Migros Magazin 25 2008 d NE

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14 Jüngste Pilotin ne am 1. März in Hamburg gesehen. Damals schrammte ein Airbus A320, von Orkanböen erfasst, bei einem Landeanflug mit der linken Tragfläche über die Piste. Die Piloten reagierten goldrichtig, starteten durch und landeten danach ohne Zwischenfall. Als später bekannt wurde, nicht der erfahrene Captain, sondern die erst 24-Jährige Copilotin habe das Flugzeug gesteuert, gab es böse Fragen: Kann die das, so jung? War das nicht extrem fahrlässig? Was meint Swiss-Pilotin Donatsch dazu? Sind Jungpiloten ein Risiko? Die 22-Jährige zeigt selbst im Gespräch, wie beherrscht und kontrolliert eine gute Pilotin ist, verkneift sich eine träfe Antwort auf diese Klischeefrage und meint stattdessen ruhig: «Ja sollen wir Jungpiloten denn nur bei Schönwetter fliegen? Wir trainieren doch auch für turbulentere Wetterverhältnisse, das ist Teil der intensiven Pilotenausbildung. Wenn wir das nicht könnten, würden wir gar nicht erst im Cockpit sitzen!» Viel lieber als von Turbulenzen spricht Donatsch von der Aussicht aus dem Cockpit, von der selbst abgebrühte Piloten nie genug kriegen. Wunderbar malerisch sei die Landeansicht auf Venedig, und die Altstadt von Nürnberg müsse man unbedingt gesehen haben. Donatsch mag den Rhythmus von Europa-Flügen. Kaum rauf, schon wieder runter, «da ist immer was los, das ist lässig.» Ja klar, irgendwann Langstecke fliegen, grosse Airbusse pilotieren, das wärs, «aber daran denke ich jetzt noch nicht. Ich hab ja noch nicht mal alle Europa-Destinationen gesehen!»

Keine Chance für Top-Gun-Helden Wenn die 22-Jährige im Ausgang in Zürich Gleichaltrige trifft und nach ihrem Beruf gefragt wird, sagt sie nur: «Ich fliege für die Swiss.» Aha, Flight Attendant, denkt man dann für gewöhnlich, «und ich habe meine Ruhe.» Sage sie nämlich «Pilotin», müsse sie tausendmal die gleiche Story erzählen, warum, wieso, wie ist das so – «auch wenn ich gerne über meinen Beruf spreche – schliesslich ist es ein Traumberuf – ist es manchmal anstrengend, wenn meine Berufswahl zum einzigen Thema wird.» Ein Traumberuf, dem doch aber immer noch ein wenig der Dunst vom TopGun-Heldenimage anhaftet? Donatsch schüttelt den Kopf: «Die Zeiten sind vorbei!» Piloten seien heute in erster Linie seriöse, klar denkende, teamfähige und ruhige Schaffer – «Pilotinnen auch!» Ein wenig färbe der Job schon aufs Privatleben ab: Als Jungfrau im Sternzeichen sei sie zwar von Natur aus schon sehr korrekt («Sie sollten mal meinen picobello aufgeräumten Kleiderschrank sehen»),

Migros-Magazin 25, 16. Juni 2008

Flugvorbereitungen: Im Operations Center im Flughafen Zürich studiert Alessia Donatsch die Wetterlage.

Die ersten Pilotinnen Als erste Frau der Welt machte 1910 die Französin Raymonde de Laroche die Pilotenprüfung. Als erste Schweizerin erlangte die Zürcherin Else Haugk 1914 in Hamburg den Flugschein. Ursula Bühler Hedinger war 1967 die erste Schweizer Linien- und Jetpilotin und Akrofluglehrerin. Erste Linienpilotin bei einer Schweizer Airline war 1983 Regula Eichenberger bei der Crossair. Bei der Swissair waren Pilotinnen erst ab 1984 zugelassen. Erste Swissair-Pilotin war Gabrielle Musy-Lüthi, die 1999 auch erster weiblicher Captain wurde. Die Swiss hat aktuell über 1340 Piloten, 35 davon sind Frauen, acht fliegen im Captains-Rang.

Erste Pilotin der Welt: 1910 erwarb die Französin Raymonde de Laroche den Fluschein.

aber das Pilotentraining habe sie ruhiger gemacht, «im Strassenverkehr etwa. Da schimpfe ich heute weniger als früher.»

Schnell mal zum Freund nach Portugal Wer sich wirklich für den Pilotenberuf interessiere, solle es unbedingt versuchen. Das rät Alessia Donatsch allen jungen Männern und Frauen. Die Kombination aus Technik, Wetter, Kommunikation und Landschaft mache den Job zu einem der schönsten der Welt. Und die negativen Seiten? Partnerschaften etwa, die wegen der Fliegerei zerbrechen? Die 22-Jährige kontert mit einem Detail aus ihrem eigenen Privatleben: Sie habe nun zwei Tage frei. Sie gehe heim, packe den Koffer aus und gleich wieder ein, fahre zum Flughafen und fliege als Passagier nach Lissabon. «Dort wohnt nämlich mein Freund – also dann, ich muss jetzt.» Sie eilt durch das Operation-Center am Flughafen, das nur von Crewmitgliedern benutzt werden darf. Hier wimmelt es von ankommenden und abfliegenden Pilotinnen, Piloten und Flight Attendants. Und deren Gepäck ist in einer Ecke der Halle gestapelt. Hunderte Koffer! Und allen sieht man die vielen Flugreisen an: Kratzer, Dellen und zig ausgebleichte Hoteletiketten. Trotz der Riesenmenge Gepäckstücke findet Alessia Donatsch ihren Koffer sofort. Er ist der Einzige, der keine Blessuren hat und makellos glänzt. Auch er ist halt noch ganz neu. Text Marcel Huwyler Bilder Gerry Nitsch


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