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44 | 20.6.2022 | REISEGEPÄCK

Erste Hilfe fĂŒr kaputte Koffer Lukas Theiler und Claudia Casanova reparieren im Auftrag von Fluggesellschaften ramponiertes ReisegepĂ€ck. Sie flicken alles – vom verbogenen RĂ€dchen bis zur aufgeschlitzten Tasche. Text: Michael West Bilder: Herbert Zimmermann

Der kleine Alukoffer sieht jĂ€mmerlich aus: Er ist zerschrammt und zerbeult wie ein Auto nach einem Crash. Lukas Theiler klappt den Deckel auf und löst vorsichtig das Futter aus dem MetallgehĂ€use. Dann greift er zu einem Hammer und einem gepolsterten Kunststoffmeissel. Mit gezielten SchlĂ€gen klopft er das ramponierte Köfferchen wieder in Form. «Das Ausbeulen von GepĂ€ckstĂŒcken aus Aluminium macht mir besonders Spass», sagt der 33-JĂ€hrige, der eigentlich Motorradmechaniker von Beruf ist. «Das erinnert mich immer ein wenig an die Arbeit in einer ­Karosseriespenglerei.» Reparatur in zwei Werktagen

Wir befinden uns in Emmen LU in einem ganz besonderen Spital, der sogenannten Kofferklinik. Die Patienten hier sind Reisetaschen, RucksĂ€cke und vor allem Koffer in allen Grössen, Farben und Formen. Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie auf einer Flugreise mehr oder weniger stark ­beschĂ€digt wurden: Sie haben Dellen, Risse, verklemmte Schlösser, abgeris­ sene Griffe oder verbogene RĂ€dchen. Die ramponierten GepĂ€ckstĂŒcke werden auf Kosten von

Swiss und weiterer Airlines in der Kofferklinik repariert. Das dauert im Schnitt zwei Werktage, danach geht das GepĂ€ckstĂŒck in ­einer Kartonschachtel an den Besitzer oder die Besitzerin zurĂŒck. Die Kofferklinik gehört zu Pack Easy, dem mit 60 Jahren ­Àltesten GepĂ€ckhersteller der Schweiz. «Doch wir flicken hier natĂŒrlich nicht nur unsere eigenen Produkte, sondern ganz unparteiisch Koffer und Taschen aller Marken», erklĂ€rt Marion Klein (59), Chefin der Traditionsfirma. Vor der Pandemie lieferten die Airlines jĂ€hrlich 11 500 ramponierte GepĂ€ckstĂŒcke an die Werkstatt. In der Coronazeit sank die Zahl drastisch. FĂŒr diesen Sommer und Herbst erwartet Klein nun wieder enorm viel ­Arbeit: «Die Leute wollen ­verpasste Reisen nachholen. Den FlughĂ€fen fehlt jetzt aber das Personal, um die riesige GepĂ€ckflut zu bewĂ€ltigen. Je grösser die Hektik in der Logistik ist, desto hĂ€ufiger werden GepĂ€ckstĂŒcke unsanft behandelt und dabei beschĂ€digt.» In der Kofferklinik ist man bestens gerĂŒstet, um die vielen neuen Patienten zu versorgen. Dabei arbeiten in der grossen Werkstatt, nur zwei Leute: Neben

Lukas Theiler kĂŒmmert sich hier Claudia Casanova um kaputte GepĂ€ckstĂŒcke. Gerade hantiert sie mit einem wuchtigen, pistolenförmigen Werkzeug – sie nietet damit neue RĂ€dchen an einen Koffer. Die 43-JĂ€hrige war frĂŒher Hotelfachassistentin. Sie hat zeitweise als Dreherin in einer Schlagzeugmanufaktur und auch in der Produktion von chirurgischen Instrumenten gearbeitet. Werkzeug aus der Chirurgie

Wie ihr Kollege Theiler ist auch Casanova nie um Ideen verlegen, wenn es um die Lösung kniffliger Probleme geht. Sie hat zum Beispiel herausgefunden, dass sich mit Arterienklemmen aus der Chirurgie sehr gut ein Reissverschluss fixieren lĂ€sst, bevor man einen neuen Zipper einfĂ€delt. Dem Kofferklinik-Team steht bei seiner vielseitigen Arbeit ein imposantes Arsenal an Werkzeugen zur VerfĂŒgung. Unverzichtbar ist auch das grosse Ersatzteillager. Wenn sich ein GepĂ€ckstĂŒck nicht mehr reparieren lĂ€sst, wird es fachgerecht entsorgt und rezykliert. Einzelteile wie RĂ€dchen, Schlösser oder Schnallen gehen dann entweder in die Metallsammlung oder kommen ins Lager. So sind auch Ersatzteile fĂŒr

Claudia Casanova ­nietet gerade neue ­Rollen an einen Koffer. Ihr Kollege Lukas ­Theiler (rechts) beult ein ­AlugehÀuse aus.


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