus problematischen Quellen weiterverarbeitet werde. Besonders heikel sind laut Ummel Lieferungen aus Dubai. Die wohlhabende Metropole in den Vereinigten Arabischen Emiraten sei «eine Risikodrehscheibe von problematischem Gold, vieles aus Afrika».

Aktuell gehört dazu auch Gold aus Russland, das wegen des UkraineKriegs mit westlichen Sanktionen belegt ist. Inzwischen allerdings bezieht laut Recherchen von Swissaid nur noch eine der fünf grossen Raffinerien Gold aus Dubai: Valcambi im Tessin. Diese betonte jedoch, sie halte sich an die geltenden Richtlinien und Sanktionen. Unabhängig überprüfen lässt sich das jedoch nicht.

«Uns ist die Rückverfolgbarkeit sehr wichtig», sagt Montmollin. «Wenn wir nicht sicher sind, woher das Gold stammt, fassen wir es nicht an. Deshalb arbeiten wir nicht mit Dubai.»

ZAHLEN UND FAKTEN

205 238

Tonnen Gold hat die Menschheit bis Ende 2021 gefördert. Das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 21,99 Metern. Dieser Würfel wächst jedes Jahr um einige Zentimeter.

3000 bis 3500

Tonnen Gold werden jährlich neu gefördert.

54 000

Tonnen weitere Goldvorkommen sind weltweit bekannt, die sich mit den aktuellen technischen Mitteln abbauen lassen. Die grössten liegen in Kanada, Südafrika, den USA, in Australien, Russland, Chile, China, Indonesien, Mexiko und PapuaNeuguinea.

Auf Gold-Labels achten Zwar ist rund 70 Prozent des von Metalor verarbeiteten Golds rezykliert, doch es stamme nahezu vollständig aus der Schweiz, «das meiste sind Restbestände aus der Uhrenindustrie, die wir rezyklieren, aufbereiten und ihnen in Form von Granulat zurückliefern». Da habe sich inzwischen eine Art Kreislaufwirtschaft etabliert.

Manche Abnehmer seien auch bereit, für Gold aus einer bestimmten Quelle oder mit einem besseren Standard mehr zu bezahlen, etwa unter den Labels «Fair Mined», «FairTrade» oder «Swiss Better Gold», zu dessen Gründungsmitgliedern Metalor gehört. Sie stellen sicher, dass das Gold aus Quellen mit guten Bedingungen für Mensch und Umwelt stammt.

Das Unternehmen untersteht zudem diversen nationalen und internationalen Regulierungen. «Und wir haben in Zusammenarbeit mit der Universität Lausanne ein wissenschaftliches Verfahren entwickelt, mit dem wir die Quelle von Minengold ganz exakt bestimmen können.» Die

ser sogenannte geoforensische Pass soll sicherstellen, dass einer Lieferung kein Material aus problematischen Quellen beigemischt wird – und soll künftig auch von anderen Akteuren in der Industrie übernommen werden, so hofft Montmollin.

Mehr handwerkliches Minengold Metalor erhält dafür Lob von Marc Ummel: «Das ist ein wichtiges Instrument, löst jedoch nicht das Problem der mangelnden Rückverfolgbarkeit von bereits raffiniertem Gold.» Ummel fordert noch mehr Kontrollen und konkrete Sanktionen bei Fehlverhalten.

In vielem jedoch sind sich der Firmenchef und der NGOExperte einig: So sprechen sich beide dafür aus, die Zusammenarbeit mit handwerklichen Minen zu stärken, in denen Gold nicht mit riesigen Maschinen, sondern weitgehend in Handarbeit gefördert wird.

«Weltweit gibt es rund 25 Millionen solcher Minenarbeiter», erklärt Ummel. Das Problem ist jedoch, dass es sehr schwierig ist, die Zustände in diesen vielen kleinen Minen angemessen zu kontrollieren. Deshalb hat Metalor die Zusammenarbeit mit den meisten vor ein paar Jahren schweren Herzens beendet. «Einem Veredler allein fehlen die Mittel, hier ausreichend sicherzustellen, dass alle Umwelt- und Arbeitsbedingungen erfüllt werden», sagt Montmollin. «Es müsste einen Dialog mit Regierungen, NGOs, lokalen Gemeinschaften und Experten geben, um einen Prozess und Kontrollverfahren

«Es braucht mehr Kontrollen und konkrete Sanktionen bei Fehlverhalten.»

Marc Ummel Rohstoffexperte Swissaid für eine nachhaltigere Goldwertschöpfungskette zu entwickeln – und den haben wir noch nicht.»

Derzeit bezieht Metalor nur gerade aus einer solchen Mine in Peru Gold, wo die entsprechenden Standards sichergestellt sind. «Aus unserer Sicht wäre das der beste Weg», sagt Montmollin.

Die Barren sind inzwischen ausgekühlt. Sie werden nun noch gestempelt; darauf vermerkt wird unter anderem der höchste Reinheitsgrad von 999,9 sowie ein eidgenössisches Zertifikat, das global für höchste Qualität steht. Dann gehen die Goldbarren weiter zu den Endkunden, das sind meist Banken, oft in London. Dort ruhen sie in dunklen Tresoren – golden, wertvoll und für fast alle unerreichbar. MM

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