4 minute read

In der Treichelschmiede

Feuer und Flamme für die Treichel

Sie ist der Stolz jedes Bauern und gehört zu jedem Schwingfest wie das Sägemehl. Im bernischen Oberbalm lässt Familie Bartenbach die Esse glühen, damit es landauf, landab weiter bimmelt.

Text: Flavian Cajacob Bilder: Michele Limina

Wieder und wieder lässt Jürg Bartenbach den Hammer niedersausen. Gut und gerne 800 Grad heiss ist das Stahlblech, wenn es aus der Esse – der offenen Feuerstelle im hinteren Teil der Schmiede – kommt. Da mag es kein Zaudern, kein Stocken, kein «Lauere» leiden. Entsprechend zackig bringt der Treichelschmied die schweisstreibenden Arbeitsschritte hinter sich. Auch Sohn Nick (22) kommt an diesem Morgen gehörig ins Schwitzen: Am grossen Amboss nimmt er sich der Weiterverarbeitung einer Treichel an: Sie findet Schlag für Schlag zu ihrem Klang. Was brachial wirkt, hat filigrane Auswirkung auf die Tonlage. «Für ein kleines Exemplar von 500 Gramm brauchen wir vielleicht drei Stunden, grössere Treicheln benötigen in der Herstellung aber schon mal 15 bis 20 Stunden», erklärt der gelernte Metallbauer EFZ Fachrichtung Schmiedearbeiten. Das schwerste Kaliber der Bartenbachs wiegt stolze 30 Kilo!

Im Gegensatz zu Glocken werden Treicheln nicht gegossen, sondern aus zwei Hälften Blech geschnitten, erhitzt, gehämmert, geformt – oder eben: geschmiedet.

Für die Jungen oder ganz Bösen Längst finden die massiven Klöppelträger Verwendung über ihre ursprüngliche Bestimmung hinaus. «Treicheln haben Tradition und sind inzwischen selbst Tradition», sagt Jürg Bartenbach, der als einer von wenigen dem kernigen Handwerk nachgeht. In seinem Lager hängen kleine und bereits mit Namen und

Sohn Nick Bartenbach verhilft einer Treichel hämmernd zu ihrem Klang, Vater Jürg (links auf dieser Seite) schmiedet eine neue.

Daten versehene Exemplare, die bald einmal ein junger Mann zur Konfirmation erhalten dürfte. Grössere sollen gestandene Ehepaare für gemeinsam durch- und überstandene Jahre ehren. Und ganz grosse sind für die Gabentempel von Schwingfesten bestimmt. Diese sind die Krönung der bartenbachschen Schöpfung: «Ich denke, für einen Schwinger gibt es kaum etwas Schöneres, als nach einem erfolgreich verlaufenen Fest mit einer Treichel im Kofferraum heimzufahren», bemerkt Nick Bartenbach, der selber regelmässig ins Sägemehl steigt. «Für mich persönlich vermag die Treichel den Erfolg viel besser zu verkörpern als ein Flachbild-TV oder ein Bike.»

Dementsprechend schnell sind die mit kunstvoll verzierten Lederriemen versehenen Klangquellen nach dem Schlussgang jeweils vergriffen. Zahlreiche Dankesschreiben an der Kaffeeecke zeugen denn auch von der Beliebtheit als Trophäe: Jungschwinger, Kranzfestsieger, die ganz «Bösen» der Zwilchhosenzunft, ja selbst Schwingerkönige verdanken darin handschriftlich und höchstpersönlich die grosszügige Gabe. «Ein Festsieger mit einer von uns hergestellten Treichel auf der Titelseite oder im Fernsehen: Natürlich ist das auch für uns eine Freude», stellt Jürg Bartenbach klar. Eine wiederkehrende Freude im Übrigen, denn: Auch am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest von Pratteln Ende August dürfte die eine oder andere «Bartenbach» über den Gabentisch gehen.

Ein paar hundert Treicheln verlassen jährlich die Schmiede Gebimmel mit langer Tradition

Schon im alten Ägypten sollen die Bauern gemäss historischen Überlieferungen ihren Kühen Glocken umgebunden haben, um sie zu orten. Oder um sie überhaupt von jenen des Nachbarn unterscheiden zu können. Ihnen gleich taten es die Griechen und Römer. Um 1800 fanden Glocken und Treicheln im Alpenbogen – somit auch in der Schweiz – zu ihrer heutigen Form.

Einige der Werkzeuge in der Treichelschmiede (oben) und viele Dankeskarten von Schwingern und anderen begeisterten Trychlern am Kaffeetisch. der Bartenbachs in Oberbalm BE. Swissness boomt, Handwerk wird von breiten Kreisen überaus geschätzt. Ein Teil der Produktion, zu der natürlich auch «Gebrauchsware» gehört, mit der Vieh für Feld und Fest bestückt wird – sogenannte Weid- und Fahrtreicheln – wird direkt verkauft, ein anderer gelangt über Zwischenhändler zum Endkunden. Kostenpunkt: von 75 Franken bis hin zu einigen Tausend Franken, je nach Aufwand und Ausführung.

Indes, da die traditionellen Anlässe, vorab Chlausauszüge, Viehschauen, Alpaufzüge sowie Schwing- und Jodelfeste, in den vergangenen zweieinhalb Jahren coronabedingt gleich reihenweise ausgefallen sind, sank auch die Nachfrage nach Treicheln. «So haben wir in dieser Zeit in erster Linie unser Lager aufgefüllt», betont Jürg Bartenbach, «im Vertrauen auf die Treue unserer Klientel und darauf, dass nach überstandener Pandemie die Nachfrage wieder anzieht.»

Nichts übrig für Freiheitstrychler Der 54-Jährige schmunzelt, weil er genau weiss, welche Frage jetzt folgt: «Und nein, die Freiheitstrychler haben für keinen Boom gesorgt – jedenfalls bei uns nicht.» Ohne dass er näher darauf eingeht, wird offenkundig: Dem Treichelschmied wäre es durchaus recht gewesen, hätten die Massnahmenkritiker anstelle der Treichel den Triangel für ihren lautstarken Protest auserkoren.

Es zischt. Es knallt. Es scheppert. Seit fünfzig Jahren haben sich die Bartenbachs nunmehr der Treichel verschrieben. Mit Grossvater Eduard steht auch der Firmengründer nach wie vor regelmässig in der Schmiede. Ihm ist die Freude anzusehen, dass sein Erbe mittlerweile in dritter Generation gepflegt wird. «Junge Leute für unseren Beruf zu begeistern, das ist in der heutigen Zeit nämlich alles andere als einfach», sagt der 81-Jährige. Denn Treicheln schmieden sei harte Knochenarbeit. Viel Hitze, viel Russ, viel Kraftaufwand – Nick Bartenbach allerdings macht das alles nichts aus. Im Gegenteil. «Ein Produkt so herzustellen, wie es vor 500 Jahren schon hergestellt worden ist, das finde ich einfach cool», sagt er mit einem Lachen und wuchtet eine weitere Blechhälfte auf den Amboss. Könige und Böse warten auf Nachschub. MM

Anzeige

Jetzt in Aktion

das gesamte Alpro Sortiment

Erhältlich in grösseren Migros-Filialen. Bei allen Angeboten sind bereits reduzierte Artikel ausgenommen. Angebote gelten nur vom 28.6. bis 3.7.2022, solange Vorrat

20%

Auf alle Alpro Drinks und Joghurtalternativen

z.B Alpro This is Not M*lk pflanzlich & voll 3,5%, 1L 2.80 statt 3.50

Neu!

This article is from: